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Durch die Kombination von Tradition und Moderne hat Bernard Arnault mit LVMH den größten Luxuskonzern der Welt erschaffen. Die Bündelung zahlreicher Marken brachte dem Franzosen ein Vermögen von über 100 Milliarden US-$.
„Bernard Arnault inspiriert mich“, sagt Sheron Barber. Barber ist eine Erscheinung, mit schwarzen Dollarzeichen in seinen gelb gefärbten Haaren und mehreren Louis-Vuitton-Kofferschlössern, die er an einer Kette um seinen Hals trägt. „Ich habe letztes Jahr einige Hunderttausend Dollar für Louis-Vuitton-Produkte ausgegeben“, sagt er locker. Barber verdient gutes Geld, indem er Musikstars wie Post Malone und Migos ausstattet. Er ist extra aus Los Angeles nach Paris gereist, um bei einem Event im Louis-Vuitton-Store am Pariser Place Vendôme zu sein. „Arnault hat quasi im Alleingang das Konzept des modernen Luxus definiert.“
Bernard Arnault ist das Cover der Jänner-Ausgabe 2020 „Radical Change“
Auch Arnault selbst ist vor Ort und erzählt, mit einem hörbaren französischen Akzent sprechend: „Das ist ein außergewöhnliches Haus von Louis Vuitton. Es zeigt das gesamte Spektrum der Marke.“ Vor zwei Jahren eröffnet, fühlt sich der Raum an wie eine Mischung aus Museum und Privatklub. Eine Reihe von Louis-Vuitton-Produkten wird in glänzenden Vitrinen und kunstvoll platzierten Regalen ausgestellt. Die Marmortreppe mit Glasbalustraden führt zu einem privaten Atelier im vierten Stock, in dem sechs Näherinnen maßgeschneiderte Kleider für Prominente wie Lady Gaga und Emma Stone anfertigen. „Ich war stark am Design beteiligt“, sagt Arnault.
Mehr als 70 Marken unter einem Dach vereint
Der Franzose überwacht die Marken seines Hauses wie ein Besessener. Das gilt besonders für die Marke Louis Vuitton, die Cashcow des Konzerns, auf die laut Analysten rund ein Viertel des LVMH-Gesamtumsatzes von 54 Milliarden US-$ (2018) entfällt – und bis zu 47 % des Gewinns. LVMH gibt keine Finanzkennzahlen für die einzelnen Marken an, sondern nur für die fünf wichtigsten Geschäftsbereiche (Parfum & Kosmetik, Mode & Leder, Wein & Spirituosen, Uhren & Schmuck sowie sonstiger Einzelhandel). Die Produkte, die nie zu Rabattpreisen angeboten werden, sind eine Mischung aus Moderne und Klassik. „Warum sind Marken wie Louis Vuitton oder Dior so erfolgreich?“, fragt Arnault rhetorisch. „Sie verbinden zwei Aspekte, die widersprüchlicher nicht sein könnten: Zeitlosigkeit und Moderne. Es ist wie Feuer und Wasser.“
Bernard Arnault
... wurde 1949 im nordfranzösischen Roubaix geboren. In den 80er-Jahren übernahm er Christian Dior, später dann Louis Vuitton und Moët Hennessy. Arnault ist mit seinem Vermögen von rund 105,2 Milliarden US-$ der aktuell drittreichste Mensch der Welt.
Diese Kombination hat sich in den letzten Jahren in Rekordumsätzen und -gewinnen für den Mutterkonzern LVMH niedergeschlagen. Mehr als 70 Marken vereint Arnaults Unternehmen unter einem Dach, darunter Fendi, Bulgari, Dom Pérignon oder Givenchy. Die Strategie funktioniert: Der Aktienkurs vervierfachte sich in den letzten vier Jahren und machte Arnault, der 47 % des Unternehmens hält, zum drittreichsten Menschen der Welt. Mit seinem Vermögen, das zuletzt 105,2 Milliarden US-$ betrug (alle Zahlen zu Redaktionsschluss), muss er nur Amazon-Gründer Jeff Bezos (116 Milliarden US-$) und Microsoft-Gründer Bill Gates (110,8 Milliarden US-$) den Vortritt in Sachen Reichtum lassen – zwischenzeitlich war er sogar auf dem ersten Platz. Trotz – oder gerade wegen – seiner 70 Jahre ist Arnault noch lange nicht fertig: Ende Oktober 2019 gab LVMH ein Gebot von 14,5 Milliarden US-$ für den 182 Jahre alten amerikanischen Juwelier Tiffany & Co. ab. Der Deal ging letztendlich für 16 Milliarden US-$ durch, wodurch Arnaults Vermögen ordentlich anstieg. „Verglichen mit Microsoft sind wir noch klein“, sagt der Franzose. Tatsächlich hat LVMH mit seiner Marktkapitalisierung von 214 Milliarden US-$ verglichen mit den 1,1 Billionen US-$ von Microsoft noch viel Aufholpotenzial. „Das ist erst der Anfang“, sagt Arnault.
Wolf im Kaschmirpelz
Arnaults Karriere begann im Industriegebiet in Frankreichs Norden, weit weg von der glitzernden Welt, die er heute mitgestaltet. Er war vernarrt in Musik, sein Talent reichte jedoch nicht, um Konzertpianist zu werden. Er trat 1971 in das Bauunternehmen seines Großvaters ein, das dieser in Roubaix, nahe der belgischen Grenze, aufgebaut hatte. Die Idee für sein heutiges Unternehmen hatte Arnault nach einer Unterhaltung mit einem Taxifahrer in New York: Er fragte diesen, ob er den damaligen französischen Präsidenten Georges Pompidou kenne. „Nein“, sagte dieser, „aber ich kenne Christian Dior.“ Arnault übernahm wenig später, im Alter von 25 Jahren, das Familienunternehmen und zog 1981 in die USA. Als er dann hörte, dass Christian Dior zum Verkauf stand, ergriff er die Chance: Er selbst brachte 15 Millionen US-$ auf, die US-Investmentbank Lazard stellte die restlichen 80 Millionen US-$. Gerüchten zufolge gab er damals ein Versprechen ab, Arbeitsplätze sicherstellen zu wollen – stattdessen entließ er 9.000 Mitarbeiter und verdiente 500 Millionen US-$, indem er einen großen Teil des Geschäfts verkaufte. Medien nannten Arnault einen „Wolf im Kaschmirpelz“.
Umsatzverteilung nach Segmenten
(Quelle LVMH)
Seine nächste Beute war Diors Parfumabteilung, die an Louis Vuitton Moët Hennessy verkauft worden war – ein Kampf der beiden Markenchefs eröffnete ihm die Chance, und er griff zu. Er schloss sich mit dem Chef von Vuitton zusammen, um Moëts Chef zu verdrängen; später sägte er auch Vuittons Chef ab. 1990, erneut unterstützt von Lazard, hatte er die Kontrolle über das Unternehmen übernommen, zu dem Moët & Chandon, der berühmte französische Champagnerhersteller, und Hennessy, der französische Cognacproduzent, gehörten. Nach der Eroberung von Louis Vuitton Moët Hennessy investierte Arnault Milliarden, um führende europäische Unternehmen in den Bereichen Mode, Parfum, Schmuck und Uhren sowie edle Wein- und Spirituosenmarken zu erwerben. Seit 2008 hat LVMH 20 davon gekauft, sodass sich die Gesamtzahl auf 79 Marken beläuft. Im Jahr 2011 zahlte das Unternehmen fast fünf Milliarden US-$ für den italienischen Juwelier Bulgari, zwei Jahre später folgte der Feinwolllieferant Loro Piana für 2,6 Milliarden US-$.
Eine weitere Übernahme erfolgte im April 2018, als LVMH 3,2 Milliarden US-$ für die in London ansässige Hotelgruppe Belmond zahlte, zu deren Beständen das Cipriani-Hotel in Venedig, die Luxuszuglinie Orient Express und drei ultraluxuriöse Safarilodges in Botswana gehören. Doch der vielleicht wichtigste Deal in der Geschichte von LVHM war besagte Übernahme von Tiffany & Co. um 16 Milliarden US-$ – ein US-amerikanischer Traditionsbetrieb, der sich nunmehr in französischer Hand befindet.
„Verglichen mit Microsoft sind wir noch klein. Das ist alles erst der Anfang.“
Das ruft auch Kritiker auf den Plan. „Bernard Arnault ist ein Raubtier, kein Schöpfer“, sagt ein Bankier, der über einen von Arnaults Deals informiert war. Doch nicht alle Deals klappten: Den Kampf um die Kontrolle des italienischen Modehauses Gucci verlor Arnault etwa. Durch eine Hintertür schnappte er sich jedoch 17 % der französischen Luxusmarke Hermès; 2017 verkaufte er seine Aktien nach einem langen Streit aber wieder.
4.590 Geschäfte in 68 Länder
Arnaults makelloses Aussehen wirkt wie eine Rüstung. Er trägt Anzüge und Schuhe von seinen Luxusmarken, ist 1,80 Meter groß und schlank. Arnault spielt vier Stunden pro Woche Tennis, manchmal mit seinem Freund Roger Federer. „Ich versuche, fit zu bleiben, und treibe daher viel Sport“, so Arnault. Diese Aktivitäten sind seltene Pausen im Kalender des Workaholics. Er beginnt jeden Morgen um 6:30 Uhr mit klassischer Musik, liest dabei die neusten Branchennews und schreibt SMS an Familienmitglieder und seine Markenchefs. Von 8 bis 21 Uhr ist er in seinem Büro.
Das Rennen der reichsten Menschen der Welt
(Quelle: Forbes)
„Er arbeitet 24 Stunden pro Tag“, sagt Delphine Arnault, 44 Jahre alt und Arnaults ältestes Kind. Sie ist Executive Vice President von Louis Vuitton. „Wenn er schläft, träumt er von neuen Ideen.“ Jeden Samstag streift Arnault durch seine Geschäfte, arrangiert Schaufenster und macht Vorschläge. „Es ist ein Ritual“, sagt sein Sohn Frédéric, 25, der bei LVMHs führender Uhrenmarke TAG Heuer arbeitet. 25 Shops schafft Arnault an einem Tag, weltweit umfasst das LVMH-Imperium 4.590 Geschäfte in 68 Ländern. Dabei ist die Expansion nicht blind: In China wird die Zahl der Shops etwa begrenzt, um das Expansionstempo unter Kontrolle zu halten; letztes Jahr schloss Louis Vuitton gar einen Shop in Florida, weil die benachbarten Geschäfte, Restaurants und Parkplätze nicht elegant genug waren.
Im Juli 2019, als Bekleidungsmarken darum kämpften, möglichst grün zu wirken, kündigte Arnault eine Partnerschaft mit der britischen Modedesignerin Stella McCartney an, die seit Langem für ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen bekannt ist. Bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Paris Fashion Week sagte er, dass Nachhaltigkeit ein großes Thema sei und dass der Strom der Veranstaltung mit Generatoren erzeugt werde, die mit Rapsöl betrieben werden. Im Lauf der Pressekonferenz wurde Arnault dann gebeten, seine Gedanken über junge Klimaaktivisten wie die 17-jährige Schwedin Greta Thunberg zu teilen. „Ich bin ein Optimist“, sagte er, „im Gegensatz zu Greta, die zwar ein großes Problem anspricht, es jedoch ohne echte Lösung und mit viel Pessimismus in die Welt kommuniziert.“
Dennoch ist Arnault darauf bedacht, die junge Zielgruppe an die eigenen Marken zu binden – etwa über Kollaborationen mit Popstar Rihanna. „Sie bringt eine andere Vision von Mode mit“, sagt Arnault. „Für die Zukunft ist es wichtig, dass wir mit den Millennials verbunden sind.“ Um diesen modernen Ansprüchen zu genügen, setzt er seine fünf Kinder im Unternehmen ein: Delphine (44 Jahre alt), Antoine (42), Alexandre (27) und Frédéric (25). Sein jüngstes Kind, Jean, ist 21 Jahre alt und wird laut Alexandre wahrscheinlich nach dem Studienabschluss ins Unternehmen eintreten.
Kurz nachdem er im September 2018 Strategie- und Digitalchef bei der Schweizer Uhrenmarke TAG Heuer wurde, präsentierte Frédéric Arnault seinem Vater beim Abendessen eine Idee: Um die Smartwatch der Marke für Golfer zu verbessern, wollte er ein französisches Start-up namens FunGolf erwerben, das eine App mit detaillierten Geländedaten von 39.000 Golfplätzen erstellt hatte. Die Spieler konnten so messen, wie weit sie von Sandlöchern oder dem Grün entfernt waren. „Die Leute in der M&A-Abteilung hielten mich für verrückt“, sagt er. Aber als er sich an seinen Vater wandte, sagte dieser: „Mach nur!“
Auch Sohn Alexandre sagt, dass sein Vater schnell seine Zustimmung für Tech-Deals gab, die er an der Spitze des Investmentvehikels Groupe Arnault machen wollte – einschließlich Wetten auf Spotify, Slack, Airbnb, Uber und Lyft. 2016 überredete Alexandre Arnault LVMH dann, 719 Millionen US-$ für eine 80-%-Beteiligung an dem 121 Jahre alten deutschen Gepäckhersteller Rimowa zu zahlen, der Prominente wie David Beckham und Angelina Jolie zu seinen Kunden zählt. Bei Rimowa startete Alexandre Kooperationen mit Marken, die dem Gepäckhersteller nicht unbedingt nahestehen, etwa Supreme. Tochter Delphine leitet den LVMH Prize for Young Fashion Designers, der jedes Jahr an einen aus Tausenden von Jungdesignern vergeben wird. Und LVMH hat im Pariser Inkubator Station F – der vom französischen Milliardär Xavier Niel ins Leben gerufen wurde, der Delphines Lebensgefährte und Vater der beiden Kinder ist – einen Accelerator für bis zu 50 vielversprechende Start-ups im Luxussektor gestartet.
Was sagen Arnaults Nachkommen auf die Frage, wer von ihnen das Unternehmen eines Tages leiten wird? „Unser Vater ist noch sehr jung“, sagt Delphine. „Er wird noch 30 Jahre arbeiten“, sagt Alexandre. „Ich glaube nicht, dass er jemals aufhört“, sagt Antoine, Leiter der Unternehmenskommunikation von LVMH und Chef von Berluti. „Die Leute fragen mich das ständig“, sagt Bernard Arnault. „Das Wichtigste für das Unternehmen ist, dass wir die besten Mitarbeiter und Führungskräfte finden. Wir werden sehen, ob diese innerhalb oder außerhalb der Familie sind.“ Wie lange wird er noch arbeiten? „Ich habe mir noch kein Ende gesetzt“, so Vater Arnault.
Text: Susan Adams / Forbes US
Fotos: Jamel Toppin / Forbes US
Der Artikel ist in unserer Jänner-Ausgabe 2020 „Radical Change“ erschienen.