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Mit 30.000 Mitarbeitern in 120 Ländern ist Hilti aus einem Liechtensteiner Familienunternehmen zu einem globalen Konzern geworden. Neben Bohrmaschinen gehören auch kundenorientierte Lösungen und Software zur Produktpalette des Unternehmens. Nun will Hilti diverser, inklusiver und zukunftsfähiger werden. Martin Stein, Personalchef bei Hilti Austria, sowie Sonia Mokdad, General Manager bei Hilti Singapur, im Gespräch über Unternehmenskultur und Diversität in der Technik.
Wie geht es Hilti nach diesem Jahr, was hat man bis jetzt aus der Krise mitnehmen können?
Martin Stein: In Österreich, aber auch global, hat es uns anfangs ziemlich getroffen. Trotzdem konnten wir das Geschäftsjahr 2020 zufriedenstellend abschließen. Es hat sich gezeigt, dass sich eine Unternehmenskultur während der Krise nicht verändern muss, sondern genau dann ihre Stärken zeigen kann.
Sonia Mokdad: Es war mein erstes Jahr als Geschäftsführerin in Singapur und es war eigentlich nichts so wie zuvor. Wir hatten vier Monate lang keinen Umsatz, das hat die Leute natürlich beängstigt. Wir haben uns aber entschieden, keine strukturellen Maßnahmen einzuleiten, und sind am Jahresende zurück bei 100 % des monatlichen Umsatzes gewesen.
Hilti wurde mehrfach als einer der besten multinationalen Arbeitgeber Europas ausgezeichnet. Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?
MS: Eine Mischung aus einer sehr mitarbeiter- und gleichzeitig leistungsorientierten Kultur. Der Job als Führungskraft ist nur dann gut gemacht, wenn einerseits die Geschäftszahlen passen und andererseits auch die Mitarbeitenden zufrieden sind.
Als Teil Ihrer Kultur achten Sie zunehmend auf Gender and Diversity. Wie kam es dazu?
MS: Wir haben erkannt, dass Gedankenvielfalt und Ideenreichtum als Erfolgsfaktoren nicht Nice-to-haves sind, sondern Must-haves. Wir hatten uns für 2020 das Ziel gesetzt, 20 % der Führungspositionen mit Frauen besetzt zu haben – auf globaler Ebene haben wir das erreicht, auf lokaler noch nicht ganz. Wir haben in Relation weniger Bewerberinnen, weil eben weniger Frauen eine technische Ausbildung machen. Das darf aber nicht als Ausrede gelten. Wenn es uns als Unternehmen nicht gelingt, Frauen für unsere Berufsbilder zu begeistern, wird sich das Verhalten von Schülern und Studierenden nicht verändern.
Wie lange wird dieses Ziel schon aktiv verfolgt?
SM: Aktive Kommunikation in diesem Sinne wird seit rund fünf Jahren betrieben. Ich glaube, die Herausforderung bei diesem Thema ist die richtige Kommunikation. Diese muss so gestaltet sein, dass nachhaltig eine Veränderung im Mindset der Führungskräfte und aller Mitarbeitenden stattfindet – und nicht nur, um eine Quote zu erfüllen. Man muss Raum für Gespräche über ungewohnte, eventuell auch unangenehme Themen schaffen und die Entwicklung von Führungskräften fördern.
MS: Diversität darf kein Selbstzweck sein. Das Thema darf nicht nur bearbeitet werden, um divers zu sein, sondern weil man von den Vorteilen der Vielfalt profitieren will. Unterschiede in einem Team aufzugreifen und diese offen zu diskutieren – das muss eine Führungskraft können. Das muss man aber eben lernen, und auch lernen lassen.
Martin Stein & Sonia Mokdad
...Martin Stein ist Head of HR bei Hilti Austria. Sonia Mokdad ist seit dem Jahr 2000 bei Hilti tätig. Seit Jänner 2020 ist sie General Manager für Hilti in Singapur.
Sie sagen, man dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, weil es weniger Bewerbungen von Frauen gibt. Welche konkreten Anreize setzen Sie denn, um die Branche im Allgemeinen und Hilti im Speziellen für Frauen attraktiver zu machen?
SM: Ich muss sagen, ich fühle mich da auch persönlich verantwortlich. Wir haben Studentinnen und Frauen zu einem Tag der offenen Tür eingeladen statt zu einem Bewerbungsprozess. An diesem Tag räumen wir dann mit allen Vorurteilen der Branche auf. Damit kann man vorgefertigte Meinungen entkräften.
MS: Eine Dimension ist sicher, die Kommunikation nach außen möglichst sensibel zu gestalten. Die Bilder und Worte, die wir verwenden, wollen wir möglichst balanciert halten. Das machen wir sowohl über unsere Homepage als auch über unsere Social-Media-Kanäle. Da der Bewerberrücklauf momentan nicht gleichmäßig ist, muss man bestimmte Zielgruppen, etwa junge Frauen, direkt ansprechen. Prinzipiell bin ich kein Fan davon, reine Formate für Frauen zu machen – das erzeugt nur mehr Unterschiede dort, wo es sie vielleicht gar nicht gibt.
Frau Mokdad, Sie sind seit 20 Jahren bei Hilti. Haben Sie das Gefühl, dass sich in der Branche etwas getan hat? Sprich: Wollen mehr Frauen in die Technik?
SM: In die Technik vielleicht nicht; wo ich es aber gemerkt habe, ist der Vertrieb. Vor 20 Jahren wäre eine Verkaufsberaterin eine Attraktion gewesen. Generell gibt es definitiv einen Trend zu mehr Frauen in Führungspositionen.
Wie kann man sich als Unternehmen denn von einem physischen Produkt und seinem Image – das noch so stark mit Männlichkeit verbunden wird – lösen und sich als Marke diverser präsentieren?
SM: Das Produkt steht bei Hilti im Vergleich zu früher weit weniger im Vordergrund. Wir arbeiten sehr viel mit Lösungsansätzen für die Kunden. Diese allein sprechen schon viel mehr Leute an, als wenn es sich nur um die klassische Bohrmaschine dreht.
MS: Die Kernkompetenz beim Vertrieb liegt eben nicht mehr im technischen Know-how, sondern in der Fähigkeit, gut zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen.
Wie nehmen Sie diese Debatte im Vergleich zwischen Singapur und Österreich wahr?
SM: Das Thema ist bei Hilti in Europa schon weiter. In Singapur gehen die Frauen nach drei Monaten Karenz wieder arbeiten – eigentlich müsste man meinen, dass deshalb mehr Frauen in der Berufswelt sind, trotzdem stammen die meisten weiblichen Führungskräfte nicht von hier. Wir arbeiten jetzt gerade daran, dass sich mehr Frauen bei uns bewerben. Da wir Führungskräfte aber intern entwickeln und nicht zukaufen, braucht es Zeit, bis Frauen verstärkt in der Führung vertreten sind.
Wieso ist es Hilti wichtig, die Führungspositionen vorrangig aus den eigenen Reihen zu besetzen?
MS: Einerseits ist es ein Teil unserer DNA, berufliche und persönliche Entwicklung großzuschreiben; andererseits ist es von Vorteil, wenn Mitarbeiter schon in vielen verschiedenen Bereichen tätig waren. Der dritte Aspekt ist die hohe Kundenorientierung bei Hilti: Je länger ein Mitarbeiter oder eine junge Führungskraft im direkten Kundenkontakt gearbeitet hat, desto höher ist auch das Verständnis in diesem Bereich.
Wie sieht das Unternehmen Hilti in der Zukunft idealerweise aus, und was soll es künftig verkörpern?
MS: Ich glaube, dass sich die Vision und die Identität von Hilti nicht verändern müssen. Der Grundgedanke des Gründers Martin Hilti war, einen Ort zu schaffen, wo jeder seinen maximalen Leistungswillen entfalten kann. Das passt auch heute noch wunderbar mit modernen Organisationstheorien zusammen.
SM: Hilti erfindet sich sowieso immer wieder neu. Das ist Teil der Kultur. Wenn dieses Prinzip beibehalten wird, wird das die Veränderung an sich sein. Hilti bleibt Hilti.
Text: Sophie Ströbitzer
Fotos: Hilti Austria, Jeryl Tan
Diese Advoice erschien in unserer Forbes Daily "Wiener Wirtschaft".