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Katharina List-Nagl, CEO von F/LIST und Ingrid Rattinger, Managing-Partner-Talent bei EY, diskutierten, was Mitarbeiter wollen, was sie brauchen und wie sich Unternehmen diesbezüglich für die Zukunft rüsten müssen.
Frau List-Nagl, Sie sind vor 15 Jahren bei F/LIST eingestiegen, seit 2009 Teil der Führungsriege und haben 2017 das Amt des CEO von Ihrem Vater übernommen. Seit Ihrem Einstieg hat sich der Umsatz von acht Millionen € auf 91 Millionen € mehr als verzehnfacht. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
KLN: Ausschlaggebend für unser Wachstum war der Einstieg in die Luftfahrtindustrie: Als ich 2004 ins Unternehmen gekommen bin, lag unsere Haupttätigkeit in der Ausstattung von Yachten und Kreuzfahrtschiffen. Wir hatten wenige Aufträge und das Unternehmen machte gerade eine Krise durch. Da wir damals auch Möbel für den Außenbereich entwickelt haben, beschäftigten wir uns ständig mit neuen Materialien, und so hatten wir plötzlich Leichtbaumöbel, die auch für die Luftfahrt geeignet waren. Nach mehreren Gesprächen erhielten wir dann einen ersten Auftrag für 400 Jets von FACC. Das war der Beginn eines völlig neuen Geschäftszweigs, der heute 75 % unseres Umsatzes ausmacht. Mittlerweile produzieren wir nicht mehr nur Möbel, sondern die gesamte Kabine der Flugzeuge. Die Schifffahrt ist heute nur mehr für 20 % des Umsatzes verantwortlich, Residenzen gerade einmal für 5 %.
Nun beschäftigen Sie heute 850 Mitarbeiter an acht Standorten weltweit. Welche Herausforderungen ergaben sich beim Aufbau dieser Mitarbeiterzahl?
KLN: Man muss dazusagen, dass 750 Mitarbeiter hier im Headquarter in Thomasberg beschäftigt sind. Eine Herausforderung war insbesondere, die notwendige Anzahl von Mitarbeitern mit den benötigten Qualifikationen zu bekommen. Ein Mangel an Personal ist sicher der Faktor, der unser Wachstum am meisten limitiert. Eine weitere Herausforderung im Zuge des internationalen Wachstums war es, unsere familiäre Betriebskultur zu erhalten.
IR: Ausreichend Personal zu finden und dieses dann auch im Unternehmen zu halten wird tatsächlich immer schwieriger. Das trifft auch auf EY als Prüfungs- und Beratungsorganisation zu. Unser aktuelles Mittelstandsbarometer zeigt, dass ein Mangel an guten Mitarbeitern viele Unternehmen am Wachstum hindert. Über die Jahre wird dieses Phänomen laut Prognose sogar noch weiter zunehmen. Daher betreiben immer mehr Unternehmen Employer-Branding und versuchen, neue Talente für sich zu begeistern.
Der „EY Entrepreneur Of The Year“ (EOY)
... wird von der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY als größter Unternehmerpreis der Welt in über 60 Ländern an herausragende Unternehmerpersönlichkeiten vergeben. In Österreich wird der Preis in den Kategorien „Social Entrepreneur“, „Handel & Dienstleistungen“, „Start-ups“ und „Industrie & Hightech“ verliehen. Die Sieger werden bei einer feierlichen Gala am 18. Oktober 2019 in der Wiener Hofburg gekürt. Weitere Informationen finden Sie unter www.eoy.at.
Frau List-Nagl, inwiefern setzen Sie auf Employer-Branding? Welche Wirkung erzielen Sie dadurch?
KLN: Seit wir vor einigen Jahren begonnen haben, unsere zahlreichen Benefits für Mitarbeiter auf Social Media zu kommunizieren, sind wir in der Lage, den Personalbedarf gut zu decken. Davor hatten wir allerdings große Schwierigkeiten, genügend zu finden. Wir versuchen immer schon, jedes Jahr zehn Lehrlinge aufzunehmen, und bis vor einigen Jahren fanden wir mit Ach und Krach sieben bis acht. Dabei bekommen sie bei uns viele Vorteile, die andere Unternehmen nicht bieten, wie etwa Englisch-Trainings, Social Trainings oder sogar ein internationales Austauschprogramm. Seit wir all das kommunizieren, ist die Suche viel leichter geworden. Es geht also wirklich immer mehr darum, wie sich ein Unternehmen nach außen hin präsentiert.
Und wie sieht dies innerhalb Ihres Unternehmens aus? Sprich: Welche Art Betriebskultur leben Sie – und wie erhält man diese in Zeiten des Wachstums?
KLN: Wir versuchen, an jedem Standort eine Summe von Maßnahmen zu etablieren. Der Großteil spielt sich natürlich hier in Thomasberg ab und reicht von einem vierteljährlichen Mitarbeiterfrühstück bis hin zu Teambuilding-Workshops für unsere Lehrlinge. Wir kennen jeden Mitarbeiter und erklären auch jedem, worauf es bei uns ankommt. Wir brauchen nicht die besten Einzelspieler, sondern das beste Team. Ich sage auch immer, dass jeder gleich wichtig ist, denn ein jeder Mitarbeiter leistet einen gleichwertigen Beitrag zum Erfolg des gesamten Unternehmens.
IR: Eine Kultur kann nicht von oben herab nur vorgegeben werden, sie muss gelebt werden. Das bringt ein Wir-Gefühl mit sich, das die Leute motiviert, gemeinsam etwas voranzutreiben.
Frau Rattinger, Sie sind seit über 25 Jahren bei EY tätig. Welche Faktoren haben Sie dazu motiviert, im Unternehmen zu bleiben?
IR: Auf der einen Seite hatte ich immer spannende Herausforderungen zu bewältigen, auf der anderen Seite war es auch der Teamgeist. Während meines gesamten Berufslebens habe ich immer sehr viele Möglichkeiten bekommen, mich weiterzuentwickeln. Auch, als ich meine zwei Kinder bekommen habe, ist meine Karriere nicht stehen geblieben. Deswegen bin ich immer noch dort und bin nach wie vor sehr zufrieden.
Wir setzen auf Offenheit für Neues und Weiterbildung – ansonsten hat man als Unternehmen irgendwann Produkte, die nicht mehr konkurrenzfähig sind.
Welche Erfahrungen haben Sie bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gemacht?
IR: Prinzipiell muss jeder für sich überlegen, was das Beste ist. Für mich hatte der Beruf immer einen hohen Stellenwert. Ich habe zwei Kinder, war aber nicht in Karenz. Daher habe ich alles immer so organisiert, dass sich das gut verbinden lässt. Aber es ist natürlich auch wichtig, dass das Unternehmen flexibel ist. Es braucht diesbezüglich flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle.
KLN: Meine Erfahrung ist ähnlich. Ich habe ebenso zwei Kinder, brauche aber einfach auch diese berufliche Herausforderung. Das sage ich auch meinen Kindern und versuche, ein Vorbild zu sein. Ohne familiären Rückhalt und Nanny würde das System aber nicht funktionieren. Mein Mann und ich teilen uns die Betreuung 50:50, und eine Zeit lang hat er auch 40 Stunden von Montag bis Donnerstag gearbeitet und war am Freitag zu Hause. Ansonsten versuchen wir bei F/LIST, jungen Eltern möglichst viel Flexibilität zu bieten. Ich habe absolutes Vertrauen in Jungmütter, die Karriere machen wollen. Damit habe ich nur gute Erfahrungen gemacht.
Diese Schwierigkeiten betreffen sehr oft Frauen. Wie steht es, abgesehen von den familiären Aspekten, um die Frauen im Arbeitsmarkt?
IR: Es ist leider immer noch so, dass in Österreich und auch in Deutschland vier von fünf Unternehmen zur Gänze von Männern geführt werden. In den Vorstandsebenen sind Frauen nach wie vor die Ausnahme, bei den Aufsichtsräten sieht es durch die verpflichtende Genderquote von 30 % mittlerweile besser aus. Hier gibt es einfach wahnsinnig viel Aufholbedarf. Je höher die Managementebene ist, umso niedriger wird der Frauenanteil, und da muss man, denke ich, ganz massiv Frauen fördern. Ganz generell funktionieren diverse Teams am besten – divers nicht nur, was das Geschlecht betrifft, sondern auch die Nationalität, denn unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Sichtweisen.
KLN: Bei uns ist es so, dass diejenigen den Job ausüben, die dafür auch am besten geeignet sind, und da sind sehr viele Frauen dabei. Ich glaube aber, dass viele Frauen ein entscheidendes Problem haben: Wenn es darauf ankommt, können sie sich nicht so selbstbewusst präsentieren, wie das oft bei Männern der Fall ist. Auch ich selbst stehe nicht gerne im Rampenlicht, wenn ich weiß, dass die Leistung eigentlich mein Team erbracht hat. Diese Unsicherheit muss man aber überwinden.
Unternehmenskennzahlen
(Quelle: F/LIST)
Ein zentrales Thema auf dem Arbeitsmarkt sind im Moment Automatisierung und Digitalisierung. Inwiefern hat die technologische Entwicklung die Anforderungen an Ihre Mitarbeiter verändert?
KLN: Ganz stark. Früher hat es gereicht, Tischler zu sein – heute benötigt es viel mehr Wissen. Die Anforderungen nehmen zu. Wir setzen auf Offenheit für Neues und Weiterbildung. Ansonsten hat man als Unternehmen irgendwann Produkte, die nicht mehr konkurrenzfähig sind. Dazu überlegen wir rund um die Uhr, wie wir Prozesse automatisieren und vereinfachen können. Dabei ist unser Ziel aber nie, einen Mitarbeiter nicht mehr zu benötigen, sondern dessen Arbeit schlichtweg zu erleichtern.
IR: Durch Automatisierung und Digitalisierung entsteht eine immense Herausforderung, denn gerade in diesen Bereichen – Big Data, Robotics und AI – gibt es viel zu wenig Fachkräfte. Viele Arbeitnehmer haben auch Angst vor der Veränderung. Diese Unsicherheit muss man adressieren. Man muss erklären, dass Automatisierung nicht heißt, dass alle ihren Job verlieren. Repetitive Aufgaben, die vielleicht ohnehin niemand gerne macht, werden künftig zwar Maschinen erfüllen, aber dafür können wir uns auf andere Dinge konzentrieren. Selbstverständlich bedeutet das auch, dass Mitarbeiter neue Fähigkeiten benötigen. Insbesondere erfahrenen, älteren Mitarbeitern muss man hier die Angst nehmen und sie in diese neue Welt führen.
Ein umgekehrter Blick: Wie haben sich die Ansprüche der Mitarbeiter an das Unternehmen über die Jahre verändert?
KLN: So wie die Kundenansprüche steigen auch Ansprüche der Mitarbeiter. Bei Bewerbern habe ich oft das Gefühl, dass deren Selbstbewusstsein massiv gestiegen ist. Viele haben nicht mehr die Geduld, sich dorthin zu entwickeln, wo man eine Zukunft für sie sieht. Diese Mitarbeiter trotzdem zu begeistern und ihnen den Weg zu zeigen, das ist eine Herausforderung.
Text: David Hanny
Fotos: Sebastian Gansrigler