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Als Medical Director verantwortet Lewis-Hall bei Pfizer Innovationen in Sachen neue Medikamente.
„Da bin ich mit Oprah (Winfrey; Anm.) und da habe ich Michelle (Obama; Anm.) getroffen. Und wissen Sie, wer das ist?“, fragt Freda Lewis-Hall, als sie begeistert ihre Erinnerungen in ihrem Büro in Manhattan teilt. Vor uns erhebt sich die Skyline von New York City. In ihrem Büro steht eine Kommode, komplett mit Pflanzen bedeckt, Freda Lewis-Hall hat sie aus Setzlingen ihrer Großmutter gezogen, wie sie sagt. Dazu gibt es viele Familienfotos und Fotos von Lewis-Halls Ehemann.
Freda und ihren Mann verbindet eine lange Geschichte. Im Medizinstudium haben sie einander kennengelernt, dann wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. Hinzu kam auch noch der Verlust ihrer Mutter aufgrund eines Schlaganfalls. Lewis-Hall wollte alles hinschmeißen, entschied sich dann aber doch, das Studium fertig zu machen. Die beiden sind immer noch verheiratet. „Er ist ein großartiger Mann.“ Freda Lewis-Hall hat Humor und lacht gerne, sie weiß, wie man Geschichten erzählt, und lässt einen fast vergessen, dass man im Büro eines der größten Pharmakonzerne der Welt steht und mit ihr einen der wichtigsten Entscheider der Pharmabranche vor sich hat.
Pfizer ist laut Beratungsunternehmen EY mit Abstand Umsatz-Spitzenreiter (2016 waren es 44,6 Milliarden €), wenngleich man bei Forschungs- und Entwicklungsausgaben mit 3,8 Milliarden € auf dem zwölften Platz landet; Roche, an der Spitze, investierte mehr als doppelt so viel. Wichtige Medikamente wie Viagra und Lyrica werden in den kommenden 18 Monaten ihren Patentstatus verlieren. Die Menschen wollen zunehmend ihre Gesundheit selbst managen und künstliche Intelligenz (KI) und Medizin eröffnen eine neue Welt.
Ihr fachlicher Background ist die Psychiatrie. Heute sind Sie an der Spitze von Pfizer. Sie treten auch regelmäßig in der nationalen Show „Dr. Phil“ (US-TV-Serie; Anm.) auf und beantworten grundlegende Fragen zum Thema Gesundheit. Was ist denn Ihr Konzept von Gesundheit?
Als ich in den Psychiatrie-Bereich kam, war das zu einer Zeit, als dieser so richtig in Schwung kam. In den letzten, ich glaube, 30 Jahren (lacht) nach meinem Abschluss, ist alles noch viel spezifischer geworden. Wir haben mittlerweile bildgebende Verfahren, wie sich unser Körper verändert, unser Gehirn darauf reagiert und auf die Dinge, die rund um uns herum passieren. Unsere Gedanken beeinflussen tatsächlich, was in anderen Teilen unseres Körpers passiert, und das ist wahrlich faszinierend. Es ist ein Code, den wir noch nicht ganz entschlüsselt haben. Mindfulness, Meditation, Achtsamkeit, über all diese Dinge lernen wir die physikalischen Implikationen und wie unser Geist und unser Körper interagieren.
Ich finde diese neuen Entwicklungen faszinierend! Ich nenne das die „Star-Wars-Medizin."
Sie hatten in einem Vortrag darüber gesprochen, dass Menschen frustriert sind, weil sie das Gefühl haben, dass „Pharmas“ es nicht schaffen, Heilmethoden für ernsthafte Krankheiten auf den Markt zu bringen. Gleichzeitig strömen viele Start-ups vor allem im Bereich der Genveränderung und Cripr-Cas9 ins Feld, die maßgeschneiderte Präzisionsmedizin anbieten wollen und uns einen Vorgeschmack auf eine gänzlich neue Welt der Medizin geben. Wie blicken Sie darauf?
Ich finde das faszinierend, ich nenne das die „Star-Wars-Medizin“. Wir können heute schon Dinge tun und sind schon viel weiter, als es die meisten erwartet hätten. Zum Beispiel arbeiten wir in ganz unterschiedlichen Feldern überall auf der Welt daran, den Code des Wohlbefindens und den von Krankheiten zu knacken. Mit diesen Erkenntnissen kommen wir auf neue Entdeckungen im Bereich der Therapien und der Prävention. Und dann verbringen wir Jahre damit und stecken unheimlich viele Ressourcen und geistige Leistung hinein, diese Aha-Erlebnisse in Lösungen umzusetzen. Wie kann man da nicht ganz vorne mit dabei sein wollen?
Sie sind auf einer hohen Hierarchieebene in einem riesigen Konzern und damit eine von wenigen. Welche Erfahrungen haben Sie auf Ihrem Weg dahin gesammelt?
Viele dieser klassischen Barrieren sind noch da. Familienverantwortung, bewusste oder unbewusste Vorurteile. Auch Stilfragen. Es gab eine Fülle an Studien, die suggerieren, dass diese „Stilprobleme“ sich in die Kommunikation einschleichen und die Idee des kollaborativen Modells herausfordern. Auch das, was ich glaube, was ich werden kann oder nicht, sind Barrieren. Aber es hat sich auch bewiesen, dass keine Barrieren unüberwindbar sind, nämlich in der Art und Weise, in der wir Systeme vorangetrieben haben: sie kollektiv zu verstehen, anzuerkennen und damit bewusst umzugehen, wenn sie auftauchen. Die meisten Industrien sind Männerdomänen – und es gibt Unterschiede darin, wie Männer und Frauen führen.
Sehen Sie das als Konflikt?
Nennen wir es nicht Konflikt, nennen wir es Kompliment – ein Kompliment, das wir noch nicht als solches erkannt haben und deshalb nicht völlig wertschätzen können. Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass, wenn man alle unterschiedlichen Führungsstile inkludiert und integriert, man am Ende besser dasteht.
Mein Mann sagte zu mir: ‚Du wolltest immer heilen. Macht es dir wirklich nichts aus, ob es ein Mensch ist oder Millionen Menschen auf einmal?’ Dem hatte ich nichts entgegenzusetzen, also kam ich in die Industrie.
Ist das Ihre Sicht auf Leadership?
Zum Großteil besteht mein Leadership darin, zu fördern und zu inspirieren – und zwar anhand dessen, was wir gemeinsam vorhaben. Wenn man sich nicht dafür begeistern kann, Krankheiten zu heilen, Leben zu retten oder sich für die Gesundheit der Menschen einzusetzen, dann weiß ich nicht, wofür man sich begeistern könnte. Seit ich sechs Jahre alt war, wollte ich Ärztin werden. Ich lebte mit einem Onkel, der verschiedene gesundheitliche Probleme hatte, weil er als Kind Polio (Kinderlähmung; Anm.) hatte. Ich sah, wie das Gesundheitswesen sein Leben und somit unser Leben veränderte. Ich wollte Menschen in solchen Situationen helfen. Dann fand ich heraus, dass ich mich für die Wissenschaft interessiere, die diese Probleme lösen kann. Und dass das tatsächlich in Unternehmen wie Pfizer passiert. Die Pharmabranche ist sicher einer der besten Orte, um Wissenschaftler zu treffen, die Erstaunliches leisten. Um ehrlich zu sein, ich habe anfangs damit gekämpft, weil ich eigentlich aus der Krankenpflege kam. Mein Mann kannte mich genau und sagte zu mir: „Du weißt, du wolltest immer heilen: Macht es dir wirklich nichts aus, ob es ein Mensch ist oder Millionen von Menschen auf einmal?“ Dem hatte ich nichts entgegenzusetzen, also kam ich in die Industrie. Für mich ist es etwas Besonderes, meine Erfahrung und Fähigkeiten in ein Leadership umzusetzen, das Probleme begreifbar macht und hilft, diese zu bearbeiten.
Was würden Sie Ihrem 30-jährigen Ich heute sagen?
Zögere nicht und frag dich nicht zu oft, ob du qualifiziert genug bist. Zeig auf für die Dinge, die du machen möchtest und dann geh einfach darauf zu. Manchmal musst du etwas riskieren, aber das ist normal. Das habe ich nie verstanden, bis ich über 30 war, das hätte ich gerne früher gewusst. Finde heraus, was deine Spitzenrolle ist. Denk nicht daran, welchen Job du als Nächstes, sondern daran, welchen du als Letztes machen möchtest, und habe einen Plan. Meiner war, den größtmöglichen Impact und die tiefstmögliche Befriedigung dabei zu haben – wo ist diese Kreuzung und welche Erfahrungen und welches Verhalten brauche ich, um diesen Job dann gut zu machen? Das war eine wichtige Übung.
Authentizität ist wichtig, um in einer Karriere aus sicher herauswachsen und reifen zu können. Es ist so wichtig, auch sagen zu können, das bin nicht ich.
Ihre persönliche Geschichte ist ja sehr bewegend. Ihre Mutter starb während Ihres Studiums – zeitgleich wurde bei Ihrem damaligen Freund, heute Ehemann, Krebs diagnostiziert und Ihre Großmutter hatte Demenz. Wie haben Sie das alles bewältigt?
Meine Eltern haben ein Opfer nach dem anderen gebracht. Hätte ich das nicht genutzt, wäre das nicht die entsprechende Würdigung gewesen. Mein Vater wird nächsten Monat 99 Jahre alt und er ist nach wie vor ein Original. Sie haben nie einen stolzeren Vater gesehen, er sagt immer: „Das ist meine Tochter.“ In meinem Studium hatte ich diesen Moment der Wahrheit. Ich wollte aufgeben. Brauchte eine Pause. Ich hatte einen Brief geschrieben, dass ich die Medizinuni hinschmeiße. Ich ging zum Büro des Direktors, um diesen Brief abzugeben, und auf einmal steht einer meiner Mentoren vor mir – er ist auch heute noch mein Mentor – und ruft über den Gang: „Doktor Lewis! Was machen Sie da?“ Ich habe ihm erzählt, was bei mir gerade los ist, und er hat mich umgedreht. Wortwörtlich. Er hat mich überzeugt, dass ich es schaffen kann. Halte deinen Kopf hoch. Das war wichtig, um meine Mutter zu ehren und alle anderen, die in mich investiert hatten. Und eine letzte Sache ist Authentizität. Das ist wichtig, um in einer Karriere aus sich herauswachsen und reifen zu können. Es ist so wichtig, auch sagen zu können, das bin nicht ich. Aber ich sage Leuten auch, dass man vorsichtig sein muss mit der Authentizität – nicht alle brauchen immer das volle Du. Eine Freundin von mir hat ein eigenes Signal – ich frage sie, was heißt das – und sie sagt: „Zu viel Freda.“ (lacht) Lerne und wachse, wir haben noch so viel vor uns.