Großer Gewinn zum kleinen Preis

Schnell wachsend, profitabel und mehrheitlich in Gründerhand: Das Wiener Start-up Bitpanda ist äußerst ungewöhnlich. Der Kryptoboom ermöglichte dem Fintech eine komfortable Position, aus der die Gründer Eric Demuth und Paul Klanschek nun den nächsten Schritt machen wollen: Mit 52 Millionen US-$ von namhaften Investoren wollen sie ihre Handelsplattform nutzen, um neue und alte Finanzwelt zu verschmelzen.

Ende 2016 war es vorbei mit dem Dornröschenschlaf: Schritt für Schritt stieg der Preis der Kryptowährung Bitcoin von rund 770 US-$ an, bis der Aufwärtstrend Mitte 2017 dann explodierte – ab August vervierfachte sich der schon massiv gestiege­ne Preis, bevor er Mitte Dezember 2017 sein vorläufiges Rekordhoch von 18.984,77 US-$ erreichte. Bitcoin – und andere Kryptowährungen – waren in allen Medien, Banken beschäftigten sich intensiv mit den neuen ­Zahlungsmitteln, Privat­anleger wurden auf die Assetklasse aufmerksam. Das ­Wiener Fintech Bitpanda zählte Ende 2016 bereits 50.000 Kunden, hatte aber erst sechs Mitarbeiter – darunter die drei Gründer Eric Demuth, Paul Klanschek (jeweils Co-CEOs) und Christian Trummer (CTO). Mit dem Bitcoin-Preisanstieg explodierte bei Bitpanda die Nachfrage: Das Transaktionsvolumen stieg, das Team wuchs – wie auch der Druck auf die Gründer: „Wir haben vier Monate quasi nicht geschlafen“, sagt Eric Demuth über die damalige Zeit, als wir ihn und Mitgründer Paul Klanschek zum Interview treffen.

Alle Beteiligten waren händeringend ­damit beschäftigt, das System am Laufen zu halten, denn der Umsatz wuchs jeden Monat um 100 %. Um die Nachfrage hoch zu halten und keinen Umsatz ablehnen zu müssen, zahlten sich die Gründer nicht nur kein Gehalt aus, sondern investierten auch jeden Euro in das Start-up. „Das Geld hat sich so schnell gedreht, dass wir ­ständig Liquidität brauchten“, sagt Klanschek (im Bild auf S. 87). Für Bitpanda bewahrheitete sich damals die alte Börsenweisheit, in ­einem Goldrausch statt in die Goldgräber besser in Schaufeln zu investieren: Als Broker profitierte Bitpanda massiv von der Aufmerksamkeit für die eigene Assetklasse – was beim Start-up für rauchende Köpfe, aber klingelnde Kassen sorgte.

Diese vier kurzen Monate sollten letztendlich den Grundstein legen für das, was ­Bitpanda heute ist: das vielleicht vielversprechendste Start-up in Österreich und eines der spannendsten Fintechs Europas. Alleine 2017 erzielte das Unternehmen 15 Millionen € Nettogewinn – im dritten Jahr nach der Gründung und ohne nennenswertes Risikokapital. Auch ist Bitpanda seither massiv gewachsen und profitabel. „Das war schon ein wilder Ritt“, sagt Demuth im Rückblick. Hinzu kommt: Die Gründer halten durch die sprudelnden Gewinne aus 2017 noch immer eine große Mehrheit der Anteile – was das Trio ­mittlerweile zu mehrfachen Millionären machte. Der „Ritt“ ist aber noch lange nicht vorbei, denn ­Bitpanda will sich als führende Plattform für eine neue ­Generation von Anlegern in Europa und ­Asien etablieren – und zwar für Kryptowährungen, Edelmetalle, aber auch Aktien. Um das zu schaffen, wurde nun aber doch externes Kapital eingesammelt (bis dahin waren nur einige wenige Business Angels investiert): In einer der größten Series-A-Runden in Europa im Jahr 2020 sammelte das Unternehmen 52 Millionen US-$ (44 Millionen €) ein. Unter den Investoren finden sich namhafte Fonds wie der von Peter Thiel geführte Valar Ventures, der britische Fonds Hedosophia – die Fonds halten etwa auch 15 bzw. 12 % an der Berliner Digitalbank N26 – sowie der österreichische VC Speedinvest, der seine im März 2020 erstmals erworbenen An­teile ganz offiziell aufstockte. Die Bewertung, die offiziell nicht bekannt gegeben wurde, liegt laut Forbes-Schätzung bei rund 350 Millionen US-$ (295 Millionen €) – was wiederum bedeutet, dass das Privatvermögen von Klanschek und Demuth mit ihrem rund 28 % hohen Anteil 100 Millionen US-$ (85 Millionen €) beträgt. CTO Trummer hält 14 % der Anteile, was ihm wiederum 50 Millionen US-$ (42 Millionen €) einbringt. Bitpanda wollte die Angaben zu Investoren und Bewertung nicht kommentieren.

Für die Gründer liegt nämlich weder die eigene Bewertung, noch ihr Netto­vermögen oder der von der Öffentlichkeit viel diskutierte „Einhorn“-­Status eine Rolle. Vielmehr sind sie auf ihre Vision ­fokussiert: die neue Krypto- und die etablierte Finanzwelt zu vereinen. Demuth: „Wenn sich jemand in den nächsten Jahren über Geld, Aktien oder Anlageformen unterhält, soll er zuerst an uns denken. Es soll selbstverständlich sein, dass sich Menschen jeden Tag mit diesen Themen ­beschäftigen. Und wir wollen die Tools anbieten, damit die Menschen das auch umsetzen können.“

Eric Demuth (2. v. links) und Paul Klanschek
...lernten einander während ihrer Studienzeit an der Wirtschaftsuniversität Wien kennen. Gemeinsam mit Christian Trummer gründeten sie 2014 Bitpanda. Das Unternehmen mit Sitz in Wien hat rund 260 Mitarbeiter.

Mit seinem Angebot, den Aktienhandel kostenlos anzubieten, wurde das US-Unternehmen Robinhood 2013 zum Pionier einer ganzen Horde an Fintech-Start-ups. Mittlerweile zählt die Plattform 13 Millionen User und hat eine Bewertung von 11,2 Milliarden US-$. Statt sich an oft ­umstrittenen Plattformen wie der weltweit ­größten Kryptowährungsbörse Binance zu orien­tieren, haben sich Klanschek und Demuth das Robinhood-Modell als Vorbild genommen – und wollen dieses in Europa etablieren. Während mit dem hauseigenen Broker die breite Masse angesprochen wird, dient Bitpanda Pro (ursprünglich als Bitpanda Global Exchange gelauncht) der Ansprache institutioneller Investoren, die Fiat- in Kryptowährungen und vice versa handeln wollen. Das könnten in Zukunft auch Finanz­institute sein, wie Demuth erzählt. Doch das Gründerteam will manche Entscheidungen auch bewusst anders treffen, als das Robinhood getan hat: „Ro­binhood hat das gut gelöst, doch viele der Entscheidungen waren klar auf Wachstum getrimmt. Das war nicht immer nur gut für die Kunden“, sagt Klanschek. Überhaupt sei ein Nullkosten-Broker in Europa nicht umsetzbar, denn die Praxis des Payment for Orderflow ist in den meisten europäischen Märkten verboten. Dabei werden sogenannten Market Makers Kundentransaktionen zur Verfügung gestellt, die über diese verfügen und Käufer bzw. ­Verkäufer vermitteln. Das Problem: Der Market Maker könnte dabei im eigenen wirtschaftlichen Interesse handeln und ein für den Kunden nicht optimales Ergebnis erreichen.

Dass Bitpanda jetzt Kurs auf Aktien­handel setzt, rückt das Unternehmen dennoch stärker in Richtung klassischer Tradingplattformen. Klanschek: „Unsere Vision ist, dass es nicht mehr diese getrennten Welten – Aktien hier, Krypto da – gibt. Wir wollen eine Assetmanagement-Plattform haben, in der man in eine Vielzahl an Assets investieren kann. Und da ­müssen natürlich die Top-Assetklassen wie Aktien, ETFs und Bonds auch vertreten sein.“ Fast ein Jahr ­arbeitet das Unternehmen bereits an der Einführung von Aktienhandel, denn das sei technisch und regulatorisch aufwendiger als Kryptowährungen oder Edel­metalle. Allzu lange dürfte das Feature aber nicht mehr dauern, so Demuth: „Wir sind dran.“

 

Bitpanda in Zahlen
(Quelle: Unternehmensangaben)

Bereits jetzt erzielen die fast 1,4 Millionen Kunden jedoch ein Transaktionsvolumen von über einer Milliarde € (letzte offizielle Zahl –
das tatsächliche Volumen dürfte deutlich darüber ­liegen). 2019 generierte das Unternehmen 25 Millionen € Umsatz (10 Millionen € mehr als noch 2018), der Gewinn lag bei 4 Millionen €. Das Ziel, den Umsatz jedes Jahr um 100 % zu steigern, wird Bitpanda laut den Gründern auch im Jahr 2020 erreichen. Auch die Mitarbeiterzahl soll von aktuell 260 bis Jahresende auf 300 Personen steigen.

Neben Österreich und der Schweiz ist Bitpanda auch in Großbritannien aktiv, zudem wurde kürzlich in Italien, Frankreich, Spanien und der Türkei – als erstes Land außerhalb Europas – gelauncht. „Wir sehen dort sehr gutes Wachstum“, sagt Klanschek. Die USA sieht Demuth hingegen nicht als reizvolle Option: „Ich glaube nicht, dass die USA für uns ein auch nur ansatzweise interessanter Markt sind. Da gibt es genug Anbieter und man benötigt als europäisches Start-up richtig viel Kapital. Dort wird es einem wirklich nicht leicht gemacht.“ Vielmehr sieht der Unternehmer den asiatischen Markt als Zukunftsmodell für Bitpanda – der Name wäre ­jedenfalls schon mal passend.

Paul Klanschek finanzierte sich sein ­Studium an der WU Wien durch Online­poker-Gewinne. Auch Demuth besuchte zur gleichen Zeit dieselbe ­Universität – und nahm ebenfalls regelmäßig vor ­Bildschirmen Platz, jedoch nicht als Gambler, sondern als Gamer. Die Freundeskreise des Pokerfans und des Computerspielefreaks überschnitten sich dennoch, und da beide von Bitcoin fasziniert waren, fanden sie bald zusammen. Was sie 2013 jedoch nicht fanden: eine Möglichkeit, Bitcoin auf simple Art und Weise zu (ver)kaufen. „Das war damals wahnsinnig schwierig. Man schickte in diesen Tagen Euro nach Slowenien auf eine Exchange (Kryptohandelsplatz, Anm.), dort wurde das Geld in US-­Dollar umgewandelt. Und dann war man auf einer Börse, wo man Limit- und Market-Orders setzen musste – davon haben die meisten Leute keine Ahnung. Wir wussten: So funktioniert das nicht,” erzählt Demuth.

Und da gemeinsame Freunde wussten, dass beide eine ähnliche Idee im Kopf hatten, erfuhr man voneinander – und traf sich. Demuth: „Unsere naive Idee war damals: Zwei Klicks – und dann hast du deine Bitcoin.“ Dass dafür nicht nur viel technisches Know-how nötig war, sondern auch ein Sicherheitsstandard wie KYC (Know Your Customers) oder AML (Anti Money Laundering) wurde dem Duo erst später klar. Erst mal kümmerte man sich um einen technikaffinen Mitstreiter – und fand Christian Trummer. Der CTO, der meist im Hintergrund bleibt, wurde Mitgründer und verantwortet bis heute die technische Infrastruktur. In der Anfangszeit hatte der in der Steiermark beheimatete Programmierer neben Bitpanda jedoch noch eine andere Verantwortung: die Schweinezucht der Familie. „Christian hatte ­damals 400 Schweine zu versorgen“, so Demuth. Wenig später schloss sich Trummer dem Projekt jedoch ganz an und übersiedelte nach Wien.

 

Das Geschäftsjahr 2019
(Quelle: Bitpanda)

Die Gründer waren 2014 bereit, zu gründen, mussten jedoch auf den Bescheid der österreichischen FMA (Finanzmarktaufsichtsbehörde) warten, denn die Mitarbeiterin beim Handelsgericht verweigerte die Eintragung: Bitcoin sei doch etwas Gefährliches. Die Behörden hatten weniger Bedenken – 2014 ging Bitpanda (damals noch unter dem Namen Coinimal) an den Start. Die Schwierigkeiten des Beginns sind passé: Hatte das Trio in Anfangszeiten noch Probleme, ein Firmen­konto bei einer Bank zu eröffnen, wird man bei den ­Instituten heute herzlich empfangen: „2020 sind wir endlich an dem Punkt angekommen, wo wir am selben Tisch sitzen dürfen wie die Banken“, so Demuth. Das gehe aber auch mit einer anderen Ernsthaftigkeit einher: „Die Branche wird erwachsener – und stärker reguliert.“

In gewisser Weise ist die Entwicklung von ­Bitpanda ein Spiegelbild der Kryptoszene als ­solcher: Aus einem etwas obskuren Nebenschauplatz der Finanzbranche vor 2016 folgte der
Hype 2016 und 2017; seither hat sich die Branche – und Bitpanda mit ihr – professionalisiert. Und mit ­Pantos hat Bitpanda die richtige Lösung parat, um nun bei Banken und Co anzudocken: Die Technologie, die in Kooperation mit der TU Wien ent­wickelt wurde, soll erstmals Interoperabilität zwischen verschiedenen Blockchain-Techno­logien ermöglichen. Das ist insofern wichtig, als der Informationsaustausch und die Übertragung von Assets zwischen verschiedenen Blockchains aktuell nicht möglich ist; sie existieren quasi isoliert von­einander. „Wir haben große Ziele mit Pantos, denn das Problem, das wir damit lösen wollen, wird nicht einfach weggehen“, sagt Klanschek.

Die Initiative wurde 2018 in Kooperation mit der TU Wien gestartet, kürzlich verkündete Bitpanda einen ersten Kooperationspartner: Mit der Raiffeisen Bank International (RBI) wird ein eigener Token, die „RBI Coin“, entwickelt. ­Diese soll als Pilotprojekt die Interaktion von Finanzaufwendungen ermöglichen, die auf unterschiedlichen Blockchain-Protokollen basieren. Trotz der Positionierung als Forschungsprojekt sind die Motive hinter Pantos nicht rein altruistisch, wie Klanschek erklärt: „Aus so einem Projekt kann man jederzeit ein Business machen. Auch die Technologie von Linux ist kostenlos – dennoch gibt es Unternehmen, die mit Services rund um diese Plattform Millionen verdienen.“

 

Wachstum finanzieren
(Quelle: Bitpanda)

Für Klanschek und Demuth ist der „wilde Ritt“ zwar etwas ruhiger geworden, von Untätigkeit wollen die beiden aber nichts wissen: „Es gab noch keine drei Monate, in denen wir kein neues Produkt gelauncht haben“, sagt Klanschek. Die Branche entwickle sich dynamisch, aktuell sei etwa der Trend rund um Decentralized Finance (DeFi) relevant.

Die Idee bleibt aber die gleiche: ­Menschen helfen, ihr Geld besser zu managen, so Demuth. „Stand heute benutzen Paul und ich für das Mana­gement unserer Investments im Schnitt so ­zwischen fünf und zehn Plattformen. Das ist 2020 einfach nicht mehr zeitgemäß.“ Ob das Unternehmen zukünftige Meilensteine – die Expansion und den Status als Einhorn mit einer Bewertung von einer Milliarde US-$ – erreicht, muss sich zeigen. Klar ist, dass Demuth und Klanschek ­eines der spannendsten Fintechs Europas geschaffen haben, dessen Schicksal sie weiterhin in ihren eigenen Händen halten. Kein schlechter Deal für ein paar ­schlaflose Monate.

Text: Klaus Fiala
Fotos: Christian Wind

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 10–20 zum Thema „Handel“.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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