How to be a role model

Under 30-Listmakerin Gloria Wagner setzt sich mit ihrem Start-up „techwomen.io“ dafür ein, die Frauenquote in technischen Berufen in Österreich auf 50 % zu erhöhen; auch, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im Gespräch erklärt die Unternehmerin, wie sie dieses Ziel erreichen will und welche Vorteile Frauen in technischen Berufen mitbringen – weit über das „Lückenbüßen“ hinaus.

Bist du eine Frau in der Techno­logiebranche und möchtest deine Kar­riere beschleunigen, indem du noch heute deinen Traumjob findest? ­Registriere dich jetzt vorab bei ­‚techwomen.io‘!“ So wird man auf der Website von „techwomen.io“ begrüßt. Dessen Gründerin und ­Under 30-Listmakerin Gloria Wagner hat sich zum Ziel gesetzt, einen Marktplatz zu schaffen, der Frauen in technischen Berufen mit Unternehmen verbindet, die gezielt nach ihnen suchen. Damit möchte sie das Problem des Frauenmangels in der Technologiebranche an der Wurzel packen.

Wir treffen Wagner erst abends zu einem Videointerview – die junge Wienerin ist äußerst beschäftigt. Tagsüber arbeitet sie Vollzeit als ­Unternehmensberaterin bei MM1, einem österreichischen Consulter. Parallel dazu baut sie ihr Start-up und Herzensprojekt ­„techwomen.io“ auf. 2024 gegründet steckt das Unternehmen zwar noch in den Kinderschuhen, konnte jedoch bereits erste Kunden gewinnen; über 300 Frauen haben sich schon auf der Plattform registriert. Diese ­ersten Erfolge waren allerdings hart er­arbeitet.

Wagner erzählt, dass sie aufgrund ihrer Herkunft und Vergangenheit oft das Gefühl hatte, mehr leisten zu müssen als andere: „Wie sagt man so schön? ‚The best founders are insecure overachievers!‘ Und weil ich in armen Verhältnissen aufgewachsen bin, habe ich diese Unsicherheit immer mit mir herumgetragen – und vermutlich tue ich das auch heute noch. Das hat mich angetrieben, immer mehr zu arbeiten. Mein Ziel war es stets, Mädchen und Jungen, die aus ähnlichen Verhältnissen kommen wie ich, zu zeigen, dass sie alles erreichen können“, erzählt Wagner.

Wagner ist in Wien aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ihre Familie hatte es nicht leicht – es fehlte das Geld für warmes Wasser und zum Heizen. Dennoch wollte Wagner als Erste in ihrer Familie ein Studium abschließen. Nach ihrer Matura entschied sich Wagner für ein Soziologiestudium an der Universität Wien – „weil ich die Welt verändern wollte“, sagt die Gründerin und fügt hinzu: „Während meines Bachelors habe ich dann erfahren müssen, dass das Soziologiestudium einen weniger darauf vorbereitet, die Welt zu verändern, sondern vielmehr daraus besteht, Texte von alten weißen Männern zu lesen, die bereits alle tot sind.“

Nach ihrem Bachelor zog es Wagner für ein halbes Jahr nach ­Lateinamerika, bevor sie ihren Master in Sozioökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien absolvierte. „Ich habe nebenbei bei Amnesty International und dem WWF gearbeitet, weil mein Ziel damals immer noch war, die Welt zu verändern“, erzählt sie. Im Rahmen eines Auslandssemesters ging sie erneut nach Mexiko, wo sie erstmals mit der Start-up-Welt in Kontakt kam. Sie erinnert sich: „Ich habe dort in einem Tech-Start-up gearbeitet, und da fiel mir zum ersten Mal auf, dass die Frauen fast ausschließlich im Marketing tätig waren, während die Männer programmiert haben.“

Zurück in Wien und inspiriert von ihren Erfahrungen in Mexiko beschloss Wagner, ihre Master­arbeit über die Ursachen des Frauen­mangels in technischen Berufen zu schreiben. „Weil ich meine Masterarbeit während des ersten Lockdowns 2020 verfasst habe und der Fokus dadurch noch stärker auf die digitale Welt gerichtet war, wurde mir bewusst, wie wenige digitale Ini­tiativen es für Frauen in MINT-Berufen gibt. Man könnte sagen, dass das die Geburtsstunde von ‚techwomen.io‘ war“, so Wagner.

Vier Jahre später wagte sie den Schritt und gründete. Schnell stellte sie fest, dass der Frauen­mangel in der Technik vielen bewusst ist, es aber immer noch an konkreten Ideen mangelt, um ihm entgegenzuwirken. „Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was Leute glauben, was es für Frauen in der Technik gibt, und dem, was tatsächlich existiert“, sagt Wagner. Tatsächlich sind Frauen in technischen Berufen nach wie vor stark unter­repräsentiert: Laut dem AMS (Arbeitsmarktservice Österreich) liegt der Frauenanteil in technischen Studiengängen bei nur etwa 27 %. In der Informatik und der IT (ab­gesehen von den Pflegeberufen die Branchen mit dem größten Fachkräftemangel) beträgt der Frauenanteil lediglich 29,2 %. Doch Frauen können in der Technik nicht nur ­Lücken füllen – das belegen zahl­reiche Studien, zuletzt eine von EY aus dem Jahr 2024: Die Ergebnisse belegen, dass Diversität nicht nur die Innovationskraft eines Unternehmens steigert, sondern auch zu wirtschaftlichem Wachstum bei­tragen kann.

„Wir sorgen dafür, dass es in Zukunft weibliche Vorbilder für junge Mädchen gibt“, sagt Gloria Wagner.

Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ­Unternehmen an „techwomen.io“ ­interessiert sind. „Viele Unternehmen wollen in neuen Talentepools ­fischen, um ­qualifizierte Fachkräfte für ihre ­offenen Stellen zu ­finden“, erklärt Wagner. In Zukunft soll „tech­women.io“ auf einem Abonnement­modell basieren, bei dem Un­ter­nehmen eine Gebühr zahlen, um über die Plattform potenzielle Mitarbeiterinnen zu re­krutieren. Für Arbeitnehmerinnen bleibt die Nutzung der Plattform kostenlos.

Die fortschreitende Digitalisierung und der zunehmende Einfluss von KI motivieren Wagner zusätzlich, das geschlechtsspezifische Ungleichgewicht zu verändern. „KI dringt immer tiefer in unsere Lebensbereiche ein. Programme wie Chat GPT werden leider größtenteils von Männern entwickelt. Genau deshalb ist es entscheidend, dass auch Frauen unsere KI-Zukunft aktiv mitgestalten – damit wir nicht, wie in so vielen anderen Bereichen, wieder den Kürzeren ziehen“, sagt Wagner.

Der Unternehmerin ist es wichtig, dass Frauen, die ihre Berufe über „techwomen.io“ finden, in den unterschiedlichen Unter­nehmen gut aufgehoben sind und gefördert werden. „Bei uns kann man nur Kunde werden, wenn im Unternehmen bereits drei bis fünf Frauen in hochrangigen Tech-Positionen tätig sind. So stellen wir sicher, dass es gute Rahmenbedingungen und weib­liche Vorbilder für die neuen Mitarbeiterinnen gibt“, so Wagner. Die Wienerin sieht die fehlende Vorbildfunktion als Hauptgrund ­dafür, dass MINT-Studentinnen später nicht in technischen Berufen arbeiten: „Wenn es mehr Frauen in sichtbaren, hochrangigen Tech-Positionen gibt, werden auch mehr junge Mädchen Mut fassen, sich für diese Berufe zu entscheiden. Wir sorgen dafür, dass es in Zukunft weibliche Vorbilder für junge Mädchen gibt!“

Gloria Wagner ist Mitgründerin und CEO von „techwomen.io“, einer Plattform, die den Frauenanteil in technischen Positionen in DACH-Unternehmen auf 50 % steigern möchte. Die Plattform soll Unternehmen mit MINT-Studentinnen und weiblichen Fachkräften verbinden.

Fotos: Fotostudio PicturePeople

Lela Thun,
Redakteurin

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