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Der Stephansdom und die Gegend rundherum sind das Herz Wiens. Was Wien sonst noch so zu bieten hat, erzählt Muamer Bećirović, Redakteur von Forbes DACH, hier noch genauer.
„In Wien hat sich seit 100 Jahren nichts verändert, nur der Kaiser kommt nicht mehr“, sagte einst der österreichische Autor Fritz Molden. Und er hatte völlig recht. Denn Wien war bis 1918 die Hauptstadt eines Reichs mit einer Bevölkerung von fast 60 Millionen Einwohnern – bis es nach dem Ersten Weltkrieg auf seine heutige Rolle als Hauptstadt der Republik Österreich mit ihren acht Millionen Einwohnern reduziert wurde. Als Großstadt war Wien immer für eine größere Bevölkerung – über zwei Millionen Menschen – ausgelegt. Deutsche Freunde zeigen sich daher oft überrascht bei Spaziergängen durch die Innenstadt: „Für ein so kleines Land hat Wien erstaunlich pompöse Bauten!“ Wer wissen will, wie Europa vor über 200 Jahren aussah, für den lohnt sich ein Trip nach Wien allemal. Diese Stadt tickt anders als der Rest von Europas Großstädten. Sie ist zum Beispiel wesentlich langsamer: Es ist alles etwas gemütlicher, gemächlicher in Wien. Den Charakter der Stadt zeichnet eine harmonische Mischung aus Preußentum und Balkan aus – die Dinge sind nicht so ernst, nicht jede Zeile in Vorschriften muss penibel beachtet werden. „Jo, schau ma moi“ („Ja, sehen wir mal!“) ist die Devise der Stadt, was in etwa heißt, dass man alle Augen zudrückt, damit die Dinge klappen – oder eben auch nicht.
Oftmals beschweren sich Touristen über die Unfreundlichkeit der Hauptstädter. Und ich muss zugeben: Das stimmt. Aber es ist nicht so, dass dieser „Grant“ ausschließlich den Touristen vorbehalten ist – er trifft auch die eigenen Einwohner. Das gehört zur Identität der Stadt irgendwie dazu. „In Wien musst’ erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang!“, resümiert etwa der österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger über die ambivalente Mentalität der Wiener. Wien hat allerdings weit mehr zu bieten als seine Griesgrämigkeit. Denn die Stadt gilt laut Mercer-Studie als lebenswerteste der Welt. Etwa lässt man hier niemanden im Stich: In Wien sieht man selten Obdachlose oder Notleidende. Der Wiener hat also eine harte Schale, aber einen weichen Kern. Und: Er ist gemütlich. Das zeigt sich auch in den Kaffeehäusern. „Sie haben’s gut, Sie können ins Kaffeehaus geh’n!“, sagte der vorletzte Kaiser der Österreicher, Franz Joseph I., voller Neid zu einem seiner Untertanen. Die Kaffeehauskultur ist in Wien tatsächlich eine Besonderheit: Sie ist untrennbar mit der Stadt verbunden – wobei der Kaffee in den klassischen Wiener Kaffeehäusern oft nicht der beste ist, weshalb die junge Generation an Wiener Baristas diese in den Wettbewerb zwingt. Das Wiener Kaffeehaus ist ein Ort für alles: einen Heiratsantrag, die Trennung vom Partner, für Essen und Trinken, fürs Schreiben, Lesen, Nachdenken, Weinen und Lachen – alle Gemütszustände finden hier ihre Entfaltung. „Im Kaffeehaus sitzen Leute“, sagte der Schriftsteller Alfred Polgar „die allein sein wollen, dazu aber Gesellschaft brauchen.“
EISSALON TICHY
...Sollten Sie jemals im Frühling/Sommer in Wien sein, dann müssen Sie unbedingt die Eismarillenknödel im Eissalon Tichy probieren.
JOSEPH BROT
...Hier bekommt man immer ein exzellentes Frühstück – und der Kaffee wird mit einem Finanzier (französischer Mandelkuchen, Anm.) versüßt.
SIGMUND-FREUD-MUSEUM
...Hier erfährt man, wie der Psychoanalytiker die eigene Disziplin revolutionierte – und wie er hochbetagt vor den Nazis floh.
„DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT“
...Das berühmte Theaterstück von Karl Kraus über Gesellschaften im Ersten Weltkrieg, um die Welt vor 100 Jahren zu verstehen.
Das Wiener Kaffeehaus ist ein Ort für alles: einen Heiratsantrag, die Trennung vom Partner, für Essen und Trinken, fürs Schreiben, Lesen, Weinen und Lachen …
SOFITEL
...Vom Glasdach im Sofitel hat man einen Blick über die gesamte Innenstadt Wiens. Die Drinks sind allemal empfehlenswert – nach einem stressigen Tag kann man dort einen angenehmen Ausklang erleben.
ÖSTERREICHISCHE NATIONALBIBLIOTHEK
...Das Wissen von Jahrhunderten hat die Familie Habsburg in ihrer Privatbibliothek aufbewahrt. Heute steht sie allen Besuchern zur Verfügung und jeder darf über die Malereien in diesen Korridoren staunen.
KAISERSCHMARRN
...Ein Must-Eat in Wien. Am besten Sie probieren ihn im traditionellen Café Central, wo weltbekannte Schriftsteller wie Stefan Zweig ihre Zeit in entspannter Atmosphäre genossen. Ganz wichtig: Reservieren Sie, bevor Sie hingehen. Das Café ist meist voll.
BEEF TARTARE
...Ich hätte Ihnen ja am liebsten jetzt ein Wiener Schnitzel gezeigt, aber Wien hat auch einen exzellenten Beef Tartare. Das Café Engländer bietet allerdings auch Beides an. Es schmeckt allerdings alles dort sehr gut.
Auch Kulturinteressierten bietet die Stadt wahrscheinlich mehr als jede andere. Wien ist eine Metropole, die ihr historisches Erbe hochhält. „Die Straßen Wiens sind mit Kultur gepflastert, die Straßen anderer Städte mit Asphalt“, philosophierte Karl Kraus über das Wiener Stadtbild. So ziemlich jeder Park oder öffentliche Platz beherbergt Denkmäler von Größen aus Kunst und Kultur: Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Johann Strauss und viele mehr. Das jüdische Großbürgertum à la Rothschilds und Ephrussis hat indes die schönsten Palais der Welt mit akribischer Liebe zum Detail bauen lassen – sie prägen das Stadtbild bis heute. Auch die Hofburg, der ehemals größte Hof in Europa und Regierungssitz des Kaisers sowie Residenz der kaiserlichen Familie, ist eindrucksvoll. Das Schloss Schönbrunn, die Sommerresidenz der Familie Habsburg, hätte in der ursprünglichen Planung größer werden sollen als das Schloss Versailles in Frankreich – allein, der Familie ging das Geld aus. Heute lockt das Schloss unzählige Touristen an, die das dortige Sommernachtskonzert besuchen oder einfach durch die gigantischen Gärten spazieren, in denen man sich durchaus verlaufen kann. Auch das Kunsthistorische Museum und das Schloss Belvedere sind Must-Sees. Das Herz Wiens liegt aber beim Stephansdom und in der Gegend um ihn herum: Dort liegen zahlreiche Kaffeehäuser und Schanigärten, wo man sich hinsetzen, die Welt an sich vorbeiziehen lassen und den Wienern bei dem zuhören kann, was sie am besten können:
die Welt sudernd (meckernd) zu genießen …
Text: Muamer Bećirović
Fotos: Joseph Brot, Hertha Hurnaus/Sigmund Freud Privatstiftung, Sebastian Kreuzberger, David Visnjic, Vincent Thibert, Österreichische Nationalbibliothek/Hloch
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 10–20 zum Thema „Handel“.