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Mit Global Digital Women will Tijen Onaran Frauen die Wichtigkeit des Netzwerkens bewusst machen – und ihnen die Digitalisierung näherbringen. In gewisser Weise will sich die Unternehmerin selbst obsolet zu machen.
Auf dem Prachtboulevard Berlins, dem Kurfürstendamm, sind eigentlich nur exklusive Modehäuser und schicke Cafés zu Hause. Mittendrin findet sich aber auch der zentrale Knotenpunkt eines internationalen Netzwerks für weibliche Digitalpioniere: Global Digital Women (GDW). Mittlerweile zählt GDW 30.000 Frauen, die sich für die Idee von Gründerin Tijen Onaran begeistern können. Aufbauend auf den Säulen Digitalisierung und Netzwerken werden verschiedene Veranstaltungen angeboten, die den Austausch zwischen Frauen fördern sollen. Dabei richtet sich GDW explizit an Gestalterinnen in der Digitalbranche.
Digitalisierung bedeutet Emanzipation
Das Herzstück bilden regelmäßige Events für Unternehmen namens #AfterWork, die mittlerweile in mehreren Städten Deutschlands und der Schweiz sowie in London stattfinden. Zu den Partnern zählen etwa Microsoft, Porsche, die Boston Consulting Group oder Nestlé. Doch Events sind nicht das einzige Standbein des Unternehmens: „Wir gehen direkt in Unternehmen und beraten zu Diversität oder dazu, wie Frauen in digitalen Berufen gefördert werden können“, erklärt die Gründerin von GDW, Tijen Onaran. Denn Digitalisierung bedeutet für Onaran immer auch Emanzipation: „Ich bin der Meinung, Innovationen bergen neue Chancen. In diesem Fall sind es digitale Jobs, wie etwa die Position des Chief Information Officer (CIO, Anm.). Diese Berufe sind eine Möglichkeit für Frauen, sichtbar zu werden, in diesen Rollen nach vorne zu schreiten und Hierarchien zu übergehen.“
Gegründet hat Onaran ihr Unternehmen 2017, zwei Jahre zuvor wurde sie bereits mit der Initiative Women in E-Commerce in der Szene aktiv. Im Gegenzug zu vielen anderen Frauennetzwerken betreibt Onaran ihre Organisation jedoch als GmbH, nicht als Non-Profit-Organisation. Das Team von GDW umfasst mittlerweile zehn angestellte Mitarbeiter, zwei Praktikanten sowie die Geschäftsführung, bestehend aus ihrem Ehemann Marco Duller-Onaran und der Gründerin selbst. Dabei stammt die Initiatorin weder aus der Digital- oder IT-Branche noch startete sie ihre berufliche Laufbahn in Deutschlands Gründerszene. Onarans beruflicher Ursprung liegt in der Politik: „Ich bin schon in sehr jungen Jahren, ungefähr mit 18, politisch aktiv geworden. Mit Themen wie Digitalisierung und Networking hatte ich mich zu dem Zeitpunkt noch nicht beschäftigt. Zuerst ging ich zur FDP – und war dort eine totale Exotin: Meine Eltern waren keine Unternehmer, ich kam nicht aus einem politischen Haushalt. Da ich dort niemanden kannte, musste ich mir mein Netzwerk selber aufbauen.“ Nach einer erfolgreichen Kandidatur, bei der sie 8 % holte, war sie mit 20 Jahren im Landtag, betreute den Europawahlkampf von Silvana Koch-Mehrin im Jahr 2009 und unterstützte im Anschluss den Bundestagswahlkampf von Guido Westerwelle. „Gegen Ende meiner politischen Zeit war ich dann noch im Bundespräsidialamt bei Christian Wulff angestellt (Wulff trat kurz darauf wegen Verdachts der Vorteilsannahme als Präsident zurück, wurde 2014 jedoch freigesprochen, Anm.). Aber ich habe mir immer öfter die Frage gestellt, ob ich weiterhin in diesem Kosmos arbeiten möchte. Und dies konnte ich eines Tages mit einem klaren Nein beantworten.“ Dafür wurde das Netzwerken für Onaran immer wichtiger: „Vor rund vier Jahren habe ich angefangen, Frauen in Berlin durch einen Stammtisch zusammenzubringen und zu vernetzen. Es war eine private Leidenschaft von mir. Zugleich haben Digitalisierung und soziale Medien mein Interesse geweckt.“ Bevor Onaran ihre Passion aber endgültig zum Beruf machte, folgte ein Abstecher in die Selbstständigkeit: Sie gründete eine PR-Beratung. „Aber ständig habe ich mir gedacht: Soll Netzwerken nur ein Hobby bleiben, oder steckt dahinter ein Eifer, mit dem ich auch tatsächlich etwas bewegen, also einen Impact generieren kann? So kam es vor zwei Jahren zur Unternehmensgründung von GDW.“
Tijen Onaran
... studierte an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg Politische Wissenschaft, Geschichte und Öffentliches Recht. Sie arbeitete unter anderem für das Bundespräsidialamt und gründete 2017 die Organisation Global Digital Women.
Die Studie „Frauennetzwerke aus neuer Perspektive“ von D&I Strategy and Solutions hat 2016 1.700 Mitglieder in Frauennetzwerken befragt. Das Ergebnis zeigt: Nicht einmal jedes dritte Mitglied in der Befragung würde anderen empfehlen, ihrem Netzwerk beizutreten. Grund dafür sind enttäuschte Erwartungen oder ein negatives Image des Netzwerks. Größere Unternehmen und Konzerne bilden zudem oft auch ihre eigenen Communitys. Neben der Frage nach der Notwendigkeit stellt sich für Onaran auch die der Zukunft für Frauennetzwerke: „Ich frage mich jeden Tag, was mein Legitimitätsanspruch ist. Aber die vollen Veranstaltungen zeigen mir: Der Bedarf ist vorhanden. Woran ich aber eigentlich arbeite, ist, dass es uns irgendwann nicht mehr braucht. Im Grunde arbeite ich an der Abschaffung meiner eigenen Organisation.“
Kolumnistin, Podcast-Moderatorin und Autorin
Dass ein Bedarf für solche Themen vorhanden zu sein scheint, glauben offenbar auch andere. Onaran schreibt neben ihrer Tätigkeit bei GDW regelmäßig Kolumnen für das Format „Expertenrat“ beim Handelsblatt und moderiert den Podcast „How to Hack“ des Magazins Business Punk. Aber auch Privatpersonen möchte Onaran dazu inspirieren, das Netzwerken als erfolgversprechend und mit positiver Konnotation zu betrachten.
So erklärt sie in ihrem Buch „Die Netzwerkbibel. Zehn Gebote für erfolgreiches Networking“ unter anderem, warum es unvorteilhaft ist, möglichst viele Visitenkarten auf LinkedIn und Co. einzusammeln, welche Netzwerktypen in der virtuellen Welt anzutreffen sind und was Introvertierte anderen voraushaben. „Ich habe mein Buch geschrieben, da Netzwerken für viele total undurchsichtig ist. Besonders im deutschsprachigen Raum stößt man auf viel Unverständnis. Ich will die Leute aus ihrer Komfortzone holen und dazu bringen, andere anzusprechen.“ Derzeit schreibt Onaran an ihrem zweiten Buch zum Thema Personal Branding. „Genau wie Netzwerken wird auch die Thematik Personal Branding oftmals in einem schlechten Licht dargestellt. Die Leute reduzieren das Thema schnell auf Instagram und meinen, dass alles nur Show ist. Ich möchte den Menschen zeigen, dass jeder im Grunde eine Marke hat und ist.“ Und wie lässt sich Onarans eigenes Netzwerk beziffern? „Im Kern habe ich einen kleinen Kreis von zehn bis 15 Leuten, bei denen ich immer wieder um Rat ansuche. Nur, weil ich ein Netzwerk-Buch geschrieben habe, meinen manche ja, ich würde Gott und die Welt kennen“, lacht Onaran. Das nimmt auch schon mal skurrile Ausmaße an: „So bekam ich einmal eine Nachricht, in der mich eine Person gefragt hat, ob nicht eine Vernetzung zu Barack Obama möglich wäre“, erzählt Onaran schmunzelnd.
Text: Chloé Lau
Foto: Jörg Klaus
Der Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2019 „Women“ erschienen.