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Vom Küchenkiebitz aus Kärnten zum Multimillionär und Lieblingskoch der Hollywood-Stars: Wolfgang Puck (74) lebt den amerikanischen Traum. Sein Restaurantimperium beschäftigt 5.000 Menschen zwischen Los Angeles, London, Wien und Singapur. Im Forbes-Interview verrät der Starkoch, was er im Hotel Linde am Wörthersee fürs Leben gelernt hat, warum er demnächst in der Schweiz und in Mexiko Hotels eröffnen will und wieso sein Sohn Byron in seine Fußstapfen treten wird.
Wolfgang Puck sitzt in seinem Anwesen in Los Angeles, doch in Gedanken ist er zurück in der Küche des Hotel Linde am Wörthersee. Seine Mutter bäckt dort Kuchen und Törtchen, während der kleine Wolfgang, gerade mal elf Jahre alt, die Kartoffeln schält oder den Köchen über die Schulter schaut. Mit kindlicher Neugier beobachtet er gebannt, wie sie den gekühlten Mürbteig ausrollen, das Obers steif schlagen oder Eier und Zucker zu einem Biskuitteig rühren. Manchmal stecken ihm die Köche ein Eis zu oder lassen ihn das Endstück der Marillenroulade kosten.
Doch es war nicht das Kochen allein, das den jungen Puck damals faszinierte – er erkannte auch, was einen guten Gastgeber ausmacht. Von der Besitzerin des Hotel Linde, der Frau Trattnig, schaut er sich ab, wie sie jedem Gast das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein; wie sie mit Charme und Herzlichkeit einen Raum schafft, in dem sich Menschen gerne aufhalten – und damit einen Ort, zu dem Gäste gerne zurückkehren. Diese frühe Lektion begleitet den nachmaligen Starkoch durch seine gesamte Karriere.
Wenn ihn heute junge und aufstrebende Köche nach einem Rat fragen, dann erzählt er von der längst verstorbenen Frau Trattnig und der Linde am Wörthersee. Puck sagt: „Viele junge Köche denken nur ans Kochen und an ihre Gerichte. Aber manchmal vergessen sie dabei, was einen erfolgreichen Gastronomen ausmacht: Er muss ein guter Gastwirt sein.“
Wolfgang Puck ist eine Ikone des amerikanischen Gastgewerbes. Er lebt den American Dream, hat sich vom Tellerwäscher und Kartoffelschäler aus Kärnten hochgearbeitet – zum Multimillionär mit einem geschätzten Privatvermögen von mehr als 90 Mio. US-$. Sein globales Restaurantimperium umfasst 70 Lokale, darunter Gourmettempel zwischen Kalifornien, London und Singapur.
Beim Zoom-Interview mit Forbes sitzt Puck in seinem Büro, im Hintergrund ein mächtiges Design-Bücherregal gefüllt mit Bildbänden. Seine Assistentin stellt ihm die Software und das Mikrofon ein. Puck ist kein Technikliebhaber, er schreibt auch gerne noch von Hand.
Sein Haar leuchtet silbern, seine Haut hat eine gesunde kalifornische Bräune. Er strahlt diesen leuchtenden, Vitamin-D-gesättigten Optimismus aus, der so vielen erfolgreichen Amerikanern von der West Coast zu eigen ist. Dass er mit Kärntner Akzent spricht, beweist allerdings, dass er weiterhin seine Wurzeln pflegt, die das Fundament seines Erfolgs bilden.
Überhaupt wirkt Puck für einen bald 75-Jährigen überdurchschnittlich vital. Woran das liegt? „Man muss immer in Bewegung bleiben und neugierig sein“, sagt er. Doch was macht die Langlebigkeit von Pucks Erfolg aus? Und was plant er für die Zukunft seines Imperiums?
Wer sich mit Puck unterhält, wer seinen Anekdoten lauscht, reist in die Glamourwelt von Hollywood; begegnet alten und neuen Ikonen. Der Starkoch streut locker Geschichten zu Jack Lemmon, Barbra Streisand, Andy Warhol oder Tom Cruise in die Unterhaltung, wie seine Köche die Meersalzflocken auf das Rinderkotelett.
In Madonnas Küche plante er das Festessen für deren Hochzeit mit Sean Penn. Die Kardashian-Töchter kamen schon als Kinder auf eine Pizza ins Spago, sein Promi-Lokal in Beverly Hills. Mit Arnold Schwarzenegger, dem anderen kalifornischen Österreicher, der den American Dream wie kaum ein anderer Einwanderer personifiziert, feiert er regelmäßig Oktoberfest im Anwesen des ehemaligen „Governators“, mit Bier und Schnitzel.
Was Puck mit Schwarzenegger außerdem verbindet: Wie „der Arnie“ ist „der Wolfgang“ in den USA eine Marke, die fast jeder kennt. Wolfgang Puck taucht sogar – und das darf durchaus als popkultureller Ritterschlag gelten – in einigen Folgen der „Simpsons“ auf.
Einer Hollywood-Ikone hat er auch sein bekanntestes Gericht zu verdanken: Als Joan Collins eines Abends ins Spago kommt, sind fast alle Vorräte aufgebraucht und Puck muss improvisieren. Also bäckt er mit dem letzten Teig eine Pizza, belegt sie mit Räucherlachs, Streichkäse, Kaviar, Dill, Schnittlauch. Der Happen wird sein ikonisches Gericht, ungezählte Male kopiert und von anderen Chefköchen zitiert. Eine „Spago-Pizza mit Räucherlachs und Kaviar“ servierte auch ein Sternerestaurant seines Freundes Paul Bocuse in Frankreich. Davon erzählt Puck mit Stolz.
Für den internationalen Jetset ist Puck seit Jahrzehnten eine Art Leibkoch. Er ist der Gaumen Hollywoods, denn seit bald 30 Jahren ist der Gastronom für den kulinarischen Genuss nach der Oscar-Verleihung zuständig, beim Governors Ball. Auch im kulinarischen Mainstream mischt er mit: Vor zwei Jahren eröffnete Puck ein Bistro am Wiener Flughafen, wo er neben Bodenständigem wie Bier und Gulasch auch Thunfisch-Tatar anbietet.
Puck ist nicht nur Multigastronom, er ist auch ein leidenschaftlicher Unternehmer. Sein Business setzt zwar rund eine halbe Milliarde Dollar im Jahr um, ist im Kern aber ein Familienbetrieb: Bruder Klaus Puck ist Chief Operating Officer von Wolfgang Puck Worldwide, Inc.; Sohn Byron wird auf die Nachfolge an der Spitze des Gastro-Imperiums vorbereitet. Ebendieser Byron Lazaroff-Puck, Sohn von Pucks zweiter Ehefrau Barbara Lazaroff, half schon mit zwölf Jahren im Spago aus. Puck senior hält große Stücke auf seinen Erben: „Er ist mit 28 Jahren in der Küche schon weiter, als ich es in diesem Alter war“, schwärmt der Vater. Und: „Eines Tages wird Byron das übernehmen.“
Um Pucks Lebenswerk würdigen zu können, muss man noch einmal auf seine Zeit in Österreich zurückblicken. Geboren in St. Veit an der Glan wächst er in ärmlichen Verhältnissen auf. Er leidet unter seinem brutalen Stiefvater; der Bergmann und Alkoholiker schickt den neunjährigen Buben in den Wald, lässt ihn einen Knüppel suchen, mit dem er ihn später verprügeln will – und redet dem Kind ein: „Du bist guat für nix!“ Auch diese Erfahrungen schwingen mit, wenn man Puck zu seinem Verhältnis zu seiner alten Heimat befragt. Der Koch, der in fast jedem seiner Lokale Wiener Schnitzel und Kärntner Nudeln serviert, sagt: Die Erinnerung an seine Kindheit und frühe Jugend in Österreich schmecke „bittersüß“.
Mit 14 zieht Puck von zu Hause aus, ohne Schulabschluss. „Alles war besser als wieder heimzugehen“, erzählt er. Seine Lehrjahre führen ihn auch zu Raymond Thuilier im L’Oustau de Baumanière in Frankreich und ins Hotel de Paris
in Monaco. 1973 wandert Puck in die USA aus – ohne Ersparnisse. Über New York und Indianapolis kommt er nach Los Angeles. Er möbelt das französische Lokal Ma Maison auf und macht sich einen Namen. Nach einem Konflikt mit seinem Geschäftspartner erfüllt sich Puck 1982 seinen Traum und eröffnet sein eigenes Restaurant, das Spago. Mit dem Lokal, bis heute das Herzstück seines Imperiums, entwickelt er die „California Kitchen“, indem er die lokalen Zutaten des Sunshine State in den Mittelpunkt stellt – und die bescheidene Pizza als Feinschmeckergericht neu erfindet: Auf den Teig legt er Entenwurst, Garnelen aus Santa Barbara, auch mal Hummer. Puck revolutioniert die Küche seiner Wahlheimat Kalifornien. Das Spago ist gleichzeitig fancy und fun; dieses Konzept steckt bis heute in der DNA seiner Gastroprojekte.
Puck musste natürlich auch Rückschläge verkraften. 1990 eröffnet er in Kalifornien eine Brauerei; er will mal wieder Kärnten nach Kalifornien holen. Eine Gastwirtschaft mit eigenem, vor Ort gebrautem Bier, nur eben modern und für eine amerikanische Klientel – so das Konzept. Das Gasthaus ist, wie immer bei Puck, ein Erfolg. Er lässt dafür die Weißwürste und den „Leberkas“ aus München einfliegen, mit Blick auf klimaneutrale Lieferketten heute natürlich undenkbar. Den Absatz von einer Million Bierkisten im Jahr verfehlt er aber deutlich – nur 30.000 wird er los. Dazu kommen Qualitätsmängel, weil sein Braumeister das Bier nicht haltbar machen kann. Leider ist der Brauer auch Pucks Geschäftspartner und mit 50 % beteiligt, also kehrt Puck dem Projekt den Rücken, sperrt den Gasthof zu und zieht sich auch aus der Brauereiwirtschaft zurück. „Als Unternehmer und Gastwirt musst du immer bescheiden sein“, sagt Puck – und Fehler einsehen, denn durch Rückschläge lerne man viel mehr als durch Erfolge.
Als Unternehmer und Gastwirt musst du immer bescheiden sein.
Wolfgang Puck
Während unseres Gesprächs ist Pucks Sohn Byron in Genf, um nach Hotels zu suchen, die das Puck-Imperium erweitern könnten. Auch in Tulum in Mexiko will Puck in Hotelangebote investieren. Die Idee: Feinschmecker sollen eine umfassende „Experience“ geboten bekommen, die weit über das einmalige Erlebnis des Mehrgangmenüs am Abend hinausgeht. Auf die Frage, was er eigentlich besser könne, Kochen oder Wirtschaften, muss Puck schmunzeln. Er hat kürzlich einen Management-Master in Harvard abgeschlossen. Doch nicht erst seit dem Harvard-Diplom weiß er: Er muss seinen Managern Autonomie gewähren. In seinen 70 Restaurants haben Köche die Freiheit, eigene Gerichte zu entwickeln. Jeder Chef und jeder Manager bekommt sein eigenes Lokal anvertraut und soll es führen, als sei es sein eigenes. Pucks Statthalter in der Küche sind gewinnbeteiligt. Das amerikanische Leistungsprinzip gilt auch in seinen Betrieben: Wer Umsatz macht und Geld erwirtschaftet, verdient mit. Pucks Motto: Gute Leute einstellen und sie gut bezahlen.
Puck ist immer noch Vielreisender. Als globaler Gastwirt sammelt er reichlich Flugmeilen. In der Küche steht er heute seltener: „In meinem Alter könnte ich nicht mehr sieben Stunden oder noch länger am Herd stehen, das wäre zu viel.“ Mit Begeisterung erzählt Puck auch von einem neuen Projekt in Kalifornien – für rund 100 Mio. US-$ will er ein futuristisches Beach House bauen. Es ist der Form eines Schiffs nachempfunden, ein echtes architektonisches Schmuckstück soll es werden, zwischen dem Pacific Coast Highway und Malibu, direkt am Strand des Pazifiks. Baubeginn soll Ende 2025 sein.
Wie viel Kärnten in diesem kalifornischen Beachlokal stecken wird, ist noch nicht klar – gut möglich, dass Puck auch hier ein „Austrian Wiener Schnitzel“ serviert, wie im Spago mit in Kümmelsamen marinierten Gurken, Kipflersalat und steirischem Kürbiskernöl, für 79 US-$. Für seinen Landsmann Arnold Schwarzenegger, so erzählt Puck, sei das Spago-Schnitzel das beste, das er jemals gegessen habe.
Zumindest topografisch kehrt Puck mit seinem Malibu-Projekt zu seinen österreichischen Wurzeln zurück – denn das Hotel Linde, in dessen Küche seine Reise zu kulinarischem Weltruhm begann, war ja auch eine Art Beachlokal, nur eben am Strand des Wörthersees.
Wolfgang Puck, geboren am 8. Juli 1949 in Sankt Veit an der Glan in Kärnten, ist einer der weltweit bekanntesten Gastronomen. Er lebt in Los Angeles, wo er sein Kultlokal Spago in Beverly Hills betreibt. Über die Jahre hat er sich zudem ein Gastroimperium mit weltweit 70 Restaurants aufgebaut.
Fotos: Marco Bollinger, Alex Berliner, Jakob Layman
Infografik: Emin Hamdi