GOOGLES NEUER GEGNER

Wenn es um Suchmaschinen geht, führt an Google kein Weg vorbei – fast kein Weg: Denn Leif-Nissen Lundbaek und Michael Huth wollen dem US-amerikanischen Giganten mit ihrer Suchmaschine Xayn einen Strich durch die Rechnung machen, indem sie Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit miteinander kombinieren.

Dass Tech-Giganten wie Facebook oder auch Google-Mutter Alphabet mit den Daten ihrer Nutzer gutes Geld verdienen, ist nicht neu. Doch trotz der Diskussionen um Datenschutz und wettbewerbsrechtliche Verstöße bleibt Google mit einem Marktanteil von 80 % die am meisten genutzte Suchmaschine der Welt – Alternativen wie Duckduckgo oder Ecosia kommen bisher nur mäßig zum Tragen. Geht es nach Leif-Nissen Lundbaek, Mitgründer und CEO des 2017 in Berlin gegründeten Start-ups Xayn, liegt das vor allem am Aspekt der Nutzerfreundlichkeit.

Deshalb entwickelte sein Unternehmen die gleichnamige Such­maschinen-App Xayn, um eine konkurrenzfähige Alternative zu Google zu schaffen, die den Datenschutz wahrt. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir keinerlei Daten tracken und zugleich Nutzerfreundlichkeit bieten“, so Lundbaek. Sein Mitgründer und CTO Michael Huth ergänzt: „Unsere künstliche Intelligenz (KI, Anm.) arbeitet für den Nutzer und nicht für uns – wir verfolgen keine versteckte Agenda.“ Dafür setzt das Start-up auf sein zuvor entwickeltes Federated Machine Lear­ning Framework namens Xaynet. Hierbei werden KI-Modelle nicht etwa mit Datensätzen auf einem zentralen Server trainiert, sondern lokal auf Endgeräten – sensible Daten werden also nicht untereinander ausgetauscht, vielmehr werden die Ergebnisse, also die lokal trainierten Modelle, wieder vom Endgerät zurück an einen zentralen Server (in diesem Beispiel wäre das Xaynet) ­gesendet und dort schließlich aggregiert. Dadurch entsteht auf Xaynet ein verbessertes Modell, das Datenschutz gewährleisten soll.

Die App funktioniert auf der Grundlage von vier KI-Modellen – bei jeder Suchanfrage können die Nutzer Xayns KI mittels Swipe nach links oder rechts – ähnlich wie bei Tinder – zeigen, was sie interessiert und was nicht, und sie somit selbst trainieren. Mit einem langsamen Wischen nach rechts kann ein Ergebnis zudem in sogenannten Collections gespeichert werden, die zu jeder Zeit aufgerufen werden können. Möchte man die KI nicht trainieren, kann der Nutzer sie mit einem einfachen Klick ausschalten.

Michael Huth lehrt seit 2001 Computerwissenschaften am Imperial College London und ist einer der Mitgründer von Xayn.

Der Grundstein für Xayn wurde am Imperial College in London gelegt. Denn Lundbaek, der bereits einen Master in angewandter Mathematik an der Universität Heidelberg absolviert hatte und gerade seinen zweiten Master in Software Engineering in Oxford machte, bekundete 2015 Interesse an einer ­Promotion bei Michael Huth, der wiederum Leiter des Fachbereichs ­Informatik an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften am Imperial College London war.

Huth selbst wuchs im deutschen Niederfranken auf und studierte Mathematik und Computerwissenschaften in Darmstadt. An der Tulane University in New Orleans absolvierte er 1991 schließlich seinen PhD in Mathematik. Es folgten weitere Auslandsaufenthalte, bevor es den Forscher aus familiären Gründen wieder zurück nach Europa zog. Seit 2001 lehrt Huth nun Computerwissenschaften. „Ich habe die Rückkehr nie bereut“, sagt er.

2015 erhielt Lundbaek schließlich die Zusage für seine ­Promotion. Im Zuge seiner ­Forschungsarbeit ­arbeitete er projektbasiert beim ­Autohersteller Daimler (er baute intern mit einem dezentralen System eine Suchmaschine auf) und traf dort auf den späteren dritten Mitgründer von Xayn: Felix Hahmann, heute Aufsichtsratsvorsitzender. Daimler empfahl den beiden, mit ihrem Wissen und der Technologie ein ­Unternehmen zu gründen; 2017 entstand schließlich Xayn mit Sitz in Berlin. „Ich hatte die Anmeldung zuerst in London eingereicht, der Brexit brachte jedoch eine Menge Unsicherheit mit sich. Und Felix war sowieso schon in Berlin“, so Lund­baek. Drei Monate später gewann Xayn den Porsche Innovation Contest zum Thema Blockchain. 2018 und 2019 folgten Investments in der Höhe von insgesamt 9,5 Millionen €, angeführt vom deutschen Risikokapitalfonds Earlybird. Zu dem Zeitpunkt stand Xayn an einem Scheidepunkt: „Wir wurden mehr und mehr zu projektbasierten Aufträgen getrieben“, so Lundbaek. Also entschied Xayn sich dazu, diesen Bereich aufzugeben – und das, obwohl die Sparte am umsatzstärksten war und dem Start-up bereits im ersten Jahr die Profitabilität ermöglichte.

Leif-Nissen Lundbaek
...promovierte in Computing am Imperial College London am Lehrstuhl von Michael Huth, der dort seit 2001 doziert. Zusammen mit Felix Hahmann gründeten sie 2017 Xayn.

Wenn es bei Xayn nun also nicht um Profitmaximierung geht, was treibt das Unternehmen dann an – oder anders gefragt: Was ist das Geschäftsmodell? „Xaynet hat kein Geschäftsmodell. Es ist Teil einer ­Bewegung für mehr digitale Privatsphäre“, sagt Lundbaek und führt weiter aus: „Wir verfolgen sehr stark einen Open-Source-Gedanken. Und ­immer wieder heißt es, Privacy könne nicht mit Convenience vereinbart werden – gerade im Suchbereich regt mich diese Argumentation am meisten auf. Wenn Google behauptet, die Daten zu benötigen, um den Service bereitstellen zu können, dann stimmt das einfach nicht.“ Genau in diese Lücke will Xayn drängen – inklusive eines funktionierenden Geschäftsmodells. Denn als Weiter­entwicklung zum kostenfreien Modell soll für den B2C-Bereich eine Premiumversion getestet werden, bei der man Suchquellen wie die eigene Cloud oder Dropbox anschließen kann. Dadurch soll eine Suchanfrage nicht nur im Web, sondern auch in den eigenen Dokumenten ermöglicht und kombinierbar werden. Ähnliches wird bereits jetzt im B2B-Bereich getestet. „20 % der globalen Arbeitszeit gehen für das Suchen und Finden von internen Dokumenten drauf“, so Lundbaek. Um dem entgegenzuwirken, wird Xayns Suchmaschine mit unternehmensinternen Suchquellen angeschlossen und personalisiert, sodass – basierend auf dem Suchverhalten des jeweiligen Mitarbeiters – interne Dokumente schneller gefunden werden können. Geplant ist, Mitte des Jahres mit diesem B2B-Modell an den Markt zu gehen – derzeit steht noch das Nutzerwachstum der App im Fokus. Nach eigenen Angaben erzielt die App pro Tag um die 1.500 neue Downloads (insgesamt sind es bereits 55.000). Zudem gilt es, die Suchmaschine für den Browser zu optimieren und bestehende Un­zulänglichkeiten auszumerzen.

Huth ist überzeugt, dass mit Xayns Technologie ein wichtiger Schritt für Europas Technologiezukunft getan wurde: „Mit unserer Suchmaschinen-App haben wir technisch etwas wirklich Tolles gebaut, das zeitgleich relativ intuitiv bedienbar ist.“ Dennoch sei dies nur ein kleiner Stein in den „Mühlen der Getriebe“ der Tech-Giganten. Das weiß auch Lundbaek und appelliert: „Es muss ein Umdenken im Bereich Privacytech geben – Europa ist in dem Bereich führend, wir haben dort wahnsinnig viele Unternehmen. Doch wenn wir es nicht schaffen, Produkte zu entwickeln, die genauso anwenderfreundlich sind wie amerikanische oder chinesische Lösungen, dann sehe ich schwarz.“

Text: Andrea Gläsemann
Fotos: Xayn

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1/2–21 zum Thema „Innovation & Forschung“.

Andrea Gläsemann,
Leitende Redakteurin

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