GRENZGÄNGER

15.000 Kilometer weit und neun Monate lang fuhren Max Jabs und Nono Konopka mit dem Fahrrad von Berlin nach Peking, um Spenden zu sammeln. Heute ist die daraus entstandene Dokumentation weltweit auf Netflix verfügbar – doch die Freunde sind noch nicht an ihrem Ziel angelangt.

„You want to go to China? With the bike?“, fragt ein älterer Herr mit grauen Haaren und bosnischem ­Akzent Nono Konopka und Max Jabs und schaut die beiden dabei halb misstrauisch und halb mitleidig an. Wer kann es ihm verübeln? Verrückter als das Vorhaben, von ­Berlin bis nach Peking mit dem Fahrrad zu fahren, ist nur noch, das auch wirklich in die Tat umzusetzen. Was für viele unvorstellbar klingt, liegt für Max und Nono schon drei ­Jahre zurück. In der ­Dokumentation „­Biking Borders“ kann man die ­Reise der beiden Deutschen bestaunen und mit ihnen die Höhen und Tiefen ­ihres Abenteuers erleben.

Begonnen hat die Reise in Amsterdam. 2018 schließen die beiden Freunde dort ihr Marketing­studium ab. Nachdem sie im Zuge eines Volunteering-Programms ihre Semesterferien in ­Guatemala verbringen, entsteht bei beiden der Wunsch, dort eine Schule zu ­bauen. 50.000 € soll sie kosten. Um ­diese Summe so schnell wie möglich zusammenzubekommen, müssen die beiden so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf sich ziehen. Der Plan: etwas richtig ­Verrücktes machen und es über soziale ­Medien dokumentieren. Kampagnen wie die ALS-Ice-Bucket-­Challenge ­haben es vorgemacht: Millionen ­Menschen teilen Aufnahmen, die sie dabei ­zeigen, wie sie sich einen Kübel eiskaltes Wasser über den Kopf schütten, und sammeln dabei Spenden zur Bekämpfung der Nervenkrankheit. Nach diesem Konzept kommt auch die Idee zustande, von Berlin nach Peking zu radeln und sich dabei zu filmen. Im ­September 2018 geht die ­neunmonatige ­Reise los.

„Wir hatten weder ­Erfahrungen im Fahrradfahren noch im ­Campen. Meine Campingerfahrung war auf Festivals beschränkt“, erzählt Jabs und lacht. Durch Youtube-Vlogs und Instagram-Storys halten die beiden ihr Abenteuer fest und ­rufen dabei immer wieder auf, für ihr Projekt zu spenden. Gemeinsam mit der Organisation Pencils of ­Promise wird eine ­Spendenkampagne aufgestellt und der Bau der ­Schule geplant. Durch Unterstützung von Prominenten wie TV-Star Joko Winterscheidt, Sänger Fynn Kliemann und Moderatorin Aminata Belli ­können Max und Nono ihre Reichweite ausbauen. „Tagsüber wurde Fahrrad ­gefahren, abends im Zelt ­haben wir dann ­Influencer ­angeschrieben, die Website aktualisiert und alles, was sonst noch anstand, erledigt. Es war wie ein 30-Stunden-Job plus Fahrradfahren“, erzählt Konopka.

Die Resonanz war gut. Der Instagram-Account Biking Borders erreichte mehr als 20.000 ­Follower, und nachdem der US-amerikanische Schauspieler Ashton ­Kutcher über sein Profil auf den Social-­Media-Account der beiden aufmerksam macht, sehen sogar bis zu 100.000 Menschen ihre ­Inhalte. Doch nicht nur in den sozialen ­Medien wird man auf Max und Nono aufmerksam: Neben zahl­reichen deutschsprachigen ­Medien berichtet auch Forbes US über ­Konopka und Jabs. Und dann ist es endlich so weit: Am 2. ­Februar, ­mitten in der iranischen Wüste, nach fünf Monaten auf dem Rad, ­tätigt jemand eine ­Großspende, die 50.000 € sind erreicht. Die ­Freunde ­beschließen, die Reise dennoch fortzusetzen und ­weitere ­Spenden zu sammeln, und finden sich vier ­Monate später am Pekinger Flug­hafen wieder, um von dort aus ­direkt nach ­Guatemala zu fliegen. Dort ­konnte die ­Schule in der Zwischenzeit bereits gebaut werden, da das ­dafür notwendige Spendenziel von 50.000 € bereits erreicht war. Bei ­ihrer Ankunft ­werden Konopka und Jabs bereits von den Schülern der Schule begrüßt.

Nach 15.000 Kilometern, zahlreichen schlaflosen Nächten, einem Krankenhausaufenthalt in Turk­menistan (Konopka hatte sich ein Virus eingefangen) und 20 durchquerten Ländern ist das Ziel der ­beiden Abenteurer erreicht. Ihr Lieblingsland? „Für uns beide war es der Iran, der war einfach unschlagbar“, so Konopka über die gemeinsame Zeit. Mittlerweile ­wurde aus den Auf­nahmen der Reise eine ­erfolgreiche Dokumentation produziert, die ­unter anderem auf Netflix und ­Amazon zu sehen ist. Nono ­Konopka hat ein Buch veröffentlicht, in dem er von „zwölf Lebenslektionen“ erzählt, und die ­beiden sind immer wieder Speaker auf ­Veranstaltungen. Mit den Einnahmen aus Film und Buch konnten mittlerweile bereits sechs Schulen gebaut werde; das Buch landete auf Platz neun der Spiegel-Bestsellerliste.

Auch wenn das Projekt wei­ter­hin läuft, haben sich die ­beiden Deutschen mittlerweile auch ­privat in andere Richtungen weiter­­entwickelt. Max Jabs, der für die Produktion der Doku verantwortlich war, hat seine Liebe für das Filmemachen entdeckt: „Ich habe auf der Reise ­etwas gefunden, das sich nicht wie Arbeit anfühlt und womit ich jetzt mein Geld verdiene“, erzählt der 28-Jährige strahlend. ­Ähnlich bei Konopka: „Mein Alltag könnte momentan nicht ­weiter vom Fahrradfahren entfernt sein“, sagt er. Nachdem er bereits vor dem Projekt in der Start-up-Welt zu ­Hause war, ist er dort nun auch wieder ­gelandet. Noch vor Biking Borders ­gründete der Deutsche eine Agentur, die er bereits wieder verkauft hat. Nun rief er unter anderem die Jobplattform ­Mctalent ins Leben, nebenbei betreibt er einen ­eigenen Podcast namens „Nono Yes­yes“, in dem er mit Prominenten wie Frank Thelen, Kool Savas, Kelvyn Colt oder auch Luisa Neubauer unter anderem über Persönlichkeitsentwicklung spricht.

Das Ziel der beiden ist es, insgesamt 20 Schulen zu bauen und dafür eine Spendensumme von einer Million € einzusammeln. Außerdem haben sie ein ähnliches, wenn auch weniger intensives Projekt als Biking Borders geplant – mehr geben sie dazu allerdings noch nicht preis.

Text: Sophie Ströbitzer
Foto: Max Jabs/Nono Konopka

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Ressourcen“.

Sophie Ströbitzer

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