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Valerie Bures-Bönström ist ein alter Hase in der Sportbranche: Bereits vor rund 20 Jahren gründete sie die Fitnesskette Mrs. Sporty mit – jetzt will sie mit ihrem Fitnessspiegel Vaha das Gym in die eigenen vier Wände bringen und damit die Art und Weise, wie Sport betrieben wird, revolutionieren. Inmitten der Coronavirus- Pandemie gelauncht, erhielt sie bereits ein Investment in zweistelliger Millionenhöhe. Nun steht die Expansion nach Europa an – und danach in die ganze Welt.
Es ist früher Morgen, als wir unser Interview mit Valerie Bures-Bönström führen. Der Smoothiemaker läuft bei ihr im Hintergrund und die Unternehmerin sitzt umgeben von schneebedeckten Bergen, eisigen Winden und Vulkanen – denn Bures-Bönström ist in der isländischen Hauptstadt Reykjavik, knapp 3.000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt, und baut gerade ein Unternehmen auf. Mit der Insel, so Bures-Bönström, fühle sie sich einfach verbunden. Die Entscheidung, Deutschland zu verlassen und ein Unternehmen von einer Insel aus aufzubauen, sei dennoch eine eher rationale gewesen: Im Zuge des Lockdowns wollte Bures-Bönström ihren Kindern Abwechslung bieten. Auf die Frage, wie es für sie denn sei, ein Unternehmen aus dem Homeoffice aus aufzubauen, lacht sie: „Gott sei Dank habe ich schon mal zuvor gegründet – man findet sich dann zurecht!“ Denn die 41-jährige Unternehmerin ist keine Unbekannte in der Branche: Bereits 2004 gründete sie zusammen mit ihrem Ex-Mann Niclas Bönström die Sportkette Mrs. Sporty, die auch Tennislegende Stefanie Graf als Mitgründerin vorweisen kann. Die Franchisekette verfügt heute über 370 Fitnessstudios in sechs Ländern Europas; pro Klub trainieren im Durchschnitt 300 Mitglieder.
Corona verunmöglichte den Besuch von Fitnessstudios weitgehend. Laut dem Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) erleidet die Branche allein in Deutschland einen Umsatzrückgang von 1,1 Milliarden €. Die Anbieter mussten sich somit etwas überlegen: Trainer boten ihre Kurse im Freien an – oder eben digital. Das Onlineangebot boomte, Fitnessinfluencer wie Pamela Reif (Forbes-„Under 30“ 2020) sammelten Millionen an neuen Followern. Und auch Bures-Bönström profitierte vom Trend, denn sie gründete 2019 den Fitnessspiegelhersteller Etone Motion Analysis.
Im März 2020 – vier Tage nach Beginn des ersten Lockdowns – folgte der Launch des hauseigenen Fitnessspiegels namens Vaha. Der Zeitpunkt für den Markteintritt hätte nicht besser gewählt sein können, denn mit Vaha – Punjabi für „Flow“ – holt Bures-Bönström das Fitnessstudio in die eigenen vier Wände. „Wie sagt man so schön? Preparation meets opportunity “, so die Gründerin. Mit einem Knopfdruck verwandelt sich dabei die Oberfläche des lebensgroßen Spiegels in ein Touch-Display, über dessen Startbildschirm on demand mehr als 600 Workouts – von Yoga über HIIT (High Intensity Interval Training) bis hin zu Barre (Ganzkörper-Workout mit Figuren aus dem klassischen Ballett) – ausgewählt werden können. Die Kurse wurden von qualifizierten Personal Trainern entwickelt – darunter etwa der Choreograf von Schlagerstar Helene Fischer, Michael Byrne. Die Trainer sind über Hologramme auf dem Spiegel zu sehen, ebenso wie das eigene Spiegelbild. Zudem finden täglich Livekurse statt, über Videocalls mit Trainern werden individuelle Pläne erstellt und die Fortschritte überprüft. „Wir sprechen vom ,Lagerfeuer der Zukunft‘“, sagt Bures-Bönström. „Wir sehen, dass der Spiegel von Familien im Wohnzimmer genutzt wird und nicht irgendwo in einem Fitnessraum im Keller steht. Wir wollen den Aspekt, dass der Spiegel in den Alltag integriert wird, weiter fördern. Das bedeutet auch, dass wir Applikationen anbieten, die über Fitness hinausgehen“, so Bures-Bönström. Derzeit bietet der Spiegel etwa auch Zugang zu einem Internetbrowser sowie zu den Programmen Spotify, Instagram, Tiktok, Skype oder Zoom.
Valerie Bures-Bönström
...absolvierte ein Bachelorstudium in Informatik an der Freien Universität Berlin und gründete 2004 die Fitnesskette Mrs. Sporty mit. 2011 folgt die Gründung von Pixformance, 2019 startete Bures-Bönström mit dem Fitnessspiegel Vaha.
Der Spiegel kostet 2.268 € und kann entweder direkt gekauft oder in Raten abbezahlt werden. Die monatliche Basis-Mitgliedschaft (ein Assessment mit einem Personal Trainer, Erstellung und Aktualisierung eines personalisierten Trainingsplans sowie Zugriff auf die Kurse sind inbegriffen) kostet weitere 39 €. Für einen Aufpreis können weitere Personal Trainings gebucht werden. Dem angeführten Argument, dass der Preis sehr hoch wäre, entgegnet Bures-Bönström: „Einige halten den Preis für teuer, aber das ist eine Frage der Betrachtung. Niemand würde das bei einem gehobenen Fitnessstudio sagen – und wir sind kein Billiganbieter.“ Zudem arbeitet das Team an weiteren Lösungen: „Im Bereich Hardware wird noch viel passieren – mit der Entwicklung des Unternehmens wird sich auch das Angebot verändern.“ Bis Ende 2021 soll Vaha 10.000 Kunden zählen – grob geschätzt würden diese einen Jahresumsatz von knapp 30 Millionen € für das Unternehmen bedeuten (Spiegelpreis und Abogebühren).
TRAINIEREN MIT VAHA
(Quelle: Vaha)
Ganz allein ist Bures-Bönström mit ihrer Idee jedoch nicht: Auch das von der ehemaligen Ballerina Brynn Putnam 2018 gegründete US-amerikanische Unternehmen Mirror (Forbes berichtete) stellt Sportspiegel her. Forbes schätzt den Umsatz von Mirror 2020 auf 100 Millionen US-$. Anders als bei Vaha kostet dieser nur 1.495 US-$ (umgerechnet etwa 1.241 €), das Abo pro Monat 39 US-$ (rund 32 €). 2020 folgte Mirrors Exit an das kanadische Bekleidungslabel Lululemon, Kaufpreis: 500 Millionen US-$. Der Markt für intelligente Spiegel birgt also großes Potenzial – die Marktanalysefirma Allied Market Research prognostizierte für den Zeitraum 2017 bis 2025 ein Wachstum von 11,5 % und für 2025 einen Marktwert von insgesamt 1,4 Milliarden €. Doch der Kuchen ist heiß umkämpft: Neben Mirror und Vaha entstehen weitere Home-Fitness-Unternehmen mit Personal Trainern fürs Wohnzimmer, darunter finden sich die US-Unternehmen Peloton (Fahrräder), Tonal (Heimtrainingsstudio mit 3D-Modellen) oder Hydrow (Rudergeräte). Bures-Bönström bleibt dennoch gelassen: „Ich finde Konkurrenz super, denn ein Revival des Home-Fitness-Bereichs war längst überflüssig. Je mehr Entwicklungen es gibt, desto besser werden wir in Zukunft Sport machen können.“ Zudem sei ein direkter Vergleich mit Mirror nicht möglich: „Die Frage wird sich in den nächsten Jahren erübrigen. Wir verfolgen einen anderen Ansatz – wir wollen, dass unsere Kunden in den Flow kommen, das bedeutet Energie schöpfen. Darauf fokussieren wir uns zu 100 %.“
Doch macht ihr neues Unternehmen ihr altes – also Fitnessketten wie Mrs. Sporty – nicht überflüssig? „Wenn ich wetten müsste, ob sich eine Seite durchsetzt (Home-Fitness-Anbieter oder Fitnesscenter, Anm.), dann würde ich sagen, dass es gewisse Anbieter in beiden Bereichen schaffen. Ich denke, dass wir uns in Richtung einer Verschmelzung von digitalen Angeboten und Vor-
Ort-Trainings bewegen“, sagt Bures-Bönström.
VALERIE BURES-BÖNSTRÖMS KARRIERELEITER
(Quelle: eigene Recherche)
Valerie Bures-Bönström wuchs in Berlin als Tochter eines Physikers auf. Ihr Vater Klaus-Dieter Bures gründete mit WGE Dr. Bures ein Unternehmen für Analysegeräte für physikalische Flüssigkeiten, welche weltweit vertrieben werden. „Ich habe immer gedacht: So will ich nicht werden. Mein Vater hat nur gearbeitet und war kaum zu Hause“, lacht Bures-Bönström. „Jetzt verstehe ich, dass er wohl eine wahnsinnige Erfüllung – den Flow – in seiner Arbeit fand. Das ist auch meine Motivation.“ Ihre Mutter hatte Jura studiert und in dem Bereich gearbeitet, war aber hauptsächlich als Hausfrau tätig. Sie verstarb jedoch früh. Sport, insbesondere Feldhockey, half Bures-Bönström, damit zurechtzukommen. „Sport war mein Kompensationsmittel. Er gab mir Tools an die Hand, um zu lernen, Lösungen zu finden. Man lernt die eigenen Grenzen kennen – und wie man damit umgeht“, so Bures-Bönström. Nach ihrem Abitur 1998 studierte sie Informatik an der Freien Universität (FU) Berlin: „Das Studium war mein Highlight. Da fing mein erstes Flow-Erlebnis an.“ 2002 machte sie ihren Abschluss. Eigentlich wollte Bures-Bönström Professorin werden. „Unternehmertum war mir nicht geheuer. Es war von Anfang an abzusehen, dass es viel Disziplin und wenig Schlaf bedeutet“, erzählt sie.
Dennoch ging sie 2004 – sehr früh in ihrem Leben – mit Mrs. Sporty an den Markt: Bei der Gründung war sie gerade einmal 22 Jahre alt, hatte eine sechs Monate alte Tochter und war nach etwa einem Jahr wieder schwanger mit ihrem Sohn. „Ich war damals wahnsinnig skeptisch, denn ich kam ja aus dem Outdoorsport. Das Prinzip, im Club zu trainieren, fand ich eher abstoßend“, so die Unternehmerin, die heute am liebsten reitet, Kitesurfen geht oder Ski fährt. Nichtsdestotrotz fand sie Gefallen am Konzept, als sie in London in ein ähnliches Studio ging und dort die Zielgruppe von Mrs. Sporty vorfand. „Vor 20 Jahren waren Frauen um die 50 ja noch komplett anders – nicht so nah am Sport wie heute. Dort eine Gruppe von Frauen zu sehen, die zusammen trainieren und dabei Spaß haben – ich dachte, wenn ich dem mein Leben widmen kann, ist das eine schöne Aufgabe“, so die Unternehmerin. Von Anfang an stand das Franchisekonzept im Fokus, bereits wenige Monate nach der Gründung wurden 20 weitere Klubs in Deutschland eröffnet. 2005 holte das Gründerpaar schließlich Mark Mastrov als Investor an Bord, der die Fitnesskette 24 Hour Fitness gegründet hatte, wo Bönström zuvor als Manager tätig gewesen war. Mastrov stellte schließlich den Kontakt zum früheren US-Tennisstar Andre Agassi her – und zu seiner Frau, der deutschen Tennislegende Stefanie Graf. Sie stieg 2005 als Mitgründerin ein. „Es hat sich als sehr gute Zusammenarbeit herausgestellt – und Stefanie Graf hat mir eine wahnsinnige Disziplin beigebracht“, so Bures-Bönström. 2017 verließ die Unternehmerin Mrs. Sporty jedoch; heute hält sie noch 15 % der Anteile. Aufgrund unterschiedlicher Strategieansätze zog Bures-Bönström einen Schlussstrich: „Letzten Endes war ich eher Angestellte im Unternehmen; ich wollte eher Zeit in ein Unternehmen investieren, auf das ich langfristig Einfluss habe. Ich musste lernen, loszulassen. Es war für mich, wie ein Kind zu verlieren.“ Trotz ihrer Nähe zur Fitnessbranche kam Bures-Bönström die Idee zu Vaha nicht über Nacht. Bereits 2011 beschäftigte sie sich mit individuelleren und digitalen Sporterlebnissen und gründete mit Pixformance ihr zweites Unternehmen, das eine Software für funktionelles Training anbietet. 2014 wurden die ersten Geräte bei Mrs. Sporty eingeführt. „Wir waren weltweit die Ersten, die Bewegungsanalyse auf den Markt brachten“, so Bures-Bönström. Die Geräte werden zudem in Krankenhäusern und Rehazentren zur Regeneration von Patienten eingesetzt, um ihnen einen individuellen Therapieplan zu ermöglichen und die Trainingsfortschritte tracken zu können. Derzeit nutzen 600 Fitnessstudios und Krankenhäuser in elf Ländern die Pixformance-Geräte.
DAS UNTERNEHMEN IN ZAHLEN
(Quelle: Vaha)
Pixformance kann als Vorläufer von Vaha im B2B-Bereich gesehen werden: Ähnlich wie beim Spiegel können über das Gerät Übungen ausgewählt werden, über Bewegungstracking wird direktes Feedback über die Ausführung der Übungen vermittelt – etwas, das sich derzeit bei Vaha noch in der Testphase befindet und in den nächsten zwei bis drei Monaten gelauncht werden soll. Denn anders als bei Pixformance muss Vahas Bewegungsanalyse aufgrund der schlanken Optik des Spiegels und des Preissegments der eingebauten Computer in die Cloud gebracht werden. Konkret wurde mittels künstlicher Intelligenz eine Technologie entwickelt, die die Abweichungen exakt analysiert und detaillierte Hinweise zur Korrektur der Ausführung gibt. Zudem gibt es bei Vaha – anders als bei Pixformance – keinen Trainer vor Ort, der an die Technologie heranführt, der Spiegel musste also selbsterklärend funktionieren. „Wir haben uns bei Vaha auf den Betreuungs- und Entertainmenteffekt konzentriert“, so Bures-Bönström. Das Konzept überzeugt auch Geldgeber: Holtzbrinck Ventures investierte bereits zu Beginn (Summe wird nicht bekannt gegeben) – David Kuczek, General Partner bei Holtzbrinck Ventures, war es, der Bures-Bönström zur Weiterentwicklung von Pixformance inspirierte. „Er hat mich relativ häufig gefragt, warum ich nicht etwas für Endkunden mache. Das hat mich auch immer gereizt. Solange ich mir aber nicht sicher war, ob uns der Technologieswitch von Pixformance auf Vaha gelingt, habe ich gewartet. Ich wollte dem Endkunden mit gutem Gewissen ein hochwertiges Produkt bieten können“, so die Unternehmerin. Letztendlich zog das Produkt auch andere prominente Investoren an Land: Ende 2020 sammelte Vaha ein zweistelliges Millioneninvestment vom Bestandsinvestor Holtzbrinck Ventures, Porsche Ventures (Beteiligungseinheit des Stuttgarter Sportwagenherstellers), des Rocket-Fonds Global Founders Capital (halten u. a. Beteiligungen an Linkedin und Facebook), des russische Venture-Capital-Unternehmens RTP Global (investierte bereits in Delivery Hero) sowie der Londoner Investmentfirma Unbound. Zudem stieg der deutsche Fußballtorhüter und Weltmeister Manuel Neuer bei Vaha als Partner mit ein. „Für mich ist es ein Unternehmen der Zukunft, denn es liefert ein Produkt, das Sport zu Hause für jeden mit Spaß zugänglich macht. Man kann einfach jederzeit losstarten, auch wenn man nur eine halbe Stunde Zeit hat“, so Neuer über sein Investment. Das Geld soll nun in die weitere Expansion gesteckt werden: Derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv, will man ab April in Großbritannien an den Markt gehen. Danach soll Europa folgen. Doch damit nicht genug – Bures-Bönström: „Ob wir ein Unternehmen auf Weltnivau werden wollen? Ja, auf jeden Fall. Wir stecken unseren ganzen Schweiß da rein.“
Text: Andrea Gläsemann
Fotos: Bragi Thor
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–21 zum Thema „Health & Wealth“.