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Welche Unternehmen von Regulierung profitieren.
Nach dem Super-GAU der letzten Finanzkrise, deren Folgen erst jetzt endgültig überwunden scheinen, hallte ein Kampfruf durch die Wirtschaftswelt: „Niemals wieder!“ Als für die Regierenden logische Konsequenz wurde den Märkten und den Unternehmen eine Vielzahl neuer und schärferer Reglements auferlegt, die aber nicht nur von der Investorenlegende Warren Buffett als oft zu enges Korsett und Überregulierung empfunden werden.
Investoren verweisen gerne darauf, dass die beiden großen staatsnahen US-Hypothekenbanken Fanny Mae und Freddie Mac auch vor der Krise schon strengstens reguliert wurden – ohne Erfolg: Beide rasten trotzdem mit Karacho in den Abgrund und mussten mit reichlich Geld vom Steuerzahler saniert werden. Auch Investmentguru Jim Rogers ist ein erklärter Gegner von Finanzregulativen – und bringt gerne ein abschreckendes Beispiel: „Schwarzmarktkurse gibt es nur, wenn die Regierung künstliche Regulierungsmaßnahmen durchführt.“
Regulierung ist also schlecht. Obwohl – jein. Nicht in jedem Fall, denn sie kann auch gut für den Kontostand von Investoren sein. Denn immer wieder werden Unternehmen direkt oder indirekt auch Profit aus dem Leid all jener ziehen, die das aufgezwungene regulatorische Korsett ordentlich drückt.
Ein Unternehmen, das in diesem Bereich – gegen einen entsprechenden Obolus, versteht sich – die Leiden erleichtert und schon eine ganze Weile aktiv, aber allerorten vielfach unbekannt ist, ist die bereits 1993 gegründete Temenos Group mit Sitz in Genf. Die Aktiengesellschaft, die an der Schweizer Börse notiert und über rund 4.600 Beschäftigte verfügt, ist international tätig und auf Bankensoftware spezialisiert. Und genau in diesem Bereich gab es während der letzten Jahre ordentlich zu tun. Über 3.000 Unternehmen auf der ganzen Welt, darunter 41 der 50 größten Banken, etwa Institute aus dem Retail, Corporate, Islamic und Universal Banking sowie aus dem Private Wealth Management und dem Microfinance & Community Banking, vertrauen auf die Produkte der Schweizer, um die täglichen Transaktionen von mehr als 500 Millionen Bankkunden zu verarbeiten.
Das macht Temenos mit einem Gesamtumsatz von 737 Millionen US-$ (594 Millionen €) nicht nur zum viertgrößten Softwarehersteller in Europa, sondern führt auch zu saftigen Gewinnen von über 185 Millionen US-$ (149 Millionen €). Die Marktkapitalisierung liegt bei über fünf Milliarden US-$ (vier Milliarden €), das macht Temenos auch zum Marktführer im Bereich Bankensoftware.
Im Unternehmen laufen die Geschäfte rund, aktuell wurde die nordisch-baltische Telia Finance mit Niederlassungen in Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen und Litauen als Kunde an Land gezogen, der in Zukunft mit seinen rund 24 Millionen Kunden auf das Temenos-Vorzeigeprodukt T24 setzen will. Der Deal ließ die Aktionäre, die das Temenos-Papier während der letzten drei Jahre schon um rund 180 Prozent steigen sahen, in der Woche nach der Bekanntgabe des Geschäfts um weitere fünf Prozent reicher werden. Expansion ist auch mit Zukäufen angesagt: Bei der geplanten Übernahme der britischen Softwareschmiede Fidessa konkurrierte Temenos mit der Beteiligungsgesellschaft Ion Investment Group und dem US-Softwarehersteller SS&C Technologies und erhielt mittlerweile grünes Licht von den Wettbewerbshütern in Großbritannien.
Für das auf den Handel von Aktien und Derivaten spezialisierte Softwareunternehmen hatte Temenos einen Preis je Aktie von 35,67 GBP (41 €) geboten, was das Unternehmen mit rund 1,4 Milliarden GBP (1,62 Milliarden €) bewertet. Fidessa holte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 354 Millionen GBP (410 Millionen €) und einen Reingewinn von knapp 36 Millionen GBP (41 Millionen €).
Die Aktivitäten der Schweizer gefielen auch Aktienanalyst Panagiotis Spiliopoulos von Vontobel Research: Er sieht in der Fidessa-Übernahme hohes Aufwärtspotenzial für die Temenos-Aktionäre und behauptet, dass es plausible und erprobte Möglichkeiten gebe, um das Umsatzwachstum von Fidessa rasch zu beschleunigen. Der Analyst erhöhte das Kursziel von 130 auf 166 CHF (139 €). Davon kommen 142 CHF (119 €) von Temenos auf eigenständiger Basis und nochmals 24 CHF (20 €) aus der Fidessa-Übernahme. Kurs des Papiers zu Redaktionsschluss: 113 CHF (95 €).
Zu den klassischen Profiteuren von Regulativen im Finanzbereich gehören die Ratingagenturen, die sich ihre Bewertungsgrundlagen oft auch selbst zurechtschnitzen. Die bekannteste und einflussreichste ist Standard & Poor’s (S&P), die seit 1966 ein Teil der McGraw-Hill-Financial-Gruppe ist. Wer also von den Aktivitäten von S&P profitieren möchte – Kernbereich der Gesellschaft ist die Bewertung und Analyse anderer Wirtschaftsunternehmen, Banken und Staaten hinsichtlich ihrer Bonität –, sollte auf S&P Global Inc., wie das Unternehmen seit 2016 heißt, mit einem Börsenwert von rund 47 Milliarden US-$ (37 Milliarden €) setzen. Der Hauptsitz der Gruppe mit ihren rund 17.000 Beschäftigten liegt in der Finanzmetropole New York.
Kasse macht S&P neben der Unternehmensbewertung auch mit Indizes: So ist das Unternehmen Mehrheitseigentümer des Dow Jones Industrial Average und im S&P 500 gelistet, dessen Namensgeber man auch ist. Die Umsätze des Unternehmens prosperieren und stiegen von 5,6 Milliarden US-$ (4,5 Milliarden €) im Jahr 2016 auf mehr als sechs Milliarden US-$ (4,8 Milliarden €) im Vorjahr. Die Dividende stieg im gleichen Zeitraum von 1,44 auf 1,64 US-$ (1,32 €).
Die Performance der Aktie liegt im Mittelfeld: In den letzten zwölf Monaten stieg sie um rund 27 Prozent, im laufenden Jahr um knapp zehn Prozent. Solide – doch im Vergleich zur durchschnittlichen Jahresperformance von Aktien aus dem gleichen Sektor, nämlich „Technology“, liegt S&P Global mit einer Rendite von 47,1 Prozent mehr als 34 Prozent über der Benchmark, stellt Ethan Kauder von Finanztrends fest.
Schwarzmarktkurse gibt es nur bei künstlicher Regulierung.
Die „Technology Services“-Branche kommt in den letzten zwölf Monaten auf eine mittlere Rendite von 14,4 Prozent. Auch hier liegt S&P Global mit 32,7 Prozent deutlich darüber, so Kauder. Diese sehr gute Entwicklung der Aktie im vergangenen Jahr führt zu einem „Buy“-Rating. „Die Aktie von S&P Global wurde in den vergangenen zwölf Monaten von Analysten insgesamt mit folgenden Einstufungen versehen: sechs Mal Buy-, neun Mal Hold- und null Sell-Einstufungen. Daraus leiten wir für die langfristige Einstufung ein ‚Hold‘ ab“, schreibt Kauder, der aus der Summe von insgesamt acht bewerteten Faktoren ein „Hold“-Rating für S&P Global Inc. – mit einem Kurs von 190 US-$ zum Redaktionsschluss – vergibt. Die weltweite Nummer zwei, wenn es um Ratings geht, ist Moody’s. Die börsennotierte Gesellschaft Moody’s Corporation ist die Dachgesellschaft von Moody’s Analytics und der von der US-amerikanischen Finanzaufsicht SEC seit 1975 anerkannten Ratingagentur Moody’s Investors Service mit 40 Prozent Weltmarktanteil und rund 2,5 Milliarden US-$ (2 Milliarden €) Umsatz. Die Analytics-Division bietet Risikomanagementsoftware an.
1909 von John Moody gegründet, lieferte die Agentur Ratings zu Eisenbahn-Anleihen an Investoren – gegen Bezahlung. 1914 wurde Moody’s Investors Service gegründet. Seit einer Änderung des Geschäftsmodells verlangt Moody’s seit 1970 die Gebühren nicht mehr von den Investoren, sondern von den Emittenten, was von vielen im Zuge der Finanzkrise als kritisch betrachtet wurde. Im Vorjahr zahlte das Unternehmen 864 Millionen US-$ (698 Millionen €) wegen zweifelhafter Kreditbewertungen aus der Zeit der Finanzkrise. Der größere Rivale Standard & Poor’s hatte bereits im Februar 2015 einen ähnlichen Vergleich geschlossen und insgesamt 1,6 Milliarden US-$ (1,3 Milliarden €) bezahlt, um sich von einem Verfahren um frisierte Bonitätsnoten für Wertpapiere freizukaufen.
Bis März 2009 besaß übrigens Warren Buffetts Unternehmen Berkshire Hathaway 48 Millionen Aktien von Moody’s, danach verringerte er seinen Anteil auf 28 Millionen Stück. Buffetts Anteil am Unternehmen liegt nun bei 13 Prozent, womit er größter Anteilseigner und der einzige mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent ist. Der Moody’s-Konzern setzt auf Diversifikation und übernahm im Vorjahr den niederländischen Datenspezialisten Bureau van Dijk für drei Milliarden €, der über umfangreiche Unternehmensdatenbanken verfügt und bislang zum Finanzinvestor EQT gehörte. Die Aktie legte heuer um rund zehn und in den letzten drei Jahren um mehr als 50 Prozent auf US-Dollar-Basis zu. Seit über zehn Jahren liegt der Gewinn, wieder auf Basis des US-Dollars, bei mehr als 350 Prozent. Nach der langfristigen Meinung von Analysten erhält die Moody’s-Aktie mit den Bewertungen drei Mal „Buy“, acht Mal „Hold“ und null Mal „Sell“ die Einschätzung „Hold“. Gegen den allgemeinen Trend läuft die Empfehlung des Schweizer Finanzforschungsunternehmens Obermatt: „Sie zeigen überdurchschnittliches Wachstum, aber sie haben wenig Aktienpreis-Value und sind riskant finanziert. Wir empfehlen, Moody’s-Aktien zu verkaufen“, heißt es bei Obermatt. Das mittlere Kursziel der Analysten liegt bei 165,8 US-$ (134 €), das mit einem aktuellen Kurs von 162 US-$ (130 €) zwar noch nicht erreicht wurde, aufgrund der Spesenbelastung aber auch kaum noch Luft nach oben bietet.
Und schließlich schneidet sich auch ein österreichisches Unternehmen eine Scheibe von der Regulierungswut ab: Von vielen Unternehmen ungeliebt ist die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ein Regulativ, das am 25. Mai 2018 in Kraft tritt. Mit ihr werden die Regeln für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die Rechte der Betroffenen sowie die Pflichten der Verantwortlichen EU-weit vereinheitlicht. Weil damit aber auch Umsatz zu generieren ist, hat sich die Österreichische Post auf diesem Feld umgetan und offeriert nun auch Geschäftskunden, sich umfassend zu allen Datenschutz-Fragen beraten zu lassen.
Dafür haben die schlauen „Postler“ via Geschäftsfeld Mail Solutions auch die Data Academy eingerichtet, die Schulungen, Workshops und Consulting zu allen Daten-Problemstellungen, auch über die EU-DSGVO hinausgehende, anbietet. Der schon 2017 gelaunchte E-Brief ist bereits ganz auf die Sicherheitsanforderungen der EU-DSGVO ausgerichtet. Er soll auch im digitalen Zeitalter die sichere Zustellung von Rechnungen, Verträgen und anderen sensiblen Dokumenten ermöglichen. Im Unterschied zu E-Mails sind E-Briefe vor unbefugtem Auslesen der Daten durch Dritte geschützt.
Nicht wegen dieser Aktivitäten, sondern wegen des guten Geschäftserfolgs insgesamt stieg die Post-Aktie im Wohlwollen der Analysten: Die Erste Group hatte bereits im Februar ihr Kursziel für die Aktien der Österreichischen Post leicht von 38,5 auf 40 € erhöht, jetzt zogen auch die Wertpapierexperten der Raiffeisen Centrobank nach und hoben ihr Kursziel von 39 € auf 43 € an. Das Anlagevotum wurde mit „Hold“ bestätigt. Der Kurs der Österreichischen Post AG lag zu Redaktionsschluss bei 40 €.
Dieser Artikel ist in unserer April-Ausgabe 2018 „Regulierung“ erschienen.