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McKinsey, Boston Consulting Group und Bain – die Beratungsbranche wird von großen Playern dominiert. Doch trotz oder gerade wegen dieser Platzhirschen ergeben sich auch für Nischenanbieter durchaus Chancen. Darunter ist auch Ö&K Consulting, eine erst 2020 gegründete Unternehmensberatung, die vor allem KMU am Weg zum Erfolg begleitet. Gründer Volkan Karabulut über Herausforderungen, Trends und Begleiterscheinungen der Corona-Krise.
Mitte 2020 gründeten Volkan Karabulut und Emre Öz Ö&K Consulting – eine Unternehmensberatung mit Sitz in Wien, die sich vor allem auf die Umsetzung und Implementierung von Managementsystemen bei KMU (derzeit überwiegend in der Eisenbahnbranche) fokussiert. Doch die Beratung ist nicht das einzige Standbein der beiden – ihre guten Beziehungen in die Türkei spielen sie bei Ö&K Trading aus, wo sie sich auf den Handel von Rohmaterialien, darunter Edelmetalle, Halbfabrikate oder Produkte wie Schutzmasken fokussieren. Bisher konnte das Unternehmen sieben langfristige Verträge mit vorrangig türkischen Kunden abschließen und sich auch kürzere Projekte sichern. Für die Zukunft haben die Gründer aber große Pläne, waren unter anderem mit der türkischen Staatsbahn und dem Glaskonzern Şişecam in Kontakt.
Die Coronavirus-Pandemie hat die Beratungsbranche in die Krise gestürzt. Der Markt ist gesättigt und umkämpft, der Kostendruck hoch. Wie wollen Sie sich mit Ö&K Consulting positionieren, um dennoch erfolgreich zu sein?
Um uns von der Masse abheben zu können, wollen wir nicht projektbezogen arbeiten und danach wieder gehen. Das ist schon lange Usus, das wollen wir ändern. Unser Wunsch ist es, Projekte zu begleiten – und zwar vor, während und nach der Umsetzung und darüber hinaus. Wir wollen unseren Kunden die Gewissheit geben, immer da zu sein. Sie sollen im Zuge dieser Projekte wiederum vollkommen eingebunden sein, damit wir gemeinsam einen echten Mehrwert schaffen. Das ist fast eine Schulung oder Weiterbildung, wo der Kunde lernt, grundlegende Tätigkeiten selbst durchzuführen, ohne erneut auf einen externen Berater zurückgreifen zu müssen. Da unterscheiden wir uns sicher von sehr großen Unternehmen am Markt. Zweitens spielt es uns in die Karten, dass wir selbst Berufserfahrung in KMU gesammelt haben. Diese Unternehmen haben oft keinen großen finanziellen Spielraum, das wissen wir aus erster Hand. Manchmal ist hier auch ein Einsatz notwendig, der nicht immer im Rahmen des klassischen Unternehmensberaters bleibt. Wir haben da Familien, Großväter, Väter und Söhne vor uns sitzen, die nicht immer gleich den Vorteil eines Managementsystems sehen.
Emre Öz und Volkan Karabulut
studierten Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der TU Wien. 2013 waren sie am Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems (nach ISO 9001) für einen führenden österreichischen Hersteller für Schienenschmieranlagen beteiligt. Bis zur Gründung des gemeinsamen Unternehmens im Jahr 2020 sammelten die beiden Gründer von Ö&K Consulting Erfahrung in unterschiedlichen Unternehmen, auch in der Beratung.
Managementsysteme sind einer Ihrer Schwerpunkte. Sie vermeiden in der Theorie Fehler und Barrieren zwischen unterschiedlichen Abteilungen und Personen innerhalb eines Unternehmens. Welchen Effekt hatte die Corona-Krise in diesem Bereich?
Wir sagen immer: Der Erfolg einer Organisation ist kein Zufall. Ein Managementsystem hilft, das komplette Unternehmen in Prozessen abzubilden. So kann man wirklich gezielt in kleinsten Bereichen eingreifen. Das erspart Zeit und somit auch Kosten, da Entscheidungen auf höchster Ebene, also in der Geschäftsführung, auf Basis einer Datengrundlage getroffen werden können. Zudem werden Erfolge sowie Ziele messbar gemacht. Wir haben unseren Fokus auf KMU gelegt. Diese Firmen sind meist gerade an der Schwelle, an der sie gewisse Anforderungen erfüllen oder Normen beachten müssen, etwa für internationale Projekte. Sie haben aber meist selbst keine Kapazitäten, um Zeit in die Erfüllung dieser Normanforderungen zu investieren. Da kommen wir ins Spiel.
Vor Corona hat die Beratungsbranche einen Boom erlebt. Woher kam dieses Wachstum?
Ich bin mir sicher, dass der Boom in den letzten Jahren nicht unbedingt in der klassischen Unternehmensberatung stattgefunden hat, wo es ja meist um Projektbegleitung oder Strategieberatung geht. Der Trend geht mehr in Richtung Verbesserung der Unternehmenskultur. Das heißt, dass die menschliche Ebene in den Vordergrund tritt. Es werden mehr Aktionen umgesetzt, die sich auf die Bedürfnisse der Menschen fokussieren. Es wird darauf geachtet, wie gearbeitet wird – nicht wie viel. Ein gesundes Unternehmen braucht ein funktionierendes Sozialsystem, diese soziale Komponente ist nicht zu vernachlässigen. Diese Entwicklung ist der Grund, warum der negative Effekt der Corona-Krise besser abgedämpft wurde als in anderen Branchen.
„Wir sagen immer: Der Erfolg einer
Organisation ist kein Zufall.“
Volkan Karabulut
Apropos menschliche Ebene: Wie verändert die Digitalisierung die Branche? Welche Vorteile bringt der Wandel und welche Bereiche erleben einen Umbruch?
Es werden in der Berufswelt zunehmend digitale Lösungen verwendet. Das Risiko dabei ist, dass der Mensch an sich weniger gebraucht wird, Stichwort künstliche Intelligenz (KI). An den Finanzmärkten wird das beispielsweise schnell mehr, weil dort klare Daten gegeben sind, hinter denen auch bewertbare Methoden stehen. Meines Erachtens nach wird die klassische Unternehmensberatung aber nicht derart von digitalen Angeboten übernommen werden, weil der menschliche Bezug in diesem Geschäft viel zu wichtig ist. Es braucht das typische „Bauchgefühl“ für gewisse Entscheidung, das eine Software nicht bieten kann. Deswegen arbeiten viele an Hybridlösungen, das spart Ressourcen und somit auch Kosten, ohne den menschlichen Aspekt zu vernachlässigen. Auch wir haben es uns zum Ziel gesetzt, bis 2022 eine vollständig digitale Abbildung des Unternehmens des Kunden einzuführen. Wir wollen dabei das komplette Managementsystem digital kommunizieren lassen. Hier trifft nach dem Vorbild von Industrie 4.0 Big Data mit einer Kommunikation einzelner Knotenpunkte zusammen – also Consulting 4.0.
„Was die weitere Zukunft bringt, wissen wir noch nicht, aber man
muss immer mit der Zeit gehen und sich anpassen. Das ist es
letztendlich ja auch, was einen guten Unternehmensberater ausmacht"
Volkan Karabulut
Wie kommt es, dass sie neben dem Beratungsgeschäft auch den Handel mit Rohmaterialien wie Aluminium, Stahl oder, Edelstahl anbieten?
Im Beratungsbereich wird unser Fokus auf Managementsysteme bestehen bleiben. Wir stammen aber beide aus der Türkei – ich bin in zweiter Generation in Österreich, mein Kollege Emre in erster – und sehen viel Potential am türkischen Markt. Wir wollen türkische Produkte am europäischen Markt etablieren. Insbesondere im Bereich der Metallherstellung ist die Türkei gut aufgestellt. Wir wollen Unternehmen helfen, Geschäftsbeziehungen aufzubauen und ein Netzwerk zu schaffen, das Kontakte im B2B-Bereich ermöglichen soll. Letztendlich wollen wir nicht nur mit Materialien handeln, sondern auch ein Handelsnetz aufbauen. Was die weitere Zukunft bringt, wissen wir noch nicht, aber man muss immer mit der Zeit gehen und sich anpassen. Das ist es letztendlich ja auch, was einen guten Unternehmensberater ausmacht.
Text: Naila Baldwin
Foto: Gianmaria Gava
Diese Advoice erschien in unserer türkischen Forbes Daily Ausgabe zum Thema „Wiener Wirtschaft“.