Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Mit bisher 5.000 Absolventen ist die Fachhochschule Campus 02 aus Österreichs Ausbildungswelt nicht mehr wegzudenken. Die Hochschule ist eine Vorreiterin in Sachen Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Wirtschaft und Technik und spielt für den Wirtschaftsstandort Österreich eine wichtige Rolle. Warum das so ist und wieso Innovation der wichtigste Antreiber der Wirtschaft ist, erklärt Studiengangsleiter Hans Lercher im Gespräch.
Die Fachhochschule (FH) Campus 02 in Graz feiert 2021 ihr 25-jähriges Bestehen. 1996 gegründet, begann sie als erste „Hochschule der Berufstätigen“ mit 96 berufstätigen Studierenden in den Diplomstudien Marketing und Automatisierungstechnik. Heute besuchen knapp 1.300 Studierende die FH Campus 02 und studieren berufsbegleitend oder Vollzeit in fünf Studienrichtungen: Automatisierungstechnik, IT & Wirtschaftsinformatik, Rechnungswesen & Controlling, International Marketing & Sales Management und Innovationsmanagement.
Letztere Studienrichtung konzipierte Hans Lercher im Jahr 2005, weil er fand, dass das Thema Innovation in Unternehmen unterschätzt wird, für die Gesellschaft aber ein treibender Motor für Fortschritt und Wohlstand ist. Seit 25 Jahren beschäftigt sich Lercher mit dem Thema, berät seit vielen Jahren Unternehmen europaweit und ist ein gefragter Experte in diesem Bereich.
Sie beschäftigen sich seit 25 Jahren mit Fragen rund um das Thema Innovation. Wie definieren Sie den Begriff?
Es ist tatsächlich notwendig, erst den Begriff zu definieren, bevor man über Innovation spricht. Er wird meiner Meinung nach schon seit Jahren falsch interpretiert. In vielen Firmen wird Innovation immer mit Technologie und einer Spezialdisziplin verknüpft, und am Ende muss ein neues hochtechnologisches Produkt herauskommen. Ich glaube, dass dieser Zugang nur Teile abdeckt: Wenn man das Wort Innovation zurückverfolgt, sieht man, dass es vom lateinischen Wort „innovare“ abstammt, und das bedeutet „erneuern“. Innovation bedeutet also eigentlich die Erneuerung von etwas Bestehendem.
Wieso ist Innovation für Unternehmen so wichtig?
Innovation bedeutet für mich eine erfolgreich umgesetzte Idee, die für die Firma und für den Kunden oder die Gesellschaft Nutzen stiftet. Darin stecken ein paar wichtige Aspekte: die Idee, die Umsetzung – und damit auch etwas zu erreichen. Ich bin auch der Auffassung, jeder und jede in einer Firma kann innovieren; das ist ganz wichtig für das Fortbestehen des Unternehmens. Innovation ist der Überlebensfaktor schlechthin für unseren Wohlstand und unsere Kultur.
Ich glaube, dass wir Innovation aus der Technologie-Ecke herausholen und den Leuten zeigen müssen, dass ein Rezeptionist, eine Putzkraft oder jede andere Person innovativ sein kann – und dass auch deren Ideen sehr wertvoll sein können.
Sie haben Anfang der Jahrtausendwende erkannt, dass das Thema eine gesamtgesellschaftliche Relevanz hat, und haben die Studienrichtung Innovationsmanagement an der FH Campus 02 gegründet. Was hat Sie dazu gebracht?
Ich bin ausgebildeter Techniker und habe dann anschließend noch Wirtschaft studiert. Während meiner Dissertation kam ich dann mit dem Thema Innovation in Berührung. Zu diesem Zeitpunkt war Innovation eher ein Randthema. Im Jahr 2000 habe ich dann zusammen mit einem Kollegen eine der ersten Innovationsberatungen in Österreich gegründet. Kaum jemand hat damals gewusst, wofür man eine Innovationsberatung überhaupt braucht. Trotzdem haben wir relativ rasch Aufträge bekommen, weil man gemerkt hat, wie schlecht viele Firmen beim Thema Innovation aufgestellt sind. 2004 kam dann der damalige Geschäftsführer der FH Campus 02 auf mich zu und fragte mich, ob ich eine Idee für eine neue Studienrichtung hätte.
Ich habe dann den Auftrag bekommen, diese Studienrichtung zu konzipieren, und wurde später gefragt, ob ich diese auch aufbauen und leiten möchte. Ich habe unter der Voraussetzung zugesagt, dass ich das als Teilzeitjob machen kann, und auch nur, wenn ich es sehr unternehmerisch angehen darf. Ich halte es für sehr wichtig, dass unternehmerisches Denken vermittelt wird, wenn Menschen bei uns studieren. 2005 ging dann der Start über die Bühne.
Hans Lercher
...ist Gründer und Leiter der Studienrichtung Innovationsmanagement an der FH Campus 02 in Graz. In puncto Innovation berät er Unternehmen in ganz Europa, zudem ist er seit Beginn seiner Unternehmertätigkeit an sechs Gründungen beteiligt gewesen.
Wo ist das Studium heute angekommen?
Im Herbst 2005 haben wir mit 60 Bewerbern und 35 Studierenden begonnen. Die Studienrichtung ist dann sukzessive gewachsen. Mittlerweile arbeiten hier 15 Mitarbeiter und 80 nebenberufliche Lektoren und wir haben rund 300 Studierende und sind dreifach überbucht. Ich glaube, dass sich die Studienrichtung wirklich gut etabliert hat. Wir forcieren unternehmerisches Denken im Studium, das scheint sich auch auszuzahlen. Im Umfeld meiner Studierenden, Absolventen und Lektoren wurden in den letzten 15 Jahren über 100 Unternehmen gegründet. Geholfen hat sicher auch, dass das Thema Innovation heute im Mainstream angekommen ist und viele erkannt haben, wie wichtig das Thema ist. Wir passen uns auch regelmäßig an die neuesten Trends an und entwickeln uns so laufend weiter.
Sie haben auch ein international beachtetes Innovationsmodell veröffentlicht – beschreiben Sie uns Ihr Modell bitte in ein paar Sätzen.
Das Modell habe ich „Big Picture“ genannt, weil es als grafisches Modell auf einen Blick einen guten Überblick über die Zusammenhänge beim Thema Innovationsmanagement in einer Organisation gibt. Es wird nun auch schon an vielen Universitäten unterrichtet und ist weltweit im Einsatz.
Das Modell hilft Unternehmen, ihr Innovationsmanagement pragmatisch und effizient zu organisieren, indem es Arbeitsphasen, Aufgaben, Kommunikation, Fristen, Verantwortlichkeiten, Rollen, Entscheidungskriterien und Entscheidungspunkte definiert und koordiniert. Ich bin auf den Erfolg des Modells sehr stolz, da es das zugehörige Pocketbuch neben Deutsch nun auch schon in Englisch, Spanisch und Italienisch gibt.
Was bringen Sie Studierenden bei, das sie im Berufsleben nicht lernen?
Im Wesentlichen sollen unsere Studierenden in vier Strängen ausgebildet werden: Erstens alles rund um das Thema Innovation, also Innovationsmethoden, Innovationsprozesse, Kreativitätstechniken et cetera; der zweite Strang ist Technik, denn ich bin der tiefsten Überzeugung, dass Innovationsmanager auch mit Technikern reden können müssen. Der dritte ist der Themenbereich Wirtschaft, denn Innovationen kosten nicht nur Geld, sie müssen sich auch rechnen. Viertens, ein ganz wesentlicher Punkt, die Sozialkompetenz, welche nicht nur in eigenen Fächern, sondern auch über andere Fächer, Projekte und Teamzusammensetzung vermittelt wird – denn Innovationsmanagement ist ein echter Teamsport und nichts für Einzelkämpfer. Daneben vermitteln wir noch die – wie wir es nennen – Super-Power-Fähigkeiten des Innovationsmanagements: Abstraktionsfähigkeit, assoziatives Denken, Beobachtungsgabe, Fähigkeit zum Hinterfragen und Analysieren sowie Netzwerken und die Fähigkeit, Ideen schnell und günstig zu überprüfen.
Die FH Campus 02 ist generell stark in den Bereichen Aus- und Weiterbildung an der Schnittstelle von Wirtschaft und Technik vertreten. Was machen Sie richtig?
Bei uns an der FH Campus 02 stehen Didaktik und Lehre ganz hoch oben. Wir leben sehr hohes Qualitätsmanagement und bieten unseren internen und externen Lehrenden zahlreiche didaktische Weiterbildungen an, weil eine gute Ausbildung nicht nur auf der Basis guter Inhalte entsteht, sondern auch durch gute Lehre.
Und für mich ist noch eines wichtig: Wir haben nur einen Kunden, das ist die Wirtschaft respektive die Gesellschaft. Ich tue meinen Studierenden nichts Gutes, wenn ich eine Ausbildung gestalte, die zwar für die Studierenden nett und angenehm ist, bei der wir danach aber hohe Arbeitslosenraten haben. Unsere Absolventen müssen gefragt sein und Karriere machen können.
„Innovation ist der Überlebensfaktor schlechthin für unseren Wohlstand und unsere Kultur.“
Hans Lercher
Universitäten, Fachhochschulen und Studierende hatten an den Auswirkungen der Coronapandemie zu leiden. Wie war das bei Ihnen und was sind die Erkenntnisse, die Sie daraus gezogen haben?
Wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 gab es eine Befragung unter den Studierenden in Österreich: „Welche Hochschulen haben am besten auf die Pandemie reagiert?“ Unsere FH Campus 02 war unter den besten. Wir haben innerhalb von drei Tagen unseren gesamten Unterricht so digitalisiert, dass kein einziger Studierender nur eine Stunde verloren hat. Die Studierenden konnten ihr Studium ohne Qualitäts- und Zeiteinbußen weitermachen und abschließen. Das sind wir den Studierenden schuldig. Unsere Lektoren haben da Großartiges geleistet.
Wir haben den Unterricht nun laufend adaptiert und weiter gelernt. Aber man hat, so wie auch sonst in der Wirtschaft, durch die Online-Lehre natürlich im Lauf der Zeit gewisse Ermüdungserscheinungen bemerkt. Im Herbst letzten Jahres haben wir für ein paar Wochen versucht, wieder auf Präsenzunterricht zu wechseln – wir haben gemerkt, wie gut das den Studierenden tut. Dann kam die zweite Welle; da wurden wir leider wieder zum Online-Unterricht gezwungen.
Jetzt versuchen wir, durch geschickte Abwechslung und neue Formate langsam wieder in den Präsenzunterricht zurückzugehen. Unser Learning aus der Pandemie ist, dass Präsenzunterricht, geschickt angereichert mit Online-Lehre, und auch die Anwesenheitspflicht ganz wichtig sind. Sie sind Erfolgsgaranten für das Vorankommen im Studium bei Berufstätigen.
Was fanden Sie besonders spannend in den „Pandemiesemestern“?
Krisen sind immer auch eine Chance – man muss diese nur ergreifen. Für mich war ein Highlight, dass die FH Campus 02 die erste Hochschule war, die eine Drive-in-Sponsion gemacht hat, während andere die Sponsionen ausfallen haben lassen. Wir haben also einfach den großen Parkplatz bei uns zum Autokino umgebaut, haben draußen eine große Bühne aufgebaut und die Ansprachen per Radiofrequenz und Großleinwand in die Autos übertragen.
Das Diplom wurde den Studierenden im Auto auf einer Rampe überreicht. ORF, Servus TV, Puls 4 – jeder Fernsehsender und jede Zeitung war da. Wir haben Grußworte vom Bundespräsidenten, vom Bildungsminister, vom Landeshauptmann und vom Wirtschaftskammerpräsidenten bekommen – eine richtige Marketinginnovation also.
Wo sehen Sie Luft nach oben in Bezug auf Ihre Studienrichtung und das Angebot der FH?
Unser Motto ist „Das Bessere ist der Feind des Guten“. Deshalb glaube ich, dass wir noch viel stärker auf die individuellen Ausbildungswünsche der Studierenden eingehen müssen. Wir kommen aus einer Welt, in der Ausbildungen überwiegend nach einem fix festgelegten Schema ablaufen. Ich glaube aber, dass die Werdegänge, die Interessen und die Schwerpunkte der Menschen mittlerweile so heterogen sind, dass wir ihnen noch viel stärker persönliche Ausbildungsinhalte anbieten müssen.
Ich glaube auch, dass Frauen extrem gute Innovationsmanagerinnen sind, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Das sind zwar Stereotypen, aber Männer tendieren ja oft dazu, in den Wettkampf zu gehen, während Frauen eher den Konsens suchen – und ich glaube, dass Innovationsmanagement eine gute Mischung aus beidem braucht und sehr heterogenes Teamwork ist. Wir müssen daher das Studium noch viel stärker an die Frauen bringen.
Text: Naila Baldwin
Fotos: Vinzent Trenkler / Oliver Wolf
Diese Advoice erschien in unserer Ausgabe 10–21 zum Thema „30 Under 30“.