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Circular Economy, Lowsumerism (Wortkreation aus „low“ und „consumerism“) oder Sharing Economy – der Wunsch nach der perfekten Balance aus sozialem Engagement, ökologischem Mehrwert, digitaler Innovation und finanziellem Erfolg steigt, auch in der Modebranche.
Denn wer heute ein Modeunternehmen gründet, wird schnell merken, dass Nachhaltigkeit schon lange nicht mehr ausreicht, um sich einen Namen zu machen und aus der Masse an Konkurrenten herauszustechen. Doch wie schafft man den Spagat zwischen der idealistischen Theorie und der harten Businessrealität?
Laut McKinseys Global Fashion Index hat sich die jährliche Produktion von Kleidung zwischen 2000 und 2014 verdoppelt und somit die 100-Milliarden-Grenze an Textilproduktion überschritten. Und laut dem Pulse Of The Fashion Industry Report 2017 wurden bereits 2015 jährlich 92 Millionen Tonnen Textilmüll entsorgt, was immerhin vier Prozent des globalen Abfalls ausmachte – Prognosen zufolge sollen es bis 2030 148 Millionen Tonnen pro Jahr sein.
Allein mit der Verbesserung der Produkte werden wir es also nicht schaffen, die Modebranche langfristig nachhaltiger zu gestalten. Natürlich ist es ein richtiger und wichtiger Schritt, auf ökologische Materialien zu setzen, und es sollte selbstverständlich sein, dass ethische Produktion auch mit einer fairen Bezahlung einhergeht. Um aber von echter Nachhaltigkeit und vor allem zukunftsorientierter Innovation sprechen zu können, braucht es ein Umdenken in der Art und Menge des Konsums. Um das zu erreichen, sollten Unternehmen ihr Angebot flexibel an der Nachfrage nach ihren Produkten ausrichten, und ihr Gewinn darf nicht an die Überproduktion von Kleidung gebunden sein.
Sabinna Rachimova
...absolvierte am Central Saint Martins College of Art and Design in London ihren Bachelor in Fashion Design and Marketing. 2015 gründete sie ihr eigenes Modelabel Sabinna mit Sitz in London, seit 2018 ist sie Dozentin an der University of the Arts in London. Sie ist zudem eine Forbes-„Under 30“-Alumna.
Doch es liegt nicht nur allein an den Unternehmen: Es braucht eine Gesellschaft, die diese Konzepte annimmt und die Wertschätzung von Kleidung neu entdeckt – sie repariert, ausleiht und weiterschenkt, um so viele Produkte wie möglich im Kreislauf zu behalten, anstatt sie auszusortieren und wegzuwerfen. Es braucht ein Bildungssystem in der Kreativbranche, das alternative Konzepte schon während der Ausbildung aufzeigt und Kollaborationen und Inklusion fördert – und natürlich eine Politik, die sich endlich mehr für die Modebranche interessiert und mit notwendigen Regulierungen härter durchgreift.
Es gibt also viele Baustellen, und eine globale Pandemie, die den jährlichen Gewinn der Branche 2020 um etwa 93 % gedrückt hat, kommt erschwerend hinzu. Aber vielleicht ist genau jetzt die einmalige Chance, die verstaubte Hierarchie und den statusorientierten Konsum über Bord zu werfen. Wir haben das Werkzeug und wir kennen die Theorie – es wird also höchste Zeit, das Ganze in die Praxis umzusetzen.
Und eines darf man dabei nicht vergessen: Mode wird nie zu 100 % nachhaltig sein – weil das Konzept dahinter die Herstellung von Gütern beinhaltet, auf die man zum Großteil verzichten kann. Aber Mode kann durch bessere Businesskonzepte innovativer, digitaler und transparenter werden und somit dem Menschen und dem Planeten weniger schaden.
Gastkommentar: Sabinna Rachimova
Opinions expressed by Forbes Contributors are their own.
Dieser Gastkommentar erschien in unserer Ausgabe 1/2–21 zum Thema „Innovation & Forschung“.