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97 Jahre nach der Gründung bezeichnet sich Akris als „the biggest brand you never heard of“. Nun muss sie eine Organisation bauen, die den Ansprüchen einer Weltmarke genügt. Darum kümmern soll sich CEO Melissa Beste.
Melissa Bestes Karriere in der Modewelt hätte gleich zu Beginn fast ein jähes Ende gefunden – denn die Amerikanerin wollte eigentlich an die Law School, als sie eine Stellenanzeige für ein Trainee-Programm der Luxuskaufhauskette Neiman Marcus entdeckte. Beste bewarb sich aus einer Laune heraus und schaffte es bis zur zweiten Stufe, dem Assessment-Center. Dort angekommen merkte sie jedoch, dass sie im Gegensatz zu den anderen Kandidaten keinerlei Erfahrung in der Branche hatte. „Irgendwann im Lauf der zwei Tage wollte ich einfach nur noch weg.“ Als sie eine Vorstandsassistentin traf, gab sie vor, auf die Toilette zu müssen – doch als sie von dort herauskam, war die hilfsbereite Mitarbeiterin noch immer da: „Ich konnte nicht entkommen!“
Schließlich entschied sich Beste, ihr eigentliches Wissen einzubringen. „Mir war aufgefallen, dass der Shop aus Kundensicht nicht ideal aufgeteilt war.“ Sie bekam den Job. Und bis heute ist Beste nicht vorrangig auf der kreativen Seite zu Hause, sondern hilft den Kreativen, ihr volles Potenzial zu entfalten.
Die Initialen der Gründerin
Das soll sie nun als CEO des St. Galler Modelabels Akris tun – und dem Unternehmen so helfen, seinen Anspruch als Weltmarke auch in der Organisation zu verankern. Denn obwohl die Eigentümer, das Brüderpaar Albert und Peter Kriemler (Ersterer ist heute noch Creative Director, Letzterer ist mittlerweile als Präsident des Verwaltungsrats tätig, Anm.), gerne behaupten, dass Akris auch heute noch „eine kleine Firma“ ist, benötigt ein global agierendes Modelabel auch die passenden Strukturen.
Melissa Beste
... startete ihre Karriere bei Neiman Marcus, bevor sie nach Stationen bei u. a. Saks Fifth Avenue und Alexander McQueen als CEO für Nordamerika und Großbritannien bei Akris landete. Nach einem Wechsel zur Private-Equity-Plattform Interluxe kehrte sie 2018 als Global CEO zurück.
1921 von Großmutter Alice Kriemler-Schoch (die Initialen bilden den Markennamen) gegründet, hat sich Akris als High-End-Modemarke etabliert – ausschließlich auf Frauenkleidung fokussiert. Einzelne Stücke kosten schnell einmal vierstellige Summen, doch die Qualität der Stoffe und des Handwerks hat den Schweizern weit über die Landesgrenzen hinaus prominente Fans gebracht. Zu den Trägerinnen zählen etwa Michelle Obama, Schauspielerin Nicole Kidman oder Amal Clooney. Auch Robin Wright trug als Präsidentengattin in der TV-Serie „House of Cards“ Akris-Kleidung. Beste beschreibt die Kundin so: „Akris wird von unabhängigen, modernen Frauen mit einem besonderen Geschmack getragen.“
Wer eine Marke 40 Jahre lang führt, ist untrennbar mit ihr verbunden. Und so wissen die Kriemler-Brüder ganz genau, was Akris ist und was Akris nicht ist – etwas, das für neue Mitarbeiter nicht so klar ist. Und da das Verständnis der eigenen Marke für Akris Erfolgsbedingung ist, ist es eine der Aufgaben von Beste, die Akris-DNA zu formalisieren – „the codes of the house“, wie sie sagt: „Was macht Akris zu Akris?“
Neue alte Bekannte
Die Amerikanerin weiß, wo sie den Hebel ansetzen muss, um Wirkung zu erzielen. Nach ihrem Einstieg bei Neiman Marcus sammelte Beste über 20 Jahre Erfahrung in der (Luxus-)Modebranche. Mit Akris kam sie erstmals als Einkäuferin bei Saks Fifth Avenue in Kontakt, wobei sie auch die Kriemler-Brüder kennenlernte. Ihre erste „Amtszeit“ bei Akris hatte sie dann von 2009 bis 2014 als CEO für Nordamerika und Großbritannien. Doch sie verließ das Unternehmen, um CEO von Interluxe zu werden, einer Private-Equity-Plattform, die in Mode- und Luxusmarken investierte. So krempelte Beste etwa die Organisation hinter der Marke von Jason Wu um, einem Taiwan-Kanadier, der zwei Inaugurationskleider von Michelle Obama entwarf.
Beste: „Der Großteil unserer Arbeit floss in die Neuverteilung von Ressourcen: Wo sollten die Arbeitszeit und finanzielle Ressourcen hinfließen, um die geschäftlichen Ziele zu erreichen?“ Im Januar 2018 kam sie zurück zu Akris – als Global CEO. „Mein Job ist letztendlich jener des Chief Enthusiasm Officer: Ich will Menschen inspirieren, sie führen und ihnen helfen, ihre bestmögliche Arbeit zu machen.“
Als Familienunternehmen ist Akris mit Finanzkennzahlen vorsichtig. Eine Fallstudie der Universität St. Gallen bezifferte den Umsatz 2011 auf rund 300 Millionen CHF, bei einer operativen Gewinnmarge von rund 20 %. Aktuellere Zahlen sind nicht bekannt – auch Melissa Beste lächelt nur, als wir sie danach fragen.
Langsames, aber stetiges Wachstum
Der Luxusmodemarkt wächst stetig, aber nicht explosiv. Bis 2023 geht der Datenanbieter Statista von einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 2,1 % aus. Während viele Marken in Unternehmen wie der LVMH-Gruppe gebündelt werden (unter deren Dach finden sich etwa Louis Vuitton, Givenchy oder Fendi), setzen One-Brand-Unternehmen wie Prada, Armani oder Burberry vermehrt auf margenstarke Accessoires wie Parfums – mit gemischtem Erfolg: Prada (1 % Umsatzwachstum im Jahresvergleich) und Burberry (+2 %) bewegen sich in etwa mit dem Markt, Armani verlor im Zuge einer Neustrukturierung fast 9 % an Umsatz. Beste ist optimistisch: „Der Markt wächst noch. Vielleicht nicht so schnell, wie es sich manche wünschen, aber er wächst. Wir wollen Marktanteile gewinnen; aktuell wachsen wir in all unseren Märkten.“ Einen Fokus auf Accessoires wird Akris so schnell nicht legen. Mit Akris Punto gibt es seit 1996 eine preisgünstigere Marke für Designersportswear, und vor zehn Jahren wurde eine Handtaschenlinie gelauncht.
Ob Akris diese Strategie der langsamen Schritte noch überdenken muss, wird sich zeigen. Insbesondere jüngere Käuferinnen und solche in wachsenden Märkten – etwa China – lassen sich nämlich oft durch etwas günstigere Accessoires „ködern“. Beste sieht aber vor allem in der Digitalisierung große Chancen. Der „Wallless Store“ ist für die neue CEO ein großes Thema. „Wir wollen unsere Kundinnen richtig ansprechen – und zwar, wer und wo auch immer sie sind.“ Einen bleibenden Eindruck auf das Unternehmen hat Beste schon hinterlassen: Vor zehn Jahren wünschte sie sich eine sportlichere Hose, die sich sowohl mit High Heels als auch Turnschuhen tragen lässt. „Es sollte eine Hose sein, die so praktisch ist, dass sie als Erstes in den Reisekoffer kommt.“ Die Hose wurde auf den Namen „Melissa“ getauft – und ist heute die meistverkaufte Akris-Hose.
Text: Klaus Fiala
Fotos: Kilian Kessler
Der Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2019 „Women“ erschienen.