FRANZOSENZEIT IM BUSINESS BANKING

Die französische Digitalbank Qonto will den Business-Banking-Markt aufmischen und zum europäischen Einhorn aufsteigen. Mit dem Kapital prominenter Investoren soll vor allem das Deutschland-Geschäft angetrieben werden.

Eigentlich wollte Philipp Pohlmann in diesen Wochen mit seinen Mit­arbeitern 14-Stunden-Schichten schieben, aktuelle Kundendaten analysieren sowie Integrationslösungen in Echtzeit umsetzen. Doch dann kam Covid-19 – und nun sitzt der Deutschland-Chef der französischen B2B-Neo-Bank Qonto alleine in seinem Büro am Potsdamer Platz. Die Pandemie hat das zwölfköpfige Team von Qonto in Berlin nicht nur in die Heimarbeit geschickt, sondern auch den gesamten Rollout-Plan für den deutschen Markt über den Haufen geworfen. Doch die Situation bringt der digitalen Geschäftsbank auch positive Nachrichten: „Die Coronakrise hat ganz klar die Vorteile unserer digitalen Dienstleistungen aufgezeigt. Besonders bei den virtuellen Karten zur bargeldlosen Bezahlung haben wir in den vergangenen Wochen ein überdurchschnittliches Wachstum erzielt“, sagt Pohlmann.

Ende Januar 2020 ist Qonto in Deutschland gestartet. Das Fintech bietet mit seiner App Geschäfts­konten für KMUs, Start-ups und Selbstständige. Nach Spanien und Italien ist die Bundesrepublik damit der dritte Auslandsmarkt, den die französischen Qonto-Gründer ­Alexandre Prot und Steve Anavi seit dem Start 2017 ins Visier nehmen.

Im Vorjahr hat Qonto nach ­eigenen Angaben Transaktionen im Wert von zehn Milliarden € umgesetzt, fast dreimal so viel wie im Jahr 2018. Mehr als 75.000 Unternehmen und Freiberufler konnte die Banking-App europaweit bis dato als Kunden gewinnen. Das Vorhaben für den deutschen Markt mit seiner traditionell hohen Bankendichte und einigen starken digitalen Mitbewerbern ist – ganz nach dem Anspruch von Qonto – ambitioniert.

Philipp Pohlmann
... studierte Economics, Management und Strategy Innovation in Maastricht und Lissabon. Er war Fintech Account Lead DACH bei Google und arbeitete für das Marktforschungsunternehmen App Annie, bevor er im November 2019 Deutschland-Chef von Qonto wurde.

„Deutschland hat mit rund 3,5 Millionen KMUs großes Potenzial für Qonto – hier wollen wir die Wachstumsgeschichte aus Frankreich wiederholen und als Fintech den Weg zum Unicorn gehen“, so Pohlmann. Zum Kundenkreis zählen Firmen aller Branchen, vom klassischen Ein-Mann-Unternehmer im traditionellen Handwerk bis zu Unternehmen in der Digital- und der Kreativszene. „Junge Start-ups, die gerade am Markt starten, sehe ich als unsere zentrale Kundenbasis. Mit ihnen können wir als innovative und unternehmerisch geprägte Firma den Weg vom Ein-Mann-Unternehmen bis zu einer Größe von 250 Mitarbeitern gehen“, sagt Pohlmann. 20.000 Neukunden sind laut ihm das Ziel bis Jahresende in Deutschland.

Das Service zur digitalen Abrechnung von Projektgeschäft oder Reisetätigkeit einzelner Abteilungen eines Unternehmens nutzen besonders etablierte Firmen in der Beratungs- und Agenturbranche. Das Business-Banking-Konto gibt es in drei Modellen zu monatlichen Abo-Kosten zwischen neun und 99 €. Inkludiert sind je nach Paket eine kostenlose Mastercard inklusive ­Versicherungsleistungen, ­virtuelle Karten, papierlose Buchhaltung und spezielle Angebote zum Finanz­management von Teams.

Einen Beleg für das Erfolgspotenzial des Start-ups, das noch 2020 mit dem Erhalt der Bank­lizenz der deutschen Bafin rechnet, ­liefert die Investorenliste der Franzosen: Die jüngste und dritte Finanzierungs­runde des Start-ups zu Jahresbeginn brachte 104 Millionen €, von unter anderem dem chinesischen Internetkonzern Tencent, DST Global oder Valar Ventures – alle drei sind auch bei N26 investiert.

Auch ein Mitgründer des ­britischen Fintechs Transferwise, Taavet Hinrikus, zählt zu den Geld­gebern. Pohlmann: „Ein Drittel des Investitions­volumens fließt in das Deutschland-Geschäft, das wir als Schlüssel auf dem Weg zur europäischen Geschäftsbank sehen.“ Friederike Stradtmann, Expertin für Fintechs bei der Unternehmens­beratung Accenture, dazu: „Mit mehr als 500.000 Gründungen im Jahr ist Deutschland für eine Businessbank ein sehr starker Markt. ­Insofern sind die Pläne von 20.000 Neukunden im Jahr ehrgeizig, aber nicht unrealistisch.“

Von den rund 210 Mitarbeitern arbeitet etwa die Hälfte in der internationalen Produktentwicklung. Bis Jahresende will Qonto auf 300 Personen wachsen.

Ein weiteres Ziel der App-­Bank ist, das gesamte Transaktionsvolumen bis zum Jahresende auf 30 Milliarden € zu verdreifachen. Dafür braucht es einen aggressiven Kurs gegen die Mitbewerber. Denn mit Penta, Holvi und Kontist stehen allein in Deutschland mehrere Start-ups in direkter Konkurrenz zu Qonto. Doch nicht nur Jungunternehmen, auch die Platzhirsche haben den Markt für sich entdeckt: Seit 2019 spricht etwa die Deutsche Bank mit ihrem Angebot Fyrst Gründer, Selbstständige und Freiberufler als neue Zielgruppe an. Auch N26 wirbt mit Angeboten für Unternehmen.

Als klaren Wettbewerbs­vorteil sieht Pohlmann das eigene Kernbanksystem, das der neue B2B-Anbieter selbst entwickelt hat. „Anders als Penta oder Fyrst, wo die Konten bei der Solarisbank (ebenfalls ein Berliner Fintech, Anm.) respektive der Deutschen Bank liegen, sind wir keine Plattform. Das ermöglicht uns, völlig unabhängig von einem Drittanbieter zu agieren. Wir können durch die Kernbank-Technologie Produkte ganz auf die Bedürfnisse der verschiedenen Kundengruppen anpassen“, erklärt Pohlmann.

Die Idee zu Qonto entstand, wie so oft, aus Frustration über die eigene Erfahrung als Kunde. Damals zogen die beiden Qonto-Gründer Alexandre Prot und Steve Anavi gemeinsam ihr erstes Unternehmen auf und erlebten die Bankdienste als kompliziert, zeitaufwendig und altmodisch.

„Wir wollen der individuelle ­Finanzpartner für Unternehmer und Unternehmen sein – und neben dem alltäglichen Bankgeschäft alle Bereiche von Business Finance abbilden“, erklärt Pohlmann. Aus aktuellem Anlass ist der Fintech-Manager, der vormals bei Google und zuletzt beim Marktforschungsunternehmen App Annie tätig war, mit seinem Team weniger mit Marketingkampagnen zur Kundengewinnung beschäftigt als mit der Weiterentwicklung der eigenen App. Anfang 2021 will Qonto mit dem neuen Gesamtpaket und einer Marketingoffensive in allen Märkten durchstarten.

Mit der Vollbanklizenz soll eine weitere Differenzierung zu Konkurrenten gesetzt werden. „Selbstständige und KMUs werden von traditionellen Anbietern vernachlässigt, weil sie nicht viel Geld bringen. Doch gerade sie sind am schwersten von dieser Krise betroffen“, sagt Pohlmann. Unbürokratisch und kostengünstig sollen Finanzierungen künftig ausgestaltet werden, so Pohlmann.

Aktuell ist die Hälfte der ins­gesamt 210 Qonto-Mitarbeiter im Bereich der internationalen Produktentwicklung engagiert. Auch hier setzt die Digitalbank auf Expansion – bis Ende 2020 soll das Qonto-­Team auf 300 Personen wachsen. Wann Pohlmann wieder nach Paris reisen wird, hält er sich offen. An die Arbeitstage mit vielstündigen Videokonferenzen hat er sich nach mehr als zwei Monaten jedoch längst gewöhnt.

Text: Christiane Kaiser-Neubauer
Fotos: Qonto

Forbes Editors

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