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Wenige Stunden vor der Invasion saß ich in einem Taxi in Kiew und steckte im Stau. Die Polizei riegelte Straßen und Plätze ab. Das Radio meldete: Anonyme Anrufer drohen den Behörden mit Anschlägen. Zeitgleich wurde die ukrainische Hauptstadt mit einem Hackerangriff terrorisiert. Russland setzte erstmals Foxblade ein, eine bösartige Software, mit der die IT-Infrastruktur des Landes vor dem Angriff am Morgen des 24. Februar 2022 zerstört werden sollte.
Dank der ukrainischen Cyberarmee und der Hilfe von Microsoft konnte die Attacke allerdings abgewehrt werden. Kiew ließ sich nicht unterkriegen, zeigte sich überraschend wehrhaft, in der analogen und der digitalen Welt.
Im „ersten Cyberkrieg der Geschichte“ (Digitalminister der Ukraine, Mychajlo Fedorow) werden jeden Tag Hacking-Tools, Software und Technologien eingesetzt, deren Macht und (zivilen) Nutzen wir vielleicht erst in ein paar Jahren ganz verstehen werden. Krieg legt offen, was Gesellschaften militärisch, politisch und intellektuell unter härtesten Bedingungen leisten können; Krieg ist auch ein Tauglichkeitstest für Innovationen.
Im Ersten Weltkrieg setzten die Briten erstmals Panzer ein. Viele Tanks erreichten nie die Front, ihr Verbrennungsmotor wurde aber zum Impulsgeber für die Automobilität. Im Zweiten Weltkrieg gewannen Mächte, die rasch und massenhaft Jetantriebe herstellen konnten. Damit war die zivile Luftfahrt geboren und der Wettlauf zum Mond begann.
Mehr als 80 Jahre später sorgt in der Ukraine Satellitentechnik (trotz russischen Raketenterrors) für stabiles Internet. Am Himmel kreisen mit KI gesteuerte Hightech-Drohnen, die heute Zieldaten für Artillerie liefern und morgen Grenzen, Wälder, Plantagen oder Metropolen überwachen. Die Streitkräfte der Ukraine haben sich – auch dank westlicher Unterstützung – in eine der agilsten und fähigsten Armeen Europas verwandelt, wie Militärexperten bezeugen. Hinzu kommt ein gewaltiger Digitalisierungsschub.
Aus moralischer Sicht ist Krieg immer ein Versagen und zivilisatorisch ein Rückschritt. Gleichzeitig zeigt die Geschichte: Die Vorbereitung auf den Krieg – und dazu gehört auch die Investition in Verteidigung – verhilft Innovationen zum Durchbruch. Die Darpa, die Forschungsstätte des Pentagons, ist ein einzigartiges Rüstungslabor, niemand konnte die Innovationsschmiede kopieren. Erfindungen wie die Tarnkappentechnologie nutzen nur den US-Streitkräften; GPS oder das Arpanet, aus dem sich das Internet entwickelte, dienen der Menschheit. Aber auch privatwirtschaftliche Innovationen wie der Transistor, der Vorläufer des modernen Halbleiters, konnten dank der Aufträge des Pentagons massenhaft hergestellt werden.
Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg – nach diesem Motto wird in den kommenden Jahren weltweit massiv in Verteidigung investiert, auch in neue Waffen für einen Cyberwar, wie er in der Ukraine bereits tobt. Ein Grund, sich zu entrüsten? Nein!
Selbst jene, die sich stets von pazifistischen Impulsen leiten lassen, müssen einsehen: Europa braucht auch militärisch wehrhafte Demokratien. Und es braucht auch in der Verteidigung ein Ökosystem der Innovation; eines, das Gründer und Rüstungs-Start-ups fördert, Pionierleistungen ermöglicht und Risikokapital bereitstellt. Denn von Innovation profitiert jede Gesellschaft – vor allem in Friedenszeiten.