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In Harvard aufeinandergetroffen und schnell eine Marktlücke entdeckt: Moritz Pail und Carlo Köbe hatten die Idee für ihr Unternehmen Fizz an einem illustren Ort. Ausgangspunkt dafür war, dass die beiden Studenten bei jeder größeren finanziellen Transaktion in den USA, etwa Miet-, Leasing-, Kauf- oder Versicherungsverträgen, einen hohen Kreditscore nachweisen mussten – beide hatten aber gar keinen, da man in Europa als Student keine Kreditkarte benötigt. Also gründeten sie mit Fizz einen eigenen Service, der es jungen Menschen ermöglicht, sich einen Kreditscore aufzubauen, ohne sich verschulden zu müssen.
Warum sind Sie in die USA gegangen?
Moritz Pail (MP): Wir gingen beide fürs Studium in die Staaten. Davor hatten wir uns jedoch bereits in einer Facebook-Gruppe kennengelernt, die Harvard für jeden kommenden Jahrgang organisiert. Wie wohl jeder Mensch bei längeren Aufenthalten im Ausland haben auch wir Ausschau nach gleichsprachigen Personen gehalten. Unter den 1.600 Studenten, die in diesem Jahr in Harvard begonnen hatten, gab es lediglich eine Handvoll Deutschsprachiger. Auf Facebook haben wir uns vernetzt und trafen uns dann am Campus.
Carlo Köbe (CK): Ich studierte Statistik, während Moritz Computer Science belegte.
Kam beim Zusammentreffen auch gleich die Idee, ein Fintech-Unternehmen zu gründen?
CK: Die Idee dazu entstammt zweifellos unserer Erfahrung in den USA. Wenn man dort ankommt, muss man sich zuerst mal zurechtfinden: Zum einen benötigt man ein US-amerikanisches Konto und eine Kreditkarte, denn der Credit Score ist in den USA wichtig, um finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen: Vom Arbeitgeber, der einen guten Score verlangt, bis zum Unterschreiben des Handy-, Miet- oder Versicherungsvertrags wird ein solcher überall gefordert, um Zugang oder gute Raten zu bekommen.
Was waren die ersten unternehmerischen Schritte?
CK: Wir waren anfangs optimistisch und daher auch gesund naiv. Wir haben uns im Markt umgesehen, welche Möglichkeiten es gibt. Wir wussten von vielen jungen Menschen, dass diese sich nicht verschulden wollen, um einen Kreditscore aufzubauen, der ihnen günstigere Zinssätze für Studienkredite oder Versicherungen gibt. Diese Gedanken und die Möglichkeit von Open Banking machten es möglich, dass wir unser Unternehmen gründen konnten.
Was waren die größten Herausforderungen?
MP: Compliance und regulatorische Fragen sowie Distribution. Der Finanzbereich ist, auch in den USA, stark reguliert. Zudem ist die Technologie unheimlich komplex: Wenn man eine Kredit- oder Debitkarte vor sich hat, sieht die Karte sehr simpel aus, dahinter verbirgt sich jedoch ein komplexes technisches System.
CK: Die Verwaltung war nicht einfach. Man benötigt eine umfassende Partnership-Infrastruktur mit einer nationalen lizenzierten Bank, damit man die Payment Rails (Zahlungsplattform oder Zahlungskanal, Anm.) nutzen kann. Dann benötigt man in allen 50 Bundesstaaten Lizenzen, um das eigene Produkt in allen US-Staaten anbieten zu können. Man muss Verträge mit Visa oder Mastercard abschließen, damit man ihr Netzwerk nutzen kann, dann benötigt man jemanden, der die Karten druckt, et cetera, et cetera …
Moritz Pail und Carlo Köbe
...lernten einander beim Studieren in Harvard kennen. Nachdem sie am eigenen Leib erfahren mussten, dass Kunden bei herkömmlichen Banken für größere finanzielle Transaktionen hohe Kreditscores aufweisen müssen, die kompliziert zu erlangen sind, gründeten sie Fizz, um dieses Problem zu lösen.
Wie funktioniert denn das Produkt?
CK: Die Kunden verbinden sich mit einem bestehenden Girokonto mit unserer Debitcard. Wir sehen uns dann an, wie viel Geld der Student hat. Wenn dieser beispielsweise 800 US-$ auf dem Konto hat, geben wir ihm ein entsprechendes Kreditlimit in dieser Höhe, um den Kunden vor einer Verschuldung zu bewahren. Wenn dieser mit seiner Fizz-Karte nun eine Transaktion tätigen will, dann entscheidet unser Algorithmus in Millisekunden, ob er diese anhand seines Kreditlimits genehmigt oder ablehnt. Wenn die Transaktion angenommen wird, dann wird diese über unseren unternehmensinternen Kreditaccount bezahlt, und am nächsten Tag buchen wir die Transaktionssumme von seinem Debitkonto ab. Dann reichen wir bei den Kreditbüros die Daten ein, welcher Nutzer wie viel Kredit von uns in Anspruch nahm und erfolgreich zurückzahlte, und dann werden ihm die Kreditscores zugeteilt.
MP: Alle sind so zufrieden:
Der Kunde, der keine Kreditkarte haben muss, um eine Transaktion von seinem Girokonto zu tätigen, ohne sich zu verschulden und Zinsen zu zahlen, obendrauf bekommt er zusätzlich noch Kreditscore-Punkte, als hätte er eine Kreditkarte – und wir sind glücklich, da wir wie alle anderen Kartenanbieter für die Abwicklung der Transaktion eine Interchange Fee bekommen. Diese wird vom Laden, bei dem die Transaktion abläuft, bezahlt.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie, und was haben Sie noch vor?
CK: Wir sind noch zu fünft und haben gerade einige Finanzierungsrunden, darunter zum Beispiel mit einem der renommiertesten amerikanischen Risikokapitalgeber, Y Combinator, hinter uns. Gegenwärtig müssen wir doppelgleisig fahren und man weiß nicht, was schwieriger ist – der Produktprozess selbst oder eine Firma rund um das Produkt aufzubauen. Das müssen wir aktuell gleichzeitig machen. Wir stellen uns Fragen wie etwa jene, wie wir gute Mitarbeiter für das Unternehmen rekrutieren, eine gute Unternehmenskultur aufbauen und diese aufrechterhalten und so weiter. Wir haben nun fünf weitere Personen eingestellt, die auch technische Expertise mitbringen.
Fokussieren Sie sich gänzlich auf Studenten oder wollen Sie den Kundenkreis erweitern?
MP: Wir wollen bei Collegestudenten anfangen, da das ein guter Zeitpunkt im Leben ist, um sich einen Credit Score aufzubauen. Am Horizont sehen wir danach aber ein Produkt, das sich an junge Erwachsene richtet.
CK: Es gibt viele Beispiele
von Unternehmen, die ihre Produkte mit Studenten begonnen haben und dann gewachsen sind – darunter sind Facebook, Gopuff oder Bumble. Ihnen allen gelang das gut, denn Collegestudenten lassen sich gut targeten und die soziale Dynamik sorgt dafür, dass sich ein Produkt viral verbreiten kann. Wir wollen es Studenten, die keinen großen finanziellen Support vom Elternhaus bekommen, ermöglichen, sich trotzdem schnell finanzielle Unabhängigkeit aufzubauen, um sich in den Mittelstand einzugliedern. Genau dafür ist der Kreditscore in den USA von großer Bedeutung. Diese Gruppe stellt außerdem die Zukunft des amerikanischen Mittelstands dar – und wir wollen ein Teil davon sein.
Text: Muamer Becirovic
Fotos: Lemrich Studios
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 10–21 zum Thema „30 Under 30“.