KOMISCH BIS FURCHTLOS

Hinter Issa Raes unsicherer, komischer Persona schlägt das furchtlose Herz einer Serienunternehmerin:
Sie hat ihre Film- und Fernsehkarriere zur Basis einer Schmuckkollektion, eines Haarpflegeunternehmens und einer Prosecco-Marke gemacht – und das ist noch nicht alles. Das Porträt einer Renaissance-Frau.

An einem hellen September­nachmittag während der New York Fashion Week sitzt Issa Rae auf der Dachterrasse des 11 Howard Hotels in Soho und präsentiert ihr neuestes Projekt: eine 22-teilige Schmucklinie, die gemeinsam mit Cast, einem in San Francisco ansässigen Schmuckunternehmen, produziert wurde. Die Kollektion – „Braeve“ genannt, ein Wortspiel mit ihrem Nachnamen – markiert ein neues Kapitel in Raes Leben als Schau­spielerin, Produzentin und Unternehmerin; endlich etwas Greifbares.

„Selbst mit meiner TV-Serie ‚Insecure‘ hatte ich nichts Greif­bares in der Hand. Andere ­besitzen sie und ich weiß nur, dass ich sie produziert habe“, sagt die 40-­jährige Rae. „Das hier ­hingegen kommt von mir. Jemand kann es ­tragen. Ich trage es, und es reprä­sentiert mich auf eine Weise, die meiner Meinung nach weniger vergänglich ist.“

Dabei war Issa Raes ­Karriere alles andere als flüchtig: 2011 kreierte sie – damals eine schüchterne Büro-Aushilfe – die Youtube-­Serie „The Misadventures of Awkward Black Girl“. Sie sammelte per Crowd­funding über 56.000 US-$, um die erste Staffel fertigzustellen, und tat sich dann mit Pharrell Williams zusammen, um eine zweite zu produzieren. Drei Jahre ­später gab HBO grünes Licht für ihre ­Serie „Insecure“, in der ihre pein­lichen Abenteuer fortgesetzt ­wurden. Die Serie lief fünf Staffeln lang und wurde mehrfach für den Emmy ­nominiert – darunter für die beste Comedyserie und die beste Hauptdarstellerin. Rae schloss einen Fünfjahresvertrag mit Warner Bros Discovery über rund 40 Mio. US-$ ab, der auch die Vorab-Rechte für Raes Filmideen beinhaltete.

Heute ist Rae eines der meistbeschäftigten Multitalente Hollywoods, obwohl sie den Titel der ­Produzentin bevorzugt. Sie hat ein Netz an Unternehmen aufgebaut; viele davon mit Wortspielen von „Rae“ in den Namen – darunter ihre Produktionsfirma (Hoorae), ein ­Musiklabel (Raedio) und eine wortspielfreie Talentagentur (Color­creative), die sie 2014 gründete. 2020 wurde sie Miteigen­tümerin der Haar­pflegemarke Sienna Natu­rals, die von ihrer Schwägerin Hannah Diop mitgegründet wurde und 2025 in fast 200 Sephora-Filialen auf den Markt kommen soll. Außerdem besitzt sie eine Prosecco-Marke, ­Viarae, die sie mit E. & J. Gallo ­Winery entwickelt hat, ­einem fünf Mrd. US-$ schweren ­Wein­giganten; und sie ist Kapitalpartnerin von Hilltop Coffee, einer Kaffeekette aus South Los Angeles, die Rae bei der Expansion nach ­Inglewood, ­Eagle Rock und Downtown L. A. unterstützt hat.

Trotz ihres aufstrebenden ­Imperiums besteht die Frau, die in „Barbie“ (2023) Präsidentin ­Barbie spielte, darauf, keinen Masterplan zu haben. „Es geschah ganz natürlich, und zwar, weil wir alle diese Dinge bereits taten“, sagt sie. Ihr Musiklabel beispielsweise entstand aus ihrer eigenen musikalischen ­Betreuung bei „Insecure“. ­Hooraes Marketingunternehmen wuchs aus ihrem Wunsch, die Kontrolle über die vielen Werbekampagnen zu übernehmen, die ihr an­geboten wurden. „Für mich ging es nur darum, es zu formalisieren und eine Absicht dahinter aufzubauen.“

„Sie ist immer bereit, einen Deal, der nicht zu ihr passt, abzulehnen“, so Mo Ivory vom Georgia State University College of Law."

Mo Ivory, Direktorin des Zen­trums für Unterhaltungs-, Sport- und IP-Recht am Georgia State University College of Law, zollt Rae mehr Anerkennung: Letztes Jahr unterrichtete Ivory einen Jura-Kurs über die Strukturen von Raes Geschäftsabschlüssen und sagt, dass Rae im Vergleich zu anderen Künstlern, die ihre Studenten für den Kurs untersuchten – wie etwa Rick Ross und Ludacris –, die kreative Kon­trolle nie für einen Vorsprung in Hollywood oder einen ­höheren Gehaltsscheck aufgegeben hat. „Auch wenn Issa zugibt, ein etwas unbeholfenes schwarzes Mädchen zu sein, ist sie auch sehr clever; und das schon seit ihrer Kindheit“, sagt Ivory. „Sie ist immer bereit, einen Deal abzulehnen, der nicht zu ihr passt – und ich denke, das spricht viel für den Respekt, den sie ihrer Kreativität entgegenbringt, und für ihre Integrität.“

Rae führt diese Kreativität oft auf ihre Erziehung zurück. Als mittleres von fünf Geschwistern, deren Vater Kinderarzt und deren Mutter Lehrerin ist, wuchs sie in Potomac, Maryland, im Senegal (wo ihr Vater herkommt) und in Los Angeles auf. Rae erinnert sich an Abendessen in ­ihrer Kindheit, bei denen ihre Mutter sich lustige Spiele wie „Nicht lachen oder grinsen“ ausdachte. Das Ziel: als Letzter am Tisch ein erns­tes Gesicht zu bewahren – was bedeutete, dass das Abendessen im Wesent­lichen ein Comedy-Workshop war.

In der Highschool wollte Rae ursprünglich in die ­medizinischen Fußstapfen ihres Vaters ­treten, ­verliebte sich aber ­stattdessen ins ­Theater. Sie schloss ihr ­Studium ­(African American Studys in ­Stan­ford) ab und kehrte nach ­einem kurzen Aufenthalt in New York nach Südkalifornien zurück, um ­„Awkward Black Girl“ zu launchen.

Yvonne Orji, die Komikerin, die in „Insecure“ Raes beste ­Freundin spielte und auch im wirklichen ­Leben mit ihr befreundet ist, sagt, das Geheimnis von Raes Komik liege in ihrer Fähigkeit, in den „Kleinigkeiten des Alltags“ Humor zu finden. Sie bescheinigt Rae außerdem eine angeborene Fähigkeit, ­Risiken einzugehen und unerkannten Ta­lenten eine Chance zu geben, die Hollywood nicht immer sieht oder in die es nicht investieren will.

„Ich denke an die Chance, die sie mir gegeben hat. Heute sagen Produzenten: ‚Wir wollen unbedingt einen Typ wie Yvonne Orji!‘ Und vor zehn Jahren war ich kein ‚Typ‘!“, sagt Orji. „Es liegt an den Talenten, den Durchbruch zu schaffen“, so Rae. Sie ist sich auch bewusst, dass nicht alle Projekte Selbstläufer sind, und sagt, ihr neuester Film „One of Them Days“ mit Keke Palmer und SZA habe sieben Jahre gebraucht, um auf die Leinwand zu kommen. „Das haben wir geschafft, aber das wird nicht wieder passieren, wenn er nicht erfolgreich ist“, so Rae.

Und trotz aller „Rae“-Wortspiele in ihren ­Geschäftsvorhaben konzentriert sie sich darauf, ­Marken aufzubauen, die auch ohne sie ­bestehen könnten. Deshalb wurde Issa Rae Productions in Hoorae umbenannt: „Ein ‚Hooray‘ ist einfach eine Feier“, sagt sie, „und obwohl mein Name witzig ist, könnte es mich über­dauern.“

Derselbe Instinkt hat sie dazu bewogen, „­Schmuckdesignerin“ zu ihrer ständig wachsenden Liste von Berufsbezeichnungen hinzuzu­fügen. „Die Kooperation mit Cast ist die nachhaltigste Zusammen­arbeit, die ich je gemacht habe“, sagt Rae. „Geschichten­erzählen ist für die Ewigkeit, da gibt es keinen ­Zweifel. Aber manchmal lösen sich die ­Geschichten von ihren Erzählern – das ist bei den besten Geschichten der Fall.“

Issa Rae (Jahrgang 1985) ist eine US-amerikanische Schauspielerin, Filmproduzentin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Serienunternehmerin. Für ihre Hauptrolle in der HBO-Serie „Insecure“ wurde sie mehrfach für den Golden Globe und den Emmy nominiert.

Text: Maggie McGrath
Fotos: James Toppin für Forbes

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