Oliver Holle: Hinauf und Hinaus

„Aus Erfahrung reicher werden“ ist für Oliver Holle von Speedinvest mehr als nur eine Lebensweisheit. Denn seine Vergangenheit als Start-up-Unternehmer..

„Aus Erfahrung reicher werden“ ist für Oliver Holle von Speedinvest mehr als nur eine Lebensweisheit. Denn seine Vergangenheit als Start-up-Unternehmer prägt auch seine Zukunft als Investor.

Als Speedinvest (SI) seinen ersten Fonds auflegte, war die Finanzkrise noch voll im Gange. „Eigentlich“, erinnert sich Gründer und CEO Oliver Holle an das Jahr 2010/2011 zurück, „gab es damals gar nichts in dieser Art.“ Und auch, wenn zehn Millionen €, gemessen an anderen, internationalen VC-Fonds, nicht unbedingt sehr viel sind, war das „zumindest irgendetwas, das einen Unterschied gemacht hat“, so Holle belustigt. Plötzlich war einer da, der strukturiert kleinere Investments tätigte. Eigenen Wohlstand bedeutete das aber nicht: „Von den zehn Millionen € rechnen wir 2,5 Prozent Management-Fee, das sind 250.000 € im Jahr, geteilt durch sechs Partner, zwei Leute im Silicon Valley und zwei Assistenten“, rechnet Holle vor. „Man kann sich so ungefähr ausrechnen, wie viel wir uns ausgezahlt haben. Aber man muss dazusagen: Wir konnten es uns auch leisten.“

Wenige Jahre davor legten Holle und seine damaligen Partner Markus Wagner und Andreas Wiesmüller mit dem Verkauf ihres Unternehmens 3United – ein im Jahr 2004 erfolgter Zusammenschluss der Start-ups Xidris, Sysis und Connovation – an den US-Konzern Verisign einen der ersten bekannteren Exits hin. Es war das Jahr 2006 und es ging um 55 Millionen €.

Die Jahre davor beschreibt Holle wie eine Odyssee. Jedenfalls, so sagt er, könne ihn heute nicht mehr wirklich viel aus der Ruhe bringen. Die Erfahrungen als Jungunternehmer haben seine Haltung als Investor nachhaltig geprägt. „Ich hole aus“, drückt sich der Speedinvest-CEO in die Sessellehne und beginnt, in seinen Erinnerungen als Gründer zu kramen: Frisch von der WU weg habe er, damals 23-jährig, mit einem kleinen Team von vier Leuten eine Online-Computerspiele-Firma gegründet: Sysis. „Zur Zeit der ersten Internetwelle haben wir mit derstandard.at die ersten interaktiven Games gestaltet. Und mit der ersten Dotcom-Welle“, erzählt er weiter, „kamen die ersten Investoren auf. Toto Wolff“, so Holle, „war eigentlich unser erster – und eigentlich auch der Erste, der in Wien in Start-ups investiert hat.“ Innerhalb kürzester Zeit verhalf der Rennstall-Chef den Sysis-Gründern zu einer großen Finanzierungsrunde, die im Jahr 2000 mit knapp vier Millionen € Risikokapital erfolgreich abgeschlossen wurde.

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„Wir haben uns gegenseitig eingeredet, wie super wir sind, und waren geblendet von unserem Erfolg.“ Foto: David Visnjic

„Wir hatten ein paar Mini-Aufträge, aber kein Produkt und keine Strategie. Damals war ich 28 Jahre alt – die Kernerfahrung war: Ich habe keine Ahnung, wie man ein Start-up führt; meine Partner auch nicht und ebenso wenig unsere Investoren. Es war ein großer, schwarzer Nebel. Wir haben uns eigentlich gegenseitig eingeredet, wir super wir sind“, hält Holle kurz inne, „aber in Wahrheit war das Ganze schlecht.“

In geradezu atemberaubender Geschwindigkeit wuchs das Team auf 70 Personen: „Ich habe alle Leute angestellt, die ich kannte. Und: Wir haben alle klassischen Fehler durchdekliniert – inklusive Fünf-Jahres-Vertrag für 1.000 Quadratmeter.“ Ein Jahr lang ging alles gut und Holles Unternehmen betreute Marken wie das Time Magazine oder den Guardian. Die bezahlten zwar wenig, befeuerten das Erfolgsgefühl der Gründer aber weiter. „Wir waren geblendet von unserem Erfolg“, rekapituliert Holle heute. „Hätten unsere Investoren damals erkannt, was wir wirklich brauchen, hätten wir eine echte Chance gehabt.“ Die folgenden zweieinhalb Jahre waren dann ein einziger Überlebenskampf. Überlebt hat das Unternehmen schließlich mit der Entwicklung eines Online-Stores für mobilen Content für Ericsson, was 3United möglich machte.

Mit dem Verkauf an Verisign ging es dann auch ins Silicon Valley. Zwei Jahre verbrachte Holle dort, um die Unternehmensintegration abzuwickeln. Das 3United-Headquarter bleibt aber Wien – und wächst weiter. 2008 war dann Schluss mit den USA: Verisign trennte sich damals von seiner mobilen Sparte, 3United wurde an einen niederösterreichischen Investor verkauft und Holle kehrte 2009 nach Österreich zurück. „Mein Kernteam habe ich mitgenommen – wir waren ein bisschen wie eine Schicksalsgemeinschaft. Wir wussten, dass wir mit Start-ups arbeiten, aber nicht mehr so stark ins Operative gehen wollen“, so Holle.

Die Idee, auf die Investorenseite zu wechseln, keimte zum damaligen Zeitpunkt nicht zum ersten Mal auf. Allerdings sollte es sich von dem, was er als Start-up-Unternehmer selbst erfahren hatte, unterscheiden. „Mit Sysis konnten wir uns selbst und der Investor uns nicht helfen. Wir Gründer haben uns eigentlich nie die Wahrheit gesagt. Für die Aufsichtsratssitzungen wurden schöne Folien vorbereitet und das gesagt, was das Gegenüber hören wollte. Und dann ging man zurück in sein Büro, um sein Ding zu machen.“ So weit weg wollte er als Investor nicht von seinen Start-ups sein. „Das war eigentlich Zynismus von beiden Seiten.“

The Merger wurde gegründet – mit der Grundidee, kleinere Start-ups zu fusionieren und zu einem schlagkräftigeren Größeren zu machen. Nebenbei beriet man Start-ups für Equity – bei Runtastic zum Beispiel. „Es hat Spaß gemacht, brachte uns aber zu der Conclusio, dass es ohne Kapital nicht funktioniert. Wir haben uns also aufs Fundraising konzentriert – und waren dafür auch in den USA unterwegs.“ Am eigenen Leib hat Holle die „sehr logische Erfahrung gemacht, dass kein amerikanisches Unternehmen in ein ganz frühphasiges Start-up investiert.“

Und erneut: Learning by Doing. Ende 2010 versuchte die Wiener Schicksalsgemeinschaft, einen Venture-Fonds aufzustellen. Holle: „Wir hatten zwar unternehmerische Erfahrung, aber keiner von uns war ein Banker. Und auch ich habe keine Ahnung gehabt, wie man Risikokapital-Investments eigentlich macht.“ Nachsatz: „Woher auch?“ Nach einer intensiven Phase des Austauschs mit Gamma-Capital-Partners-Gründer Klaus Matzka entstand das Konzept zu Speedinvest. Womit wir wieder am Anfang dieser Geschichte, dem VC-Fonds „Speedinvest 1“ angekommen wären.

Hitbox, der siebte Exit der Investorengruppe, wurde noch aus diesem Fonds finanziert. Und auch der Online-Flohmarkt Shpock war unter den ersten „Glücksfällen“, so Holle. Der erste Fonds performte gut, rasch zahlte man die Investorengelder zurück, und langsam stieg auch das öffentliche Interesse. Bis der nächste Fonds „Speedinvest 2“ an den Start ging, war es also nur noch eine Frage der Zeit. 2015 war es dann so weit. Ursprünglich sollten es nur 50 Millionen € sein. Beim ersten Closing kam der Fonds dann auf 58 Millionen €, beim zweiten auf knappe 90 Millionen €. „Diese 90 Millionen € waren leichter eingesammelt als die zehn für unseren ersten Fonds. Und wir hatten endlich eine Größenordnung erreicht, die auch in Europa relevant ist“, so Holle. „Weil“, sagt er mit breitem Grinsen, „wir sind alle wahnsinnig ehrgeizig und sehen heute die Chance, in unserem Bereich eine der beliebtesten Marken zu werden. Das zu sagen wäre vor drei oder vier Jahren absurd gewesen. Da waren wir ein kleiner Fisch.“

Zwölf Partner zählt der VC-Fonds heute, „lauter Alpha-Tierchen mit einer geradezu kindischen Ablehnung gegen Banker und Consultants“. Die Suche nach Kompromissen ist eine ständige und die internen Abstimmungen sind regelmäßig: zweimal die Woche Jour fixe, wo auch die Investmententscheidungen besprochen werden. Und auch diese wurden in drei Cluster aufgeteilt: Fintech, B2B und Consumer. Das Glück sei aber auch, dass die Leute selbstständig arbeiten und ihre Zeit zu 80 Prozent mit ihren Portfolio-Firmen verbringen. Er selbst schaue als CEO zum Schluss noch alles durch, erklärt Holle – dessen Managementstil mit der Performance des Musikers George Clinton verglichen wurde – was ihn sehr belustigt. „Jeder tut ein bisschen das, was er will, aber irgendwie wird alles gut.“ Die gemeinsame Klammer sei das ökonomische Modell, das für alle gleich ist, und die Vision: in der ersten Riege Europas mitzuspielen. Die Umsetzungswege seien aber sehr unterschiedlich.

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Die Nähe der zwölf Partner wird Speedinvest nicht selten vorgeworfen. Holle: „Wir haben hier in Österreich eine außergewöhnliche Situation. Normalerweise sollte es in so einem Land drei bis vier solche Player geben. Es ist nicht unsere Schuld, dass es die anderen nicht gibt. Aber diese Schräglage ist ein Faktum, an dem wir nichts ändern können.“ Klar ist laut Holle aber auch, dass dieser Inner Circle die Szene aufgebaut hat – und dass diese Menschen wegen der guten Bekanntschaft miteinander schnelle Deals machen können. Das sei richtig, so Holle weiter. Und es verhalte sich überall auf der Welt so.

Doch statt sich mit der Diskussion zu befassen, will Holle lieber neue Angebote für Gründer erdenken und initiieren. Aktuell liegen schon weit gediehene Überlegungen im Feld der sektorfokussierten Investments auf dem Tisch. „Es gibt großes Interesse von Unternehmen, in gewissen Sektoren mit uns cozuinvestieren“, erklärt Holle. „Wir haben über die Jahre viel Know-how darüber aufgebaut, wie man Start-ups findet, aufbaut und in sie investiert, wie man Verträge aufsetzt und die Start-ups betreut.“ Dieses Know-how zähle für alle Branchen gleichermaßen.

Wissen, von dem vor allem mittelständische Unternehmen profitieren können, die wiederum in dieser Form des Investierens ihr Sektorwissen einbringen, so Holle zur Grundidee. „Das ist uns im Fintech-Bereich mit Wikifolio gut gelungen – dort haben wir das vertikale, tiefe Branchenwissen mit Stefan Klestil (SI-Partner) dazubekommen. Kurze Zeit später waren wir einer der führenden Fintech-Investoren in Europa. Idealerweise gelingt uns das jetzt auch in anderen Branchen wie Mobility, Insurance oder Media, wo wir unsere Expertise mit dem Branchenwissen und unserem Netzwerk verknüpfen.“ Eine weitere Idee dahinter sei selbstredend, gemeinsam in Europa die besten Projekte zu finden, sich daran zu beteiligen und die Start-ups bestmöglich zu unterstützen. Dass mittelfristig ein Corporate ein solches Start-up kaufen kann, ist naheliegend und möglich, sollte aber nicht von Anfang an in den Verträgen stehen. „Das wäre sonst eine negative Selektion. Die wirklich guten Gründer würden nämlich nie einen Strategen in der frühen Phase mit an Bord holen. Damit würden sie sich von Beginn an determinieren“, so Holle. Noch in diesem Jahr soll dieser Corporate-Fonds starten. Drei Branchen sollen heuer noch angetestet werden.

Mit den VC-Fonds, dem Studio und dem kommenden Corporate-Fonds entwickelt sich Speedinvest zu einem 360-Grad-Dienstleister für Start-ups – „im Nukleus waren wir das immer schon“, sagt Holle. Zu diesem Portfolio gehört auch Speed-invest Heroes, womit Speedinvest die Tür zu Human Resources aufschlägt. Holle: „Das Bedürfnis ist da. Viele Start-ups können sich klassische Recruiter nicht leisten, weil sie zu teuer sind.“ Gleichzeitig ist es aber in der Frühphase wichtig, auch jemand Älteren ins Boot zu holen, der dann auch ins Team passt. Gemeinsam mit Roland Wadl von Qualitas als Joint-Venture-Partner möchte Speedinvest dieses Problem lösen. Ausgegangen ist Heroes, wo auch Hansi Hansmann investierte, von einer „weiteren Intuition“, sagt Holle. „Meine und Hansi Hansmanns Mailbox sind voll mit Bewerbungen für Start-ups. Pro Woche bekomme ich bis zu zehn Bewerbungen von Menschen aus dem Corporate-Bereich, die bei einem Start-up andocken wollen, aber nicht wissen, wie. Diesen aktiven Flow an Kandidaten haben wir bisher eher nebenbei bewältigt. Jetzt aber haben wir ein Team, das diese Bewerbungen strukturiert.“

Es sei schön, so Holle, nun eine Größenordnung erreicht zu haben, in der ein zwar kleines Team – aber immerhin – diesen HR-Bereich für Start-up-Unternehmer auslasten kann. „Damit diese ihre eigene Sache höchst erfolgreich machen können.“

Heidi Aichinger,
Herausgeberin

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