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Eine Frau am Steuerrad eines großen Unternehmens ist leider noch immer keine Selbstverständlichkeit – jedoch zeigt sich dabei durchaus Erfolg, auch bei den Aktienkursen.
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen – doch dies drückt sich bei Weitem nicht in der Besetzung von Spitzenpositionen sowohl in der Politik als auch bei Unternehmen aus. Bei beiden herrscht vielmehr ein krasses Ungleichgewicht. Während Deutschland (als Ausnahmeerscheinung) gerade dem Ende der 16-jährigen Kanzlerschaft von Angela Merkel entgegenblickt, gab es in Österreich mit Brigitte Bierlein etwa nur eine einzige (interimistische) Kanzlerin in der Geschichte – für ein halbes Jahr.
In der Schweiz zeigt sich die Situation anders: Von 1848 bis 1984 wurde der Schweizer Bundesstaat ausschließlich von Männern regiert. 1984 wählte das Parlament die erste Frau in die Regierung, 2010 gab es dann zum ersten Mal eine Frauenmehrheit. Aktuell haben drei Frauen einen Sitz im Bundesrat: Simonetta Sommaruga (gewählt 2010), Viola Amherd (seit 2019) und Karin Keller-Sutter (seit 2019).
In der Wirtschaft zeigt sich das besagte Ungleichgewicht noch deutlicher: Die 500 größten Familienunternehmen der Welt haben insgesamt 4.418 Aufsichtsratssitze, von denen 1.041 von Familienmitgliedern gehalten werden – davon sind nur 17 % weiblich, wie der neue Global Family Business Index des Beratungsunternehmens EY und der Universität St. Gallen zeigt. Zählt man externe CEOs dazu, reduziert sich diese Zahl nochmals drastisch auf 5 % – nur 27 der 500 Familienunternehmen im Index werden von weiblichen CEOs geführt.
Der Anteil der Unternehmen mit weiblichen Familienmitgliedern in den Vorständen beträgt weltweit immerhin 31 %. Doch auch in Deutschland werden bei der Nachfolge viel zu selten Frauen berücksichtigt: Nur rund 5 % der CEOs weltweit und in Deutschland sind weiblich. Die Alpenrepublik hinkt hier sogar noch deutlich hinterher: In Österreich ist der Chefsessel aktuell von keiner einzigen Frau besetzt.
Dabei scheint Europa noch ein gutes Pflaster für weiblichen Erfolg zu sein: Denn Frauen sind im globalen Vergleich in der „Alten Welt“ noch am häufigsten Vorstandsmitglieder von Familienunternehmen. Von den Firmen mit weiblichen Direktoren stammen 54 % aus Europa, 30 % aus Amerika und 13 % aus dem asiatisch-pazifischen Raum.
Eines der großen Unternehmen, die unter der Führung einer Frau tätig sind, ist der US-amerikanische Soft- und Hardwarehersteller Oracle. 1977 im kalifornischen Santa Clara von Larry Ellison, Bob Miner und Ed Oates gegründet, hat Oracle seinen Hauptsitz heute in Austin, Texas. Im Jahr 2021 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von rund 40,5 Milliarden US-$; 2005 lag diese Zahl noch bei 11,8 Milliarden US-$. Seit 2014 ist Safra A. Catz CEO der Oracle Corporation, jedoch ist Catz bereits seit 2001 Mitglied des Board of Directors. Zuvor war sie Präsidentin von Oracle und auch Chief Financial Officer des Unternehmens. In ihrer Amtszeit stieg der Oracle-Umsatz um rund 6 %.
Finanzexperten schätzen die Arbeit von Catz: So hat die US-Bank JP Morgan das Kursziel für Oracle nach Zahlen zum ersten Geschäftsquartal von 77 auf 89 US-$ angehoben und die Einstufung auf „Overweight“ belassen. Die währungsbereinigten wiederkehrenden Umsätze des Softwareentwicklers bewegten sich in die richtige Richtung, schrieb Analyst Mark Murphy in einer Studie über das Unternehmen. Das höhere Kursziel resultiere auch aus einer Verschiebung des Bewertungszeitraums von Ende 2021 auf Ende 2022, so Murphy.
Die Investmentbank Jefferies hat zwar das Kursziel für Oracle von 80 auf 95 US-$ angehoben, aber die Einstufung auf „Hold“ belassen. Dank der gestiegenen Erwartungen für ein beschleunigtes Umsatzwachstum habe die jahrelang unterdurchschnittliche Aktie des Softwarekonzerns seit Jahresbeginn stärker zugelegt als die Papiere der Branchenkollegen Microsoft, Adobe und Salesforce. Zu Redaktionsschluss lag der Oracle-Kurs schon bei rund 95 US-$.
Eines der wenigen deutschen börsennotierten Unternehmen mit einer Frau an der Spitze ist Merck, das von der gebürtigen Spanierin Belén Garijo geleitet wird. Merck ist das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt, gegründet bereits 1668 in Darmstadt. Der Name führt oft zu Verwechslungen: Im 19. Jahrhundert führte das erfolgreiche Exportgeschäft in die USA zur Eröffnung einer eigenen Niederlassung in New York 1887, aus der später eine eigenständige Gesellschaft entstand. Infolge des Ersten Weltkriegs wurde diese 1917 enteignet. Seither gibt es zwei verschiedene selbstständige Unternehmen, die den Namen Merck nutzen. Die US-Merck ist außerhalb der USA und Kanadas als MSD bekannt.
Das Geschäft des deutschen Konzerns basiert auf den drei Sparten Life Science, Healthcare und Electronics. Life Science bietet Produkte für die Pharmaforschung an und macht in etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Der Konzernumsatz lag im zweiten Quartal mit 4,9 Milliarden € satte 18,2 % über dem Vorjahresquartal; Merck profitierte mehrfach von der Covid-19-Pandemie. Die Zentrale in Darmstadt dirigiert alleine in der Bundesrepublik 12.000 Mitarbeiter. Weltweit gibt es insgesamt acht Forschungs- und Entwicklungszentren mit 58.000 Angestellten in 66 Ländern. Die Gründerfamilie Merck ist bereits in der 13. Generation bis heute mit 70 % der Anteile Haupteigentümerin über eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA).
Garijo hat große Pläne: So will sie den Umsatz bis 2025 von 17,5 Milliarden € auf rund 25 Milliarden € erhöhen. Wachstum soll auch durch Zukäufe generiert werden. Ab Ende 2022 soll dafür ein hoher einstelliger Milliardenbetrag zur Verfügung stehen. Analysten schätzen die Ideen der promovierten Ärztin: Die Nord LB hat die Einstufung für Merck KGaA auf „Halten“ belassen. Analyst Thorsten Strauß sieht die Pharmabranche generell weiter positiv. Gegenüber dem Gesamtmarkt sieht er speziell bei dividendenstarken Branchenvertretern noch Nachholbedarf, aber auch bei einzelnen moderat bewerteten Unternehmen. 2021 lag die Merck-Ausschüttung im Vergleich zum Vorjahr (1,30 €) um zehn Eurocent bzw. 7,7 % höher. Die Dividendenrendite bewegte sich um die 1,10 %. Der Aktienkurs hat im Jahresvergleich um 43 % zugelegt und liegt nun bei 188 €.
Nicht von Pappe, sondern aus Stahl sind die Erfolge von Thyssenkrupp: In 60 Ländern erwirtschaftete die Gruppe mit Hauptsitz in Essen und 104.000 Mitarbeitenden im Geschäftsjahr 2019/20 einen Umsatz von 29 Milliarden €. An den Schalthebeln von Deutschlands größtem Stahlhersteller, dessen Wurzeln im Jahr 1891 liegen, steht die gelernte Maschinenbauingenieurin Martina Merz: Sie hat zum 1. Oktober 2019 den Posten als Vorstandsvorsitzende der Thyssenkrupp AG übernommen und soll den Konzernumbau bewältigen. Vom Manager Magazin als „mächtigste Frau in der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet, steht sie in der Forbes-Liste „The World’s 100 Most Powerful Women“ auf Platz 19.
Die Investmentbank Jefferies hat zwar das Kursziel für Thyssenkrupp in einem Ausblick auf die Berichtssaison der Stahlbranche von 14,75 auf 14,25 € gesenkt, aber die Einstufung auf „Buy“ belassen. Die operativen Ergebnisse (Ebitda) der europäischen Stahlkonzerne im Bereich Baustahl dürften im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 34 % gestiegen sein, entsprechend wurden die Schätzungen angehoben. Die Prognosen für das Schlussquartal hätten zudem noch Luft nach oben, heißt es von Jefferies. Die Aktie hat zwar im letzten Jahr beim Börsenkurs um rund 90 % zugelegt, zuletzt aber einige Prozente verloren. Der Kurs zu Redaktionsschluss lag bei 8,44 € – das gibt dem Jefferies-Kursziel noch einiges an Luft nach oben.
Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 8–21 zum Thema „Women“.