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Ein Blick auf die Lebens- und Karrierewege von Beraterinnen lohnt allein deshalb, als sich diese viel eklektischer darstellen, wie sie für Außenstehende oft erscheinen. Forbes traf die zwei Beraterinnen Judith Wallenstein und Nina Haidinger von der Boston Consulting Group (BCG).
„Ich hoffe, sie erwarten von mir keinen systematischen Entscheidungsprozess, wie ich zur Beratung kam“, sagt Judith Wallenstein auf die Frage nach dem Einstieg in die Beratungsbranche. Seit 18 Jahren ist Wallenstein, 43, heute Senior Partner und Managing Director in München nun bei BCG. Geplant war das aber nicht. Die akademischen Wurzeln der Mutter zweier Kinder sind für die Beraterin, die sich als Partnerin in der Gruppe auf den Biopharma-Bereich spezialisiert hat, ungewöhnlich: Bühnendesign in der Französischen Revolution. „Ich habe in der Tat lange überlegt, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen. Ein anderer Plan war, in die Diplomatie zu gehen – das Studium der Germanistik, Geschichte und Romanistik sollte dazu verhelfen. „Bis ich draufkam, dass ich das überhaupt nicht machen will“, erinnert sich Wallenstein zurück, „und so kam ich ein Stück weit dazu, mich mit meiner beruflichen Zukunft zu befassen.“
Ein wenig anders stellte sich der Einstieg in die Beratung bei Nina Haidinger, 28, dar. Direkter – und dann auch wieder nicht. Haidinger studierte an der Johannes-Kepler-Universität in Linz BWL und absolvierte am Ende ihres Studiums in Paris ein Praktikum bei PSA Peugeot Citroen. Dort wurde ihr die Beratung mit den Worten „Da gehörst du hin“, nähergebracht. „Ich hatte mich mit der Beratung vorher nicht auseinandergesetzt, aber meine Entwicklung bei BCG bis hin zur Projektleiterin bestätigt mich in meiner Entscheidung“, sagt sie im Rückblick. Am selben Tag noch habe sie die Beraterwebsiten durchgesehen und am Abend ihre Bewerbung an BCG geschickt. „Für mich war klar, da gehe ich hin – und sonst nirgendwo.“ Die Bedenken ihres Umfeldes, ob die Vernunft nicht auch einen Plan B gebieten würde, schlug Haidinger in den Wind: „Ich bin ein Plan-A-Mensch. Erst wenn etwas nicht klappt, überlege ich mir etwas Anderes.“
Welchen Buchstaben der Karriereplan von Wallenstein hatte, ist heute nicht mehr ganz nachvollziehbar. Im Endeffekt sei sie, so Wallenstein im Rückblick, ein Produkt des klassischen Berater-Recruiting gewesen – bereits damals wurden Quereinsteiger aus den Geisteswissenschaften gesucht. Und die Beschäftigung mit der Jobdescription ergab, „dass das im Endeffekt ein sehr lebenspraktischer Job war.“ Lebenspraktisch? Was das ist, wollen wir wissen. „Als lebenspraktisch bezeichne ich die Kombination aus wirklich tiefer analytischer Arbeit, die mir an der Uni auch so gut gefallen hat und der Schönheit, das nicht im Elfenbeinturm tun zu müssen, sondern gemeinsam mit dem Kunden diskutieren und erarbeiten zu können.“ Und: Am Ende der Arbeit stehe ein konkretes Ergebnis, eine Empfehlung.
Damals wie heute sind (nicht nur) internationale Strategieberater auf der Suche nach Beraterinnen. Mit einer durchschnittlichen Frauenrate beim Jobeinstieg von rund 30 Prozent steht BCG im Vergleich zur Konkurrenz ganz gut da. Auf Consultant-Ebene ist jeder vierte weiblich. Als Wallenstein in die Beratung einstieg – vor 18 Jahren – waren damals, so sagt sie, „auf Kundenseite sehr viel mehr Frauen als in unseren Teams. Das hat sich fundamental gewandelt.“ Es komme stark auf die sogenannten Practices an, „in meiner heutigen Heimat, der Pharmazie, also der Health Care Practice, ist der Frauenanteil sehr, sehr hoch.“
Überzeugungsarbeit müsse aber dennoch intensiv geleistet werden. Besonders unter Frauen wird das Thema Vereinbarkeit bei konstant hohem Workload und intensiver Reisetätigkeit diskutiert – und sorgt zuweilen für Verunsicherung. Unverhohlen stimmt Wallenstein zu, dass diese Lebensweise – viel unterwegs zu sein und die Kinder gemeinsam mit Partner und Unterstützung von Kindermädchen – Organisationstalent voraussetzt. Sowie eine „dicke Haut“. Die Erfahrung zeige, dass es nicht der innere Kreis – die Familie, der Partner, die Kinder, die Freunde – sei, der diese Lebens- und Arbeitsweise als problematisch ansehe, sondern der äußere. Dafür hagelt es nicht selten (und nicht nur) unterschwellig Kritik, so Wallenstein. „Das kann man aushalten.“
Aber auch ohne Familienmanagement wird der Beraterjob oft argwöhnisch als zu arbeitsintensiv betrachtet. Nina Haidinger: „Für mich war klar, dass ich diesen Job machen möchte und bis zur Projektleiterin ganz sicher bleibe. Heute weiß ich, dass ich den Weg auch noch weitergehen will. Und ja, man kann sich im Vorhinein nicht ganz vorstellen, wie das mit den Arbeitszeiten und den Reisetätigkeiten so ist. Ich bin da reingewachsen“, so Haidinger weiter. „Du weißt, es ist das Richtige, aber auch, dass es kein klassischer ‚Nine to Five-Job’ ist. Man geht da ja auch wachen Geistes rein.“
Vieles hat sich in der Zusammenstellung der Teams, in der Arbeit mit den Kunden, aber auch in der Zusammenarbeit innerhalb der Teams verändert, sagt Wallenstein. „Die ersten Projekte waren ganz klassisch: Da gab es den Partner, Projektleiter und Berater.“ Gespiegelt war das auf Kundenseite ganz ähnlich, erzählt Wallenstein. „Heute sind wir von den Hintergründen und den Rollen viel gemischter.“ Feedback wurde im Team – mehr klassisch – von oben nach unten weitergegeben. „Auch das ist heute anders“, so Wallenstein amüsiert. „Heute werde ich nach Besprechungen und ähnlichem auch schon mal mit Kritik von meinen jungen Kollegen konfrontiert. Das finde ich sehr gut“, lacht sie. Früher allerdings, sei diese Feedbackkultur eher undenkbar gewesen. „Gut, dass sich so viele Dinge verändern“, so Wallenstein. Und Haidinger grinst.