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Mit dem KI-Unternehmen FiveSquare hat ein oberösterreichisches Start-up den EDISON 2024 in der Kategorie ChangeMaker gewonnen. Was zunächst als kleine Beratungsfirma begann, soll ein KI-Ökosystem werden, das Europas technologische Souveränität fördert.
In einem neuen Bürogebäude in Linz arbeiten 35 Menschen an einer großen Vision: KI made in Europe. Hans-Peter Pichler und Patrick Haidinger, die Gründer von FiveSquare, sind überzeugt, dass die neue Technologie nicht von amerikanischen Tech-Giganten dominiert werden sollte. „Man kennt die großen KI-Modelle wie ChatGPT und Co. Die laufen zumeist auf nicht europäischer Infrastruktur“, erklärt Pichler. „Wir haben etwas geschaffen, das wir in österreichischen Rechenzentren betreiben.“ So wollen die Unternehmer für kritische Anwendungsfälle eine Alternative zu den US-amerikanischen Riesen bieten.
Für seine KI-Lösungen erhielt FiveSquare den renommierten Ideenpreis EDISON 2024 in der Kategorie ChangeMaker, der jährlich vom Start-up-Inkubator tech2b des Landes Oberösterreich vergeben und von der Wirtschaftskammer Oberösterreich finanziert wird. Der Preis, erklärt Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner, zeichne Unternehmen aus, die das Potenzial haben, bestehende Systeme fundamental zu verändern. Achleitner: „Changemaker sind für uns Unternehmen, die neue Technologien entwickeln oder bestehende Technologien auf neue Weisen einsetzen. So ermöglichen sie Wandel – und das sehr schnell.“
Die Geschichte von FiveSquare beginnt 2019, zu einer Zeit, als KI-Anwendungen wie ChatGPT noch nicht am Markt und Technologien wie Large Language Models (LLMs) in der breiten Masse unbekannt waren. Pichler und Haidinger, die beide aus dem Forschungsumfeld der Johannes Kepler Universität in Linz kommen, erkannten eine Kluft: In der Wissenschaft war KI bereits fortgeschritten, in der Industrie war sie aber noch kaum angekommen. „Wir haben diesen Gap gesehen“, erzählt Haidinger, „und wir dachten uns: ‚Wir müssen diesen Gap schließen!‘“
Einfach war der Start nicht. „Am Anfang sind wir zu zweit durch die Gegend gezogen und haben einem Industrieunternehmen nach dem anderen erklärt, dass KI das nächste große Ding sein wird. Die hielten uns alle für Spinner“, erinnert sich Pichler. Doch die beiden blieben hartnäckig – und die öffentliche Wahrnehmung holte auf. Mit dem Durchbruch von ChatGPT explodierte das Interesse an LLMs und KI-basierten Anwendungen.
Das Geschäftsmodell von FiveSquare besteht aus zwei Säulen: Erstens berät und unterstützt das Linzer Start-up Unternehmen bei der Einführung von KI-Lösungen; Anwendungen reichen von der Optimierung von Produktionsstraßen über KI-gestützten Kundensupport bis hin zur Prozessautomatisierung mithilfe von Sprachmodellen. Zusammengearbeitet hat FiveSquare bisher etwa mit der Voestalpine, Pöttinger Landtechnik und mehreren Banken. Auch mit dem öffentlichen Sektor gibt es Kooperationen.
Zweitens haben Pichler und Haidinger mit ihrem Team „KARLI“ entwickelt, ein LLM für Unternehmen, das nicht nur mit seinem ausgesprochen oberösterreichischen Namen besticht. Dafür haben die Gründer vor allem Sprachmodelle der Open-Source-Community gezielt weiterentwickelt und zusammengeführt. Punkten möchte FiveSquare mit Datensicherheit: KARLI wird auf österreichischen Servern betrieben.
Außerdem setzt das Duo darauf, dass europäische Unternehmen Wert auf Souveränität legen. In einer Zeit, in der der KI-Markt von den USA dominiert wird, arbeitet das oberösterreichische Unternehmen daran, eine europäische Alternative zu schaffen. Diese Ausrichtung passe perfekt zum ChangeMaker, so Landesrat Achleitner, der genau solche transformativen Ansätze belohnen will.
Das Bundesland steht vor demografischen Herausforderungen, die es nur mit weiteren Changemakern meistern wird: Von den derzeit 700.000 Arbeitskräften werden aufgrund der demografischen Entwicklung bis 2040 etwa 151.000 fehlen, erklärt der Wirtschaftslandesrat – rund 20 %. KI-Lösungen könnten helfen, diese Lücke zu schließen. „KI hat das Potenzial, Unternehmen produktiver zu machen, was diese fehlenden Arbeitskräfte zumindest zum Teil ersetzen könnte“, erklärt Achleitner. Mit einem Blick zu den beiden Gründern fügt er hinzu: „Aber viele Unternehmen wissen nicht, wie sie die Technologie einsetzen können, und FiveSquare kann ihnen dabei helfen.“
Für Pichler und Haidinger brachte der Preis neben dem PR-Paket im Wert von etwa 20.000 € vor allem Sichtbarkeit. „Es ist auch eine Plattform“, so Achleitner. Bei der Preisverleihung kommen Unternehmensvertreter aus ganz Österreich zusammen – potenzielle Kunden und Partner.
Diese Sichtbarkeit werden Pichler und Haidinger brauchen, denn ihre Pläne sind ambitioniert: FiveSquare will deutlich wachsen. In den nächsten Jahren sollen noch viele weitere Mitarbeiter das Team in seiner Mission unterstützen. „Wir haben alle Grundsteine gelegt – die Marke, den Namen, die Strukturen dahinter –, um jetzt richtig durchstarten zu können“, sagt Haidinger. Bis jetzt ist FiveSquare organisch gewachsen, Investorengelder hat es bislang nicht gebraucht. Pichler witzelt: „Wir haben wirklich gearbeitet.“ Zwar sei organisches Wachstum langsamer, aber es biete mehr Stabilität. Dass seit einigen Jahren Start-ups überall in Europa weniger Geld einsammeln (können), dürfte wohl auch zu dieser Entscheidung beitragen.
Trotz aller Wachstumspläne bleibt der Hauptsitz von FiveSquare in Linz. „Neben Wien ist Oberösterreich ein sehr cooler Nährboden“, betont Pichler. „Es gibt sehr viel Industrie, und mit der JKU haben wir auch Zugang zu guten Arbeitskräften.“ Das dichte Netzwerk aus Industrie, Forschung und Bildung schaffe ein Ökosystem, in dem innovative Ideen gedeihen können. Im erst kürzlich bezogenen Büro von FiveSquare könnte es künftig somit allerdings ganz schön eng werden.
Übrigens: Wer eine innovative Idee hat und in Oberösterreich wohnhaft ist, kann sich bis Ende April für den EDISON-Ideenwettbewerb 2025 bewerben.
Foto: Christian Huber