Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Fabian Lichtenstein hat im Gesundheitsbereich Großes vor: Mit seinem Start-up Blockhealth will der Österreicher die Kommunikation zwischen Arzt und Patient mittels App erleichtern. Zudem will er mithilfe von künstlicher Intelligenz die Diagnose von Krankheiten automatisieren sowie präziser machen. Ambitionierte Ziele – doch Lichtenstein ist überzeugt, sie auch erreichen zu können.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten beim Arztbesuch Ihre ganze Gesundheitshistorie mit wenigen Berührungen Ihres Smartphones abrufen und sie an Ihren Arzt übertragen. Oder: Sie scannen Ihren Befund mit dem Handy ein, wodurch die Diagnose automatisch erkannt und abgespeichert wird. Was nach Zukunftsmusik klingt, sind die Lösungen, die die 2020 gestartete App Vivellio anbietet. Forbes-„Under 30“-Listmaker Fabian Lichtenstein, der das dahinterstehende Unternehmen Blockhealth gegründet hat, will die Kommunikation beim Arztbesuch mit der Anwendung erleichtern und Engpässe in der Medizin bekämpfen.
Denn beim Gespräch zwischen Patient und Arzt prallen laut Lichtenstein „zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander: Auf der einen Seite hat man einen medizinischen Fachexperten, oft mit einer bestimmten Spezialisierung, der top ausgebildet ist. Auf der anderen Seite finden sich die Patienten – in den allermeisten Fällen medizinische Laien, die sich in einer Ausnahmesituation befinden und Stress, Ängste und Sorgen in sich tragen.“ Seit dem Launch konnte Vivellio bereits mehr als 10.000 User in Österreich gewinnen. Nun soll die Skalierungsphase beginnen und das Produkt auch in Deutschland und der Schweiz auf den Markt kommen.
Es gibt drei Vivellio-Portale: eines für Patienten, eines für Ärzte und eines für Krankenhäuser. Patienten können ein Profil samt Befunden abrufen, das auch einen digitalen Impf- oder Mutter-Kind-Pass ermöglicht. Mit der App kann man seine Befunde auch scannen, wobei Diagnosen automatisch digitalisiert werden. Mit einem neulich angemeldeten Patent kann die Software mithilfe von maschinellem Lernen sogar die Relevanz von Diagnosen immer besser einschätzen. Zudem ist es auch möglich, mehrere Profile zu erstellen, so zum Beispiel für eigene Kinder oder pflegebedürftige Familienangehörige. Die Daten können dann beim Arztbesuch gezielt freigegeben werden: „Über die Daten habe ich als Patient immer die volle Kontrolle“, betont Lichtenstein, um Kritik von Datenschützern vorzugreifen. Wenn man etwa zum Augenarzt geht, gibt man ihm nur die relevanten Befunde frei: „Dem Arzt werden diese Befunde in einer eigenen Web-App aufbereitet“, erklärt Lichtenstein, während er durch ein Musterprofil eines Patienten scrollt. Es ähnelt einer Facebook-Seite: Oben finden sich ein Foto des Patienten und sein Geburtsdatum; darunter werden relevante Daten angezeigt, etwa Allergien, Unverträglichkeiten oder medizinische „Hotspots“ wie Bluthochdruck oder Diabetes. Scrollt man weiter nach unten, folgt eine Auflistung der Befunde, die man mit einem Klick chronologisch oder nach Relevanz sortieren kann. All das soll dazu führen, dass Ärzte weniger mit Papierkram beschäftigt sind und mehr Zeit für die Behandlung ihrer Patienten haben.
Der Markt wird jedenfalls nicht kleiner: Die Gesellschaft überaltert zunehmend, was zu einer größeren Menge von Personen mit gesundheitlichen Beschwerden führen wird. Daraus resultieren Engpässe: „Das belastet das Gesundheitswesen enorm und wird in den nächsten Jahrzehnten noch mehr werden“, so Lichtenstein. Er setzt auf Prävention und Vorsorge: „Einerseits müssen die Gesundheitskompetenzen in der Gesellschaft gestärkt werden, andererseits haben wir sehr viele Lücken in der Kommunikation im Gesundheitswesen.“
Obwohl Fabian Lichtenstein eigentlich eine technische Schule mit den Schwerpunkten Informatik und Organisation besuchte, reizte ihn die Medizin schon immer. Mit 18 Jahren beschloss er, Krankenpflege an der Kepler Universität in Linz zu studieren. Zugleich machte er sich als Gesundheitsberater und Fitnesstrainer selbstständig. Schon damals bot er Online-Fitnesstrainings an: „Ich war vorne mit dabei, als dieser ganze Hype entstand.“ Seine Arbeit zeigte ihm die Herausforderungen im Gesundheitssystem eindeutig auf. Zudem lernte er dabei seine späteren Mitgründer kennen: den Leiter der Augenklinik des Kepler Universitätsklinikums, Matthias Bolz (Chief Medical Officer), und den Medizintechniker und -wissenschaftler Michael Ring (Chief Regulatory Officer).
Fabian Lichtenstein
... studierte Krankenpflege an der Kepler Universität in Linz und machte sich zugleich als Gesundheitsberater und Fitnesstrainer selbstständig. 2018 gründete er mit Matthias Bolz Blockhealth.
Die Monetarisierung der Vivellio-App läuft entlang von drei Säulen: Im B2C-Bereich können Nutzer die App kostenlos verwenden oder die Premium-Version um 5 € monatlich abonnieren, die das Erstellen mehrerer Profile ermöglicht. Ärzten wird hingegen eine monatliche Mitgliedsgebühr in der Höhe von ca. 199 € verrechnet, wobei es auch einen niedrigeren Einführungspreis geben wird. Krankenhäuser können wiederum individuelle Lizenzen vereinbaren.
„Wir sind noch nicht profitabel und es wird sicher noch eine weitere Finanzierungsrunde notwendig sein. Doch wir sind sehr optimistisch“, so Lichtenstein. Als wichtigstes Ziel für das nächste Jahr nennt er die Skalierung des Unternehmens: „Wir haben sehr viel Arbeit in die Entwicklung gesteckt und wollen das Produkt jetzt in die breite Masse tragen. Ganz wichtig ist uns dabei die Kooperation mit Gesundheitseinrichtungen, damit wir hier eine gesamtheitliche Lösung schaffen können, die das Gesundheitswesen in allen Instanzen unterstützt – natürlich inklusive der Menschen selbst.“
Text: Sophie Spiegelberger
Fotos: Blockhealth
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–21 zum Thema „Health & Wealth“.