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„Mag sein, dass wir derzeit keinen Gewinn machen und noch aus einer Außenseiterposition agieren – dennoch waren es schon immer Außenseiter, die einen Systemwandel losgetreten haben“: So lautet das Credo der 29-jährigen Sara Schiffer, Geschäftsführerin von Hylane, Deutschlands erstem Vermieter von klimaneutralen Nutzfahrzeugen. Mit ihrem Team aus
elf Mitarbeitern konnte sie im vergangenen Jahr 40 Mio. € an staatlichen Subventionen einfahren und den Automobilkonzern Hyundai als Partner gewinnen.
Während der Blick deutscher Automobilhersteller weiterhin auf das Dieselauto gerichtet ist, hat Sara Schiffer sich längst einem alternativen Treibstoff zugewendet: dem Wasserstoff. Schon 1875 prophezeite der französische Schriftsteller Jules Verne: „Wasser ist die Kohle der Zukunft.“ Allen Unkenrufen zum Trotz ist diese Prophezeiung längst Realität geworden – Wasserstoff wird in Fachkreisen als die nächste Geheimwaffe im Kampf gegen den Klimawandel gehandelt. „Wasserstoff ist heutzutage das Trendthema schlechthin. Allerdings kommt die Thematik meistens nicht weiter als in die Gesprächsrunden von Talkshows“, erklärt Sara Schiffer in ihrem Büro in Köln. Dort entsteht derzeit unter der Führung der 29-jährigen Informatikerin die größte Flotte an wasserstoffbetriebenen Lkws in Europa.
Schiffer arbeitete bereits parallel zu ihrem Studium als Referentin für ein Vorstandsmitglied der Versicherungsgesellschaft DEVK. Daneben vergrub sie sich in Analysen von Schadstoffstatistiken und beschäftigte sich mit alternativen Brennstoffen. „Ich bin sicherlich niemand, der fürs Klima auf die Straße geht, aber diese Aufzeichnungen zu CO2-Emissionen haben etwas in mir ausgelöst“, sagt Schiffer heute.
Die Idee zu Hylane kam ihr bei einem Besuch eines Schweizer Logistikunternehmens, das bereits selbst mit der Herstellung wasserstoffbetriebener Lkws gestartet war. Dort war die Motorentwicklung zwar weiter fortgeschritten als in Deutschland, doch die hohen Herstellungskosten brachten die Produktion ins Stocken. „Ich verstand nicht, warum man die Produktion nicht ins Ausland verlagert und die Lkws hierzulande zur Miete anbietet“, erinnert sich Schiffer. Zurück in Köln konnte sie die DEVK von ihrem Mietmodell überzeugen und sie auch als ersten Investor gewinnen sowie einen Zuschuss von insgesamt 45 Mio. € vom Bundesverkehrsministerium einholen. „Damit hatten wir nicht nur das nötige Kapital, sondern auch den Kundenstamm eines angesehenen Unternehmens und waren für Investoren nicht irgendein Start-up auf der grünen Wiese“, berichtet Schiffer über die Anfangsphase.
Früh wurde ihr klar, dass sich am europäischen Markt kein passender Hersteller finden würde: Was Wasserstofftechnologie betrifft, steckt man hier immer noch in den Kinderschuhen.
Automobilhersteller wie Mercedes-Benz und Audi schrecken noch vor revolutionären Aufbrüchen zurück: Hier werde man erst zum Ende dieses Jahrzehnts, also vielleicht 2029, Wasserstoff im Angebot haben, heißt es von dortigen Quellen. Federführend sind insbesondere die Staaten Ostasiens, allen voran Japan und Südkorea. Bereits 2014 kam Toyotas Mirai, der weltweit erste serienmäßig produzierte Pkw mit Wasserstoffantrieb, auf den Markt. Der südkoreanische Konzern Hyundai will seine Kapazitäten bis 2030 auf 700.000 Stück erhöhen und investiert bereits jetzt sechs Mrd. € in Forschung und Entwicklung rund um die Antriebsart. Aus diesem Grund fuhr Schiffer im Frühjahr 2021 mit ihrem Team nach Seoul. Im Jahr davor, 2020, hatte Hyundai dort mit seinem Modell Xcient Fuel Cell den weltweit ersten wasserstoffbetriebenen Elektro-Lkw auf den Markt gebracht. „Uns war von Anfang an klar, dass wir Hyundai als Partner brauchen, um unser Geschäftsmodell umsetzen zu können“, erklärt Schiffer.
Bei Hyundai konnte das Unternehmen nun eine erste Flotte aus 44 Transportern ordern – und der Hersteller wiederum seine ersten Schritte auf das europäische Parkett machen. Seitdem gehen nun pro Tag drei bis vier Mietanfragen ein, weshalb man bereits 78 Fahrzeuge nachbestellen musste. Vermietet werden die Fahrzeuge nach dem Pay-per-Use-Modell, bei dem der Mieter nur für jeden tatsächlich gefahrenen Kilometer zahlt – im Schnitt 0,85 € pro Kilometer. „Je mehr ich fahre, desto günstiger wird der Preis pro Kilometer. Wir setzen also auch noch einen Anreiz, dass, wenn man wirklich viel fährt, viel CO2eingespart wird“, so Schiffer. Alle weiteren Leistungen (außer dem Treibstoff selbst), wie etwa die Wartung, sind bereits im Mietpreis enthalten.
Trotz der hohen Reichweite von 400 Kilometern und der kurzen Ladezeit von nur acht bis 20 Minuten stehen einem Durchbruch noch viele Hemmnisse im Weg. Brennstoffzellen haben etwa einen viel geringeren Wirkungsgrad: Von 100 Kilowattstunden (kWh) Strom landen nur rund 20 bis 25 kWh tatsächlich im Wasserstofftank. Der daraus resultierende Mehraufwand bei der Stromproduktion zeigt sich auch im Preis: Wasserstoff kostet derzeit pro 100 Kilometer rund 10 €, was dem doppelten Preis für Strom entspricht. Bis man rein finanziell mit dem Elektromodell auf Augenhöhe ist, dürfte es noch dauern: Nicht umsonst gilt Wasserstoff als „Champagner der Energiewende“.
Ein Problem, das Schiffer und ihrem Team derzeit am schwersten zu schaffen macht, ist der Mangel an Wasserstofftankstellen in Deutschland. 2017 hat die Bundesregierung angekündigt, bis 2023 insgesamt 400 Wasserstofftankstellen bauen zu wollen, bisher sind aber gerade einmal 75 solcher Tankstellen in Betrieb, wobei jedoch nur 18 auch für die Betankung von Lkws geeignet sind. Um CO2-neutrale Lkws wirklich wettbewerbsfähig zu machen, bräuchte es einen flächendeckenden Ausbau der Transportinfrastruktur.
Auch Schiffer kritisiert das Zögern der Politik: „Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir uns den Gütertransport früher oder später nicht mehr leisten können“, erklärt sie. Lkws und Transporter sind für 25 % des gesamten Ausstoßes von Treibhausgas im Güterverkehr verantwortlich. Ein 40-Tonner allein belastet die Straße so stark wie 60.000 Pkws. Angesichts dessen ist die Bundesregierung erstaunlich zögerlich: Bislang machen alternative Antriebe im gesamten Güterverkehr gerade einmal einen Anteil von 0,03 % aus. Viel Zeit für die Umsetzung bleibt nicht: Die EU hat bereits jetzt angekündigt, dass ab 2027 auch CO2 aus Lkws besteuert wird. Bis die Weichen für eine klimaneutrale Verkehrswende gestellt sind, so Schiffer, brauche es deutlich mehr finanzielle Anreize, um den Ausbau der Fahrzeugtechnik sowie der notwendigen Infrastruktur zu beschleunigen. „Der Traum vom Dieselmotor ist ausgeträumt – und jeder, der denkt, Alternativen würden einem vor die Füße gelegt, macht sich was vor“, so Schiffer.
Die 29-jährige Kölnerin Sara Schiffer hat mit ihrem Unternehmen Hylane die größte Flotte an wasserstoffbetriebenen Transportfahrzeugen in Europa aufgebaut. Für ihre Vision eines nachhaltigen Straßenverkehrs wagt sie sich sogar bis in die Bundesregierung vor und sucht den Kontakt zu Großkonzernen wie Hyundai.
Text: Helene Hohenwarter
Fotos: Jürgen Naber