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Ginge es ihm nur ums Geld, säße Fedor Holz auch heute noch an den Pokertischen dieser Welt. Doch der 25-Jährige, einer der „Forbes 30 under 30 2018“, will mehr als Geld verdienen – und zwar sozialen Mehrwert schaffen.
Ein Oktobertag, strahlender Sonnenschein, eine Dachterrasse in Wien. Fedor Holz sitzt auf einem Sofa – und grinst: „Das waren ein paar gute Jahre!“ Der 25-Jährige erzählt über seine Zeit in der Pokerszene, als er noch als „CrownUpGuy“ (Holz’ Benutzername, Anm.) oder als „German Wunderkind“ bekannt war. Doch trotz seiner jungen Jahre ist Holz heute schon Ex-Pokerprofi –denkt aber keineswegs an Ruhestand, sondern ist vielmehr als Unternehmer tätig, der sich stetig weiterentwickeln muss, um glücklich zu sein. Poker wurde ihm schlicht zu langweilig, so Holz – denn wie so viele in seiner Generation will er mehr als Geld verdienen: Er will sozialen Mehrwert schaffen. Als wir ihn in seiner Dachgeschosswohnung in Wien treffen, ist Holz daher bereits Gründer und CEO seines Start-up-Inkubators Primed.
Aber eines nach dem anderen: Holz’ professionelle Pokerkarriere dauerte insgesamt nur vergleichsweise kurze sieben Jahre. Diese Zeit reichte dem Deutschen aber aus, um alleine in Live-Turnieren über 30 Millionen € zu gewinnen. Angefangen hatte er bereits im Alter von 16 Jahren. Erst ging es um kleine Summen mit Freunden, später um größere Beträge online. Nach der Schule inskribierte sich der Deutsche im Fach Medieninformatik, brach das Studium aber nach nur zwei Semestern wieder ab. Auch im Poker wollte es damals noch nicht so recht laufen: Holz zockte viel, gewann aber selten. „Am Anfang war meine Art, zu spielen, nicht sehr strukturiert.“ Auch in seiner Heimatstadt Saarbrücken gefiel es ihm nicht mehr. Der damals 19-Jährige wollte weg, packte seine Sachen – und ging kurzerhand auf Weltreise. 2013 landete er schließlich in Wien: „Dass ich hier lebe, hat nichts mit dem Pokern zu tun. Ich hatte in Spanien zwei Jungs kennengelernt, die hier lebten. Wir verstanden uns auf Anhieb gut, sie suchten einen neuen Mitbewohner und ich fand die Stadt schön – das passte wie die Faust aufs Auge.“
Die neue Umgebung half ihm, sein Spiel zunehmend strukturiert voranzutreiben. „Ich fand Pokern anfangs eigentlich gar nicht so cool. Doch als ich in immer professionellere Kreise kam, merkte ich, dass man mit dem Spiel viel Geld verdienen und gleichzeitig reisen kann.“ Seine Turnierergebnisse verbesserten sich kontinuierlich. „Ich investierte lieber mehr Zeit, um morgen ein Prozent besser zu sein, anstatt gleich alles anzuwenden, was ich konnte, um gleich ein bisschen mehr Geld zu machen.“ War Holz somit ein Poker-Pro, der kurzfristige Verluste in Kauf nahm, um langfristig Erfahrung zu sammeln und besser zu werden? „Genau. Ich versuchte, an allen Bereichen des Spiels gleichzeitig zu arbeiten – auf Kosten von Zeit, in der ich hätte Geld verdienen können. Das betrifft das Sammeln und Analysieren von Informationen, um andere Spieler besser zu lesen, Reiseplanung, Zeit- und Finanzmanagement, einen gesunden Lebensstil, Personal Branding und so weiter. Vieles davon hilft mir bei meiner jetzigen Arbeit ungemein.“
Poker machte mir eine Zeit lang Spaß, weil ich viel Geld machen konnte. Aber ich kam dabei persönlich nicht weiter.
Sein strukturierter Ansatz hat laut Holz dazu geführt, dass er innerhalb weniger Jahre viel mehr Geld verdiente als andere. Denn der heute 25-Jährige stieg schnell in Sphären auf, in denen der finanzielle Multiplikator deutlich höher war als noch zuvor. Auf diesem Niveau wurde jedoch auch die Luft immer dünner. Denn Poker ist zwar in gewisser Weise sehr wohl ein Glücksspiel, auf lange Frist wird dieser Faktor jedoch unwichtiger, die Zufälle minimieren sich gegen null. Daher ist es auch unmöglich, über Nacht an die Spitze aufzusteigen, erklärt Holz, weil ausreichend Erfahrung und Information nun mal unerlässlich seien. Spieler sind auf ihre Netzwerke angewiesen und brauchen Helfer, die für sie Informationen sammeln, filtern und aufbereiten. „Poker hat viel mit Spieltheorie zu tun. Man muss immer eine Grundstrategie im Kopf haben. Das Spiel besteht aus Milliarden von Szenarien, die so weit wie möglich in Datenbanken erfasst, kategorisiert, analysiert und trainiert werden müssen.“ Ähnlich wie Schach beruht Poker für Fedor Holz auf einem komplexen Konstrukt aus verschiedensten Entscheidungsmöglichkeiten.
Der Deutsche studierte dieses System täglich mehrere Stunden. 2015 folgte der große Durchbruch: Holz gewann das High-Roller-Event der World Poker Tour in Las Vegas (eine Art Weltmeisterschaft für Pokerspieler, Anm.) mit einer Siegprämie von 1,5 Millionen US-$. Mit einem Jahresgewinn von 3,5 Millionen US-$ wurde er sogar vom Global Poker Index als „Europas Spieler des Jahres“ ausgezeichnet. Ein Jahr später spielte er die Rekordsumme von über 16 Millionen US-$ ein, allein zehn Millionen davon in einem Sommer – so viel wie kein anderer Spieler auf der Welt in diesem Jahr. Dennoch entschied sich Holz, seine professionelle Pokerkarriere zu beenden: „Poker machte mir einige Zeit lang Spaß, weil ich gut darin war und viel Geld machen konnte. Aber ich hatte nicht das Gefühl, einen Mehrwert zu schaffen. Ich kam persönlich nicht weiter.“ Es war seine mit Abstand beste Phase, doch er war ausgebrannt, fühlte sich trotz all der Erfolge unterdurchschnittlich.
Pokerspieler sind Einzelkämpfer. Sie sitzen alleine an Tischen, treffen ihre Entscheidungen alleine – und dürfen sich dabei noch nicht einmal etwas anmerken lassen. Doch Fedor Holz wurde irgendwann klar, dass er in einem Team arbeiten will, um etwas Nachhaltiges aufzubauen, das nicht nur von seiner Dynamik abhängig war, sondern auch eine Eigendynamik entwickeln könnte. „Wir sind alle darauf aus, dass es uns selbst gut geht. Wenn es einem selbst aber bereits gut geht, muss man sich darauf konzentrieren, dass es den Leuten in seiner Umgebung gut geht. In meiner jetzigen Umgebung habe ich das Gefühl, für mich und die Menschen einen Mehrwert zu schaffen“, so Holz. Er nimmt sich Zeit, bevor er unsere Fragen beantwortet. Wir merken: Da sitzt jemand, der sorgfältig nachdenkt und seine Gedanken strukturiert, bevor er Aktionen setzt. Und der sich alle relevanten Informationen holt, bevor er Entscheidungen trifft. Eine Angewohnheit, die ihn wohl bereits am Pokertisch erfolgreich machte.
Fedor Holz
wurde 1993 in Saarbrücken geboren. Mit rund 32,5 Millionen US-$ an Gewinnen aus Live-Turnieren gilt er als einer der besten Pokerspieler der Welt. Seit Ende 2016 ist Holz mit der Primed Group als Unternehmer tätig, wofür er auch seine Pokerkarriere beendete. Holz war Mitglied der Forbes „30 under 30 DACH“-Liste 2018.
Die 2017 gegründete Primed Group ist ein Start-up- und Investmentunternehmen, das in seinen Grundzügen einen Inkubator-Ansatz verfolgt. Der Unterschied zu herkömmlichen Gründerzentren liegt jedoch darin, dass das Ziel nicht nur die Entwicklung von Produkten ist, sondern vor allem auch den Aufbau einer Infrastruktur umfasst, in der Menschen ihre Ideen austauschen und dadurch Innovation vorantreiben können. Holz will eine Umgebung schaffen, in der sich Mitarbeiter interdisziplinär weiterbilden und schneller weiterentwickeln. „Bildung ist für mich das spannendste Thema überhaupt. Der Wert von reiner Information sinkt, weil die Informationsaufnahme immer leichter wird. Bald speichern wir das Gelernte wahrscheinlich nicht mehr in unseren Hirnen, sondern in einer Cloud ab.“ In Zukunft wird es weniger wichtig sein, möglichst viele Informationen im Kopf zu haben. Wir müssen daher laut dem Poker-Ass lernen, Informationen zu verknüpfen, um neues Wissen zu generieren: „Mehrwert zu schaffen ist für mich eine Komposition aus bereits existierenden Elementen.“
Genau diese Idee setzten Holz und sein Team bei der Entwicklung von Primed Mind, dem ersten großen Wurf der Know-how-Schmiede, um. Die im Sommer 2017 gelaunchte Mental-Coaching-App soll Nutzern helfen, ihren Alltag effizienter zu gestalten, um mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu bekommen. Das Konzept basiert auf Holz’ Erfahrungen als Pokerspieler sowie auf seiner Zusammenarbeit mit dem in den USA lebenden Mentaltrainer Elliot Roe, der ihn auf seinem Weg an die Weltspitze begleitete. Holz musste damals lernen, mit Stress und Enttäuschung umzugehen, sich seine Zeit besser als andere einzuteilen und das Gelernte auch wirklich in die Tat umzusetzen. Die App besteht nun aus über 100 Audio-Tapes, anhand derer verschiedene Situationen – etwa Verhandlungen, Prüfungen oder einfach nur zur Ruhe kommen – simuliert und trainiert werden können. Im September verzeichnete Primed Mind erstmals über 10.000 aktive wöchentliche Nutzer. Bald, so Holz, werde das Start-up hochprofitabel sein.
Das nächste große Projekt in der Pipeline ist die App „Primed Kids“, mit der Kinder im Alter von vier bis acht Jahren auf didaktisch innovative Weise Englisch lernen können. Holz entwickelte sie zusammen mit „Primed Kids“-CEO Adil Sbai, der wie Holz früher professionell Poker spielte. Der Launch soll noch diesen November erfolgen. „Wir sehen hier eine Marktlücke. Weltweit lernen rund 1,5 Milliarden Menschen Englisch als erste Fremdsprache. Kinderhirne funktionieren jedoch anders als jene von Erwachsenen: Lerninhalte müssen geschickt mit Storyinhalten verknüpft werden“, sagt Holz. Die App wurde daher als Spiel entwickelt, in dem Kinder über fiktionale Charaktere täglich 20 Minuten lang interaktiv die Sprache erlernen können. Holz zufolge floss bisher ein siebenstelliger Betrag an Investments in Projekte von Primed – ein sehr großer Teil davon aus seiner eigenen Tasche. Im Kernteam arbeiten zurzeit knapp 20 Mitarbeiter auf die einzelnen Start-ups verteilt. Doch es ist nicht nur die schrittweise Vergrößerung und Professionalisierung des Unternehmens, die Holz aktuell beschäftigt. Den Großteil seiner eigenen Arbeitszeit steckt er in den Aufbau eines thematisch konzipierten Co-Working-Spaces in Wien. Holz will die „Besten aus Bereichen wie Tech, Kunst und Lebensmittelindustrie zusammenbringen“. Auch bei diesem Projekt geht es ihm um das feine Zusammenspiel unterschiedlichster Aspekte sowie den Austausch und die Verknüpfung von Informationen, um neues Wissen zu generieren. Es scheint stets die gleiche Philosophie zu sein, mit der Fedor Holz an seine Tätigkeiten herangeht: akribische Vorbereitung, Verbindung von zahlreichen, auf den ersten Blick nicht immer zusammenhängenden Aspekten und ein Gespür dafür, wie seine Zeit sinnvoll eingesetzt ist. Nach den Stationen Pokerprofi und Start-up-Gründer hat Holz übrigens auch schon eine Idee, was er als Nächstes machen will. Denn es ist kein Zufall, dass in seinem eigentlich durchgeplanten Kalender ein erstes „Praktikum“ im Restaurant eines Freundes steht.
Text: Florian Peschl
Dieser Artikel ist in unserer Oktober-Ausgabe 2018 „Handel“ erschienen.