here comes the sun

Das Berliner Greentech-Unternehmen Enpal ist in Sachen Solarenergie in Deutschland ganz vorne mit dabei. Vergangenes Jahr konnte das Einhorn von Gründer und CEO Mario Kohle erstmals einen Gewinn erwirtschaften, derzeit macht es erste Gehversuche außerhalb Deutschlands. Der größte Konkurrent dabei? Fossile Brennstoffe.

Der Markt für Solaranlagen boomt. Die durch PV-Anlagen erzeugte Strommenge kletterte vergangenes Jahr von knapp unter 45.000 Gigawattstunden (GWh) 2018 auf 60.800 GWh, rund 10 % der Bruttostromerzeugung. 7,7 Mrd. € wurden 2022 in Solaranlagen investiert, mehr als in jede andere Form der grünen Energieerzeugung. Alleine im ersten Quartal dieses Jahres gingen laut dem Bundesverband Solarwirtschaft in Deutschland 159.000 Anlagen auf Dächern privater Häuser in Betrieb – ein Zuwachs von 146 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022. Und die Politik möchte diesen Trend weiter ankurbeln: Bis 2030 sollen laut Robert Habeck, dem deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, 80 % des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien kommen.

Der Boom wird von einer Gründungswelle an Start-ups begleitet, von der seit 2017 auch Evergreen Teil ist. Heute ist das Start-up von CEO Mario Kohle als Enpal bekannt. Es ist laut Financial Times das am zweitschnellsten wachsende europäische Unternehmen im Sektor Energy and Utilities (also Energie- und Versorgungsunter­nehmen) und das am schnellsten wachsende deutsche Unternehmen auf der Liste.

Das Start-up vermietet Solaranlagen für 20 Jahre um einen fixen monatlichen Betrag, der von diversen Faktoren wie der Dachform oder der Menge der installierten Solarpaneele abhängt. Am Ende der Laufzeit können Mieter die PV-Anlage um einen symbolischen Euro übernehmen. Zusätzlich bietet Enpal auch die Installation von Wallboxes (Ladestationen für Elektroautos) und Wärmepumpen an. „Wir wollten Solarstrom zu einem No-Brainer-Produkt ­machen“, beschreibt Kohle die Mission.

Wolfgang Gründinger ist seit 2021 als Chief Evangelist eine Art Außenminister bei Enpal.

Bereits 2021 wurde sein ­Unternehmen im Zuge einer Finanzierungsrunde mit 950 Mio. € (damals rund 1,1 Mrd. US-$) be­wertet und stieg somit zum Einhorn auf. 2022 vervierfachte sich der Umsatz auf 415 Mio. €, das Unternehmen schrieb mit einem EBITDA von 23 Mio. € erstmals einen Gewinn. Anfang dieses Jahres konnte das Start-up seine Bewertung in einer von TPG Rise Climate sowie Softbanks Vision Fund 2 angeführten Finanzierungsrunde nochmals auf 2,25 Mrd. € ver­doppeln.

„Enpals Erfolg und schnelles Wachstum in Deutschland versetzen das Unternehmen in eine hervor­ragende Position, um neue Märkte, Produkte und Dienstleistungen zu erschließen“, sagte Edward Beckley, Senior Member des Investment-Teams von TPG Rise Climate, zu dem Zeitpunkt in einer Presse­meldung. Doch mit einem Solar­unternehmen zu expandieren ist nicht einfach: Es braucht unzählige Monteure und die Installation ist bei jedem Haus anders, abhängig von der Dachform und den Zugangsmöglichkeiten. Zudem ist Enpal stark von asiatischen Herstellern abhängig – das Unternehmen bezieht seine PV-­Anlagen und deren Komponenten vor allem aus China. Das könnte zu einem Problem werden, sollte der Handelskrieg zwischen dem Westen und China intensiver werden. Wie also möchte Kohle diese Herausforderungen
in Angriff nehmen?

Kohle plante eigentlich, Journalismus zu studieren, dann Jura. Letztendlich entschied er sich für Betriebswirtschaftslehre. 2008 schloss er seinen Bachelor ab und gründete im selben Jahr mit seinem Studienkollegen Robin Behlau Beko Käuferportal (heute Aroundhome), eine Firma, die Privatpersonen hilft, die richtigen Produkte und Dienstleistungen für Projekte im eigenen Haus (etwa einen Ausbau) zu finden. 2016 verkaufte der damals 32-Jährige das Unternehmen für 100 Mio. € an Pro Sieben Sat.1 und General Atlantic.

Lange blieb Kohle auf dem Geld nicht sitzen. Gemeinsam mit Viktor Wingert (heute CFO) und Jochen Ziervogel (Head of Partner Management) gründete er 2017 Enpal, damals noch Evergreen. Anfangs versuchten die Gründer noch, Solaranlagen zu verkaufen, doch schon bald merkten sie, dass ein Mietmodell besser passte. „Wir haben damals in Umfragen gesehen, dass sich sehr viele Menschen eine Solaranlage anschaffen wollen, aber nur wenige es auch tun“, so Kohle, „und dann kamen wir zu dem Schluss, dass der Prozess für die meisten einfach zu kompliziert war.“

Enpals Solaranlagen kommen aus Asien, die meisten davon aus China.

Mit dem neuen Mietmodell möchte Enpal es Kunden möglichst einfach machen, eine PV-Anlage aufs Dach zu bekommen. Kohles Unternehmen kümmert sich um so gut wie alles, angefangen bei der Anschaffung der Komponenten über die Installation – die über einen der rund 100 Partner oder über die hauseigene Enpal Montage GmbH erfolgt – bis hin zum Anschluss der Anlage ans Netz. Außerdem sind im Mietpreis auch Wartung und Versicherung der Anlage und ein Ersatz-Wechselrichter (ein Gerät, das Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt, damit der erzeugte Strom auch genutzt werden kann) inkludiert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einen Strom­speicher und eine Wallbox für Elektroautos zu installieren. „Fast alle unsere Kunden nehmen den Stromspeicher dazu und rund 50 % entscheiden sich auch für die Wallbox – auch viele, die noch kein E-Auto besitzen, aber sich in den nächsten Jahren eines kaufen wollen“, sagt Wolfgang Gründinger, Chief Evangelist bei Enpal.

Die Anschaffung der Anlagen finanziert Enpal über Bankkredite. Die Idee: Als Unternehmen kann
das Start-up billigere Kredite und bessere Serviceverträge verhandeln als Privatpersonen und die verschiedenen Komponenten in größeren Mengen, also kosten­günstiger, anschaffen.

Das Mieten einer Solaranlage ist auf den ersten Blick deutlich teurer als der Kauf. Eine Solaranlage für ein durchschnittlich großes deutsches Einfamilienhaus mit einer Dachfläche von 100 m2 kostet in­klusive Speicher um die 30.000 €. Verbraucherzentralen raten außerdem, 180 bis 200 € im Jahr für Wartung und Reparatur einzuplanen. Auf 20 Jahre hochgerechnet bedeutet das Kosten von bis zu 34.000 €. Enpals Kunden hingegen zahlen im Durchschnitt 230 € pro Monat, bei der Laufzeit von 20 Jahren also insgesamt 55.200 €. Kohle wird bei dem Thema emotional, ihm wird die Frage des hohen Preises oft gestellt: „Bei solchen Vergleichen werden unsere Zusatzservices oft nicht berücksichtigt. Es werden Äpfel mit Obstkörben verglichen“, so der Enpal-Gründer. Zwar sei der Preis bei Enpal insgesamt höher, doch mit inbegriffen seien der Austausch und die Wartung von Komponenten, eine Software für das Energiemanagement und eine Versicherung der Anlage.

Beim Mieten sind also das Risiko und der Aufwand geringer als bei einem Kauf, und Kunden müssen keine große Investition tätigen, die Kosten verteilen sich eben über Jahre. Dass der lange Mietvertrag sehr unflexibel ist, gibt Kohle jedoch zu, weshalb man bei Enpal mittlerweile wieder PV-Anlagen kaufen kann. Als direkte Konkurrenten sieht der Deutsche die anderen Solaranbieter aber ohnehin nicht: „Unsere primäre Konkurrenz sind Strom-, Gas- und Benzinanbieter. Wenn ich eine Solaranlage auf dem Dach, eine Wärmepumpe im Keller und ein Elektroauto in der Garage habe, spare ich eine Menge Geld.“ Und natürlich ist Strom, der aus So­lar­energie erzeugt wird, nachhaltiger als der aus fossilen Brennstoffen.

Um einen Player kommt in der Solarbranche aber niemand herum: Unter den zehn größten Solarzellenherstellern nach Gigawatt-Absatz weltweit kommen sieben aus China. Enpal bezieht viele seiner Komponenten von Longi, der Nummer vier aus dem Ranking der globalen Anbieter. Doch die angespannte ­geopolitische Lage zwischen China und dem Westen stellt für viele Unternehmen ein Risiko dar – auch für Enpal, trotz seiner guten Beziehungen zu seinen chinesischen Lieferanten. „Wir haben mit unseren asiatischen Zulieferern sehr enge Beziehungen aufgebaut, was strategisch eine sehr gute Entscheidung war“, sagt Kohle; das sei der Grund gewesen, weshalb Enpal die boomende Nachfrage besser als viele Mitbewerber bedienen konnte. Doch auch er gibt nach ein wenig Nachfragen zu: „Natürlich sind wir dabei, unsere Lieferketten zu diversifizieren. Gleichzeitig möchte ich aber nochmals sagen, dass wir mit unseren chinesischen Partnern echt gute Bindungen aufgebaut haben. Wir sprechen natürlich auch mit ihnen über dieses Thema.“

Anfang dieses Jahres ver­kündete Enpal, dass das Team in einer Series-D-Finanzierungsrunde 215 Mio. € aufgenommen hat. Mit dem Kapital möchte das Unternehmen expandieren, wie Kohle sagt; in Italien und Südafrika starten bereits erste Gehversuche. „Wir arbeiten immer nach dem Motto ‚Kriechen, gehen, rennen‘. Zuerst tasten wir uns langsam voran, damit wir lernen, wie die lokalen Gegebenheiten sind und wie die Dächer aussehen. So können wir später Vollgas geben“, sagt Kohle.

Was ist neben einer Inter­nationalisierung und einem mög­lichen Börsengang sonst noch geplant? Im Jahr 2030 sollen eine Million Systeme installiert werden. Aktuell verbaut Enpal rund 3.000 im Monat, diese Rate müsste bis 2030 also fast um den Faktor 30 steigen. Kohle gibt sich aber selbstbewusst: „Eigentlich ist der Plan seit sieben Jahren derselbe: auf möglichst viele Dächer Solaranlagen bringen.“

Mario Kohle studierte von 2005 bis 2008 Betriebswirtschaftslehre an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Noch während seines Studiums gründete er die Vertriebs­plattform Beko Käuferportal, die er 2016 verkaufte. Seit 2017 ist der heute 39-Jährige Gründer und CEO von Enpal.

Fotos: beigestellt

Erik Fleischmann,
Redakteur

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