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Mit fünf Millionen Kunden hat N26 sein Wachstumspotenzial bereits bewiesen. Als Chief Growth Officer soll nun Alex Weber, Vertrauter der Gründer und „Forbes Under 30“-Listmaker, das Fintech in neue Dimensionen heben.
Mit seiner Bewertung von 3,5 Milliarden US-$ ist N26 aktuell das am höchsten bewertete Start-up Deutschlands. Möglich gemacht hat das vor allem ein rasantes Wachstum, das die mobile Bank seit dem Start 2015 hingelegt hat. Im Januar 2020 verkündete das Start-up, die Fünf-Millionen-Kunden-Schwelle überschritten zu haben – mehr als eine Verdoppelung innerhalb der letzten zwölf Monate. Doch der Erfolg ist nur ein Zwischenschritt auf dem Weg, die eigene Vision der globalen mobilen Bank umzusetzen: Quantitative Ziele äußert N26 ungern, immer wieder hört man aber, dass das Unternehmen mittelfristig 100 Millionen Kunden haben will. Um in diese Dimensionen vorzudringen, mussten die beiden Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal das Thema „Growth“ strategisch besetzen. Sie entschieden sich für eine Wahl, die auf den ersten Blick vielleicht überraschend ist, auf den zweiten aber durchaus Vorteile hat: Alex Weber. Mit seinen 27 Jahren ist die Rolle als Chief Growth Officer die erste C-Level-Station für Weber, Erfahrung im Management großer Strukturen hat er lediglich bei N26 gesammelt.
Doch Weber, der es 2018 auf die „Forbes 30 Under 30“-Liste schaffte, kennt das Unternehmen wie kaum ein Zweiter. 2014 als Praktikant an Bord gekommen, leitete er für das Start-up strategisch hochrelevante Projekte, etwa die Erlangung einer europäischen Banklizenz oder die internationale Expansion. Der Österreicher wuchs sozusagen mit der jeweiligen Aufgabe mit. Zuletzt als Director of International Expansion tätig, übernimmt Weber neben der Verantwortung für die europäischen Länderteams auch alle globalen Marketingaktivitäten des Unternehmens. Und obwohl er zugibt, dass seine Lernkurve in den ersten vier Monaten steil war, sagt er auch: „Ich habe nie an mir gezweifelt.“ Das eigene Ziel formuliert Weber in der Unternehmenssprache Englisch: „To fuel sustainable growth and build a world-class team.“
Alex Weber
... studierte BWL in Wien und Sydney. 2014 kam er als Praktikant zu N26. Er leitete anschließend strategische Projekte (u.a. die Erlangung der Banklizenz), übernahm dann die Verantwortung für internationale Märkte und die Internationale Expansion. Im September 2019 wurde der 27-Jährige zum Chief Growth Officer ernannt.
Der neue CGO bei N26 muss mehrere Fokusthemen vereinen, etwa die Expansion in neue Märkte, wobei vor allem die USA zunehmend relevant sein werden. Die US-Operation untersteht Weber zwar nicht direkt, durch die Marketinganstrengungen in Übersee wird das Thema aber auch für das Growth-Team ein großes sein. Nicht weniger wichtig ist jedoch, das Wachstum in den bestehenden Märkten anzukurbeln, darunter etwa Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien. Und Weber muss – damit zusammenhängend – die Aktivität bestehender Kunden steigern. Denn Geld verdient das Start-up nur dann, wenn die Kunden das Produkt auch aktiv nutzen. Und letztendlich hilft alles Wachstum nichts, wenn unter dem Strich kein funktionierendes Geschäftsmodell steht.
Bei einem Event im Oktober 2019 verkündete Mitgründer Valentin Stalf, dass N26 rund 10.000 neue Kunden pro Tag gewinnt. Insgesamt stieg die Zahl der Neukunden bei N26 im Vorjahr um rund 2,7 Millionen auf insgesamt fünf Millionen Kunden (rund die Hälfte des Wachstums war dabei organisch). Das Unternehmen definiert diese Kundenzahl als all jene Nutzer, die den Anmeldeprozess erfolgreich durchschritten haben. Eine Einzahlung auf das Konto ist nicht nötig. Aus den Zahlen für 2019 zeigt sich, dass netto rund 7.400 Kunden pro Tag neu hinzukamen. Die von Medien angestellte Rechnung, wonach somit rund 2.600 Kunden N26 pro Tag auch wieder verlassen, will Weber nicht näher kommentieren. Nur so viel: „Natürlich verlassen uns auch Kunden und die Zahl steigt absolut gesehen bei zunehmendem Wachstum an. Wichtig ist jedoch, dass das Verhältnis zum absoluten Wachstum gleichbleibend niedrig ist und wir die Gründe verstehen, warum uns jemand verlässt.“
Die sind laut Weber neben regulatorischen Details vor allem auch auf die Situation der jeweiligen Bankenlandschaft zurückzuführen. Grundsätzlich gilt: Je konsolidierter ein Bankenmarkt, desto größer die Chance für neue Player wie N26; Ausnahmen, etwa Deutschland, bestätigen die Regel. In den USA, wo zuletzt 250.000 Kunden erreicht wurden, zeigt sich, dass auch das Produkt entscheidend ist. „Wir hatten einen sehr guten Start in den USA, aber wir haben gesehen, dass das Verhältnis von Anmeldungen zu Aktivierungen geringer war als in Europa. Das lag daran, dass der Prozess, Geld auf das Konto zu überweisen, in den USA komplexer ist“, sagt Weber. Sobald diese Schwierigkeiten behoben sind, will er stärker ins Marketing investieren. Denn: „Wenn US-Kunden erst mal aktiv werden, dann sind sie sehr aktiv.“
Dass Weber die Aktivität neben dem absoluten Wachstum als Priorität ansieht, ist angesichts des Geschäftsmodells nicht verwunderlich. Denn Kunden, die die von N26 angebotenen Dienste aktiv nutzen oder eines der kostenpflichtigen Premiumkonten besitzen, bringen dem Unternehmen Geld. Und obwohl N26 laut Gründer Stalf „mit jedem Kunden Geld verdient“, sind Kunden, die nur das kostenlose Girokonto nutzen, nicht lukrativ. Weber: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Aktivitätslevel unserer Bestandskunden in allen Kernmärkten zu erhöhen.“
„Wir wollen uns stark darauf fokussieren, in den europäischen Kernmärkten die Zahl unserer aktiven Kunden zu steigern.“
Aus Webers Kindheit, die er in seiner Heimatstadt Wien verbrachte, lässt sich sein späterer Karriereweg nicht unbedingt ablesen. Sein Vater war Wissenschaftler am Atominstitut der Technischen Universität Wien, widmete sich in späteren Jahren jedoch eher dem Management als Forschung oder Lehre. Webers Mutter ist Pianistin; sie stammt aus Neuseeland, kam zum Studium aber nach Wien und verließ die Stadt nie wieder.
Weber, der in seiner Jugend Leistungsschwimmer war, studierte dennoch Betriebswirtschaft. Der unternehmerische Funke sprang aber erst über, als er ein Auslandssemester in Sydney absolvierte. Dort waren zahlreiche Studienkollegen, die mit Anfang 20 neben dem Studium ihr Start-up hochzogen. „Diese Menschen brannten für ihr Unternehmen. Das war ein Aha-Moment für mich.“ Zurück in Wien erfuhr Weber über den Freund einer Freundin von der Möglichkeit, beim N26-Vorläufer Papayer in Berlin anzuheuern. Weber startete am 1. September 2014 – einen Tag, nachdem Stalf und Tayenthal sich entschieden hatten, den Dienst zu beenden. „Meine erste Aufgabe war es, die Beta-Kunden anzurufen und sie über die Einstellung des Dienstes zu informieren.“
Weber war als „Entrepreneur in Residence“ für verschiedenste Projekte zuständig, zu Beginn etwa den Aufbau des Kundenservice. „Es lag damals ein Telefon auf dem Tisch, das dann läutete, wenn sich alle paar Tage ein Kunde mit Fragen meldeten.“ Weber machte den Bereich zunehmend skalierbar, arbeitete zudem viel im Bereich Operations, wo er etwa die Partnerschaft mit der Wirecard Bank betreute, mit der N26 zu Beginn kooperierte. Als 2015 dann die Entscheidung getroffen wurde, sich für eine eigene europäische Banklizenz zu bewerben, übernahm Weber die Projektleitung; im Juli 2016 durfte sich N26 dann offiziell als Bank bezeichnen. Der nächste Schritt: Expansion. „Wir hatten eine europäische Lizenz, waren aber erst in Deutschland und Österreich aktiv. Der nächste logische Schritt war es also, die Internationalisierung zu starten.“ Weber kümmerte sich um die Expansion, heute ist das Unternehmen in 26 Märkten – neben einigen in Kontinentaleuropa auch in Großbritannien, den USA und Brasilien – tätig. Büros betreibt N26 neben dem Hauptsitz in Berlin heute auch in Wien, Barcelona, New York und São Paulo. Seit September 2019 ist Weber als CGO tätig.
Kundenwachstum N26
(Quelle: Unternehmensangaben)
Mit den britischen Banken Revolut, Monzo oder Starling, dem brasilianischen Platzhirsch Nubank sowie einigen Neobanken in den USA hat N26 einiges an Konkurrenz im Kampf um die Kunden. Umso wichtiger wird es sein, nachhaltiges Wachstum zu organisieren, die bestehenden Kunden mit neuen Produkten und Qualitätsverbesserungen bei Laune zu halten und den Eintritt in neue Märkte ordentlich zu nutzen. Webers unternehmerischen Drive haben die fünf Jahre bei N26 indes eher befeuert als gedämpft. Als klares Ziel für die Zukunft formuliert er, irgendwann selbst als Gründer tätig zu sein: „Obwohl das vielleicht zu spitz formuliert ist: Ich möchte relevante gesellschaftliche Probleme mithilfe von unternehmerischem Tun lösen.“ Die Basis für diese Tätigkeit hat sich Weber mit seiner Tätigkeit bei N26 bereits geschaffen, ist er am Unternehmen doch seit Beginn virtuell, seit seiner Beföderung zum CGO auch tatsächlich beteiligt.
Das sei, so Weber, aber alles noch Zukunftsmusik. Denn zuerst will er N26 helfen, weiter rasant zu wachsen. „Wir sind erst in den Startlöchern und haben noch viel vor.“
Text: Klaus Fiala
Foto: Jasmin Schuller
Der Artikel ist in unserer Jänner-Ausgabe 2020 „Radical Change“ erschienen.