Eine Tasche für Alles

Mit Vee Collective haben sich Lili Radu und Patrick Löwe einen Namen auf dem globalen Handtaschenmarkt gemacht. Dieses Jahr ist das Geschäfts- und Ehepaar mit seinen zwei Kindern nach New York gezogen – nicht unbedingt, weil ihnen Berlin nicht mehr gefallen hat, sondern weil sie mit Vee Collective in den nächsten Jahren stark in den USA expandieren wollen.

Vor vielen Jahren stand Lili Radu bei ihrem Stand auf der „Bread & ­Butter“ (eine Modemesse, die es heute nicht mehr gibt) – Radu stellte dort unter dem Markennamen Lili Radu Laptop­taschen aus. Ein Mann schaute sich ihre Produkte an, stellte sich als Markenrepräsentant von Apple vor – und Radu wusste: Sie hat jetzt 15 Sekunden, um einen Deal ins Rollen zu bringen.

Für Designer von Laptop­taschen ist eine Kooperation mit Apple keine kleine Sache. „Weißt du was? Ich bin nächste Woche ohnehin in London“, sagte Radu. „Ich kann die Tasche dir und dem Team dann noch mal präsentieren und wir treffen uns auf einen Kaffee.“ Genauso ist es gekommen. Dass Radu eigentlich gar nicht nach London ­geflogen wäre, ändert an der Geschichte nichts. Im Gespräch mit Forbes erzählt Radu die Geschichte weiter: „Ich war damals eine One-Woman-Show. Ich habe zehn verschiedene E-Mail-Adressen erfunden, damit Apple das Gefühl hat, dass da ein ­Unternehmen dahinter ist.“

Ihren Pitch an „Tom von Apple“ (wohl nicht sein echter Name) hat Radu vor 14 Jahren gemacht. Bald produzierte sie unter ihrem ­Namen nicht nur Laptop-, sondern auch Handtaschen. Ihr heutiger Ehemann kam ins Unternehmen und gemeinsam gründeten sie 2017 Vee Collective.

Der Umsatz des Unternehmens stieg im Geschäftsjahr 2023 um 43 % auf 7,5 Mio. US-$, rund 65.000 Taschen wurden in Europa, Asien und den USA verkauft. Dieses Jahr streben Radu und Löwe mit ihrem Team, das 14 interne Mitarbeiter groß ist, elf Mio. US-$ Umsatz an und wollen die 100.000-Taschen-Grenze knacken. Besonders in den USA expandiert das Paar. Radu: „Wir haben es geschafft, in einer Saison in alle ­großen Department-Stores zu kommen – Neiman Marcus, Nordstrom, Saks Fifth Avenue, ­Bloomingdale’s. Das Potenzial in Amerika ist unglaublich.“ Schon jetzt stehen Radus Taschen in den Staaten in über 300 Läden.

Die Deutsche studierte noch Betriebswirtschaftslehre an der Università Bocconi in Mailand, als sie 2010 ihr erstes Unternehmen, Lili Radu, gründete. „In Mailand hast du ja viele ‚Aperitivos‘, ich war oft nach der Uni am Abend aus und hatte immer ­meinen Laptop dabei. Ich habe aber keine Laptoptasche gefunden, die modisch und funktional war“, erzählt die Deutsche über den Beginn ihrer unternehmerischen Karriere. Sie ­beschloss, ihre eigene Tasche zu entwerfen. Der Deal mit Apple verlieh ihr Aufwind: Als erste Deutsche, die Laptoptaschen für das Unternehmen aus Cupertino designen und produzieren durfte, brachte er ihr viel Medienaufmerksamkeit – die Radu nutzte, um ihre ersten Hand­taschen zu verkaufen.

Lili Radu und Patrick Löwe gründeten Vee Collective im Jahr 2017.

2014 stieg Patrick Löwe ins ­Unternehmen ein. Die beiden hatten sich zuvor auf der Geburtstagsparty einer gemeinsamen Freundin kennengelernt und dann, sagt er, „ging das auch alles ziemlich flott“. Zu dem Zeitpunkt produzierte ihr Unternehmen Lederhandtaschen. „Patrick und ich sind beide sehr ‚hands on‘ und haben damals viel Zeit auf der Sales-Fläche verbracht. Wir haben immer wieder von Konsumenten gehört, dass sie eine leichte Tasche suchen – und dann hat Patrick irgendwann gesagt: ‚Warum machen wir nicht eine zweite Marke?‘“ Finanziert haben sie die Expansion bis heute mit Bank­krediten, was auch heißt, dass sie sich die Unternehmensanteile 50/50 teilen können.

Unter der Marke Vee Collective verkaufen Radu und Löwe Nylon­taschen als Designerprodukte. Mittlerweile gibt es Tote- und Crossbody-Bags in diversen Größen, Clutches, Rucksäcke und sogar Fanny Packs. Sie sind groß und leicht – Tote-Bags in der größten „Weekender“-Größe sind etwa so groß wie eine Duffel-Bag, wiegen laut den Angaben auf der Website aber nur 900 Gramm. Im eigenen Onlineshop kosten die meisten der Taschen zwischen 160 und 340 ­US-$, also deutlich weniger als die klassische Designertasche. Aber, so Radu, ihre Taschen liegen in den Kauf­häusern neben 2.000-US-$-Hand­taschen, was Visibilität bringt. Ihre Produkte sollen „die Tasche für alles“ sein. „Du kannst sie fürs Reisen und das Fitnessstudio verwenden; du brauchst nicht fünf verschiedene Taschen“, sagte Radu in einem Interview mit Vogue Business.

Um an besagten Stellen zu ­liegen, müssen die Taschen ­einen ­gewissen Ruf haben. Dabei ­helfen Kollaborationen mit Stars wie ­Gwyneth Paltrow oder Rita Ora, die beide schon Taschen von Vee Collective trugen. Besonders mit ­Paltrow dürfte die Zusammenarbeit gut funktionieren – durch Gif­ting, also das Verschenken von Produkten, ist die Schauspielerin auf Vee Collective aufmerksam geworden. Nachdem der erste Kontakt da war, war Radu „relativ oft“ in New York und hat Events mit Goop, der ­Kosmetik- und Fashionmarke von Paltrow, gemacht. „Irgendwann haben sie gesagt, dass wir unbedingt eine Tasche zusammen herausbringen müssen“, so Radu. Diesen Sommer haben die beiden Unternehmen die zweite ­Collab gemacht, und die dritte ist schon für Anfang 2025 geplant.

Überhaupt setzt Vee Collective stark auf die Zusammenarbeit mit anderen Marken – nach unserem Gespräch mit Radu und Löwe, einige Tage vor Redaktionsschluss, verkündete Vee Collective eine Kollaboration mit Disney Deutschland. Radu: „Wir sind auch in ­Gesprächen mit Moncler für nächstes Jahr, und wir machen eine Collab mit Dr. Barba­ra Sturm (Kosmetikmarke; Anm.).“ Radu zählt drei weitere Partner auf – „wir haben viel in der Pipeline“.

Die Taschen von Vee Collective werden, so die Gründer, komplett aus recycelten Materialien produziert. „Das betrifft wirklich alle Zu­taten. Angefangen beim Stoff über die Füllung bis hin zu den Zippern; alles ist 100 % recycelt“, so Löwe, der neben der Produktion für die ­Finanzen des Unternehmens zuständig ist. Das war nicht immer so: Das Paar hat die Produktion mit der Zeit von der ­Türkei nach Vietnam verlegt und ­einen ­starken Fokus darauf gesetzt, die Taschen nachhaltig herzustellen. Nicht zuletzt deswegen ist das Unter­nehmen seit Sommer 2024 eine zertifizierte B Corp, also für seine Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Im Interview mit Vogue Business (Jänner 2024) sagte Löwe, dass das Unternehmen „bis Ende 2024 CO2-neutral“ sein möchte. Als wir ihn Ende Okto­ber fragen, ob der Plan noch stehe, muss er grinsen und sagt nur: „Das wird sportlich, aber er steht noch.“

Das Paar will vor allem das ­Geschäft in den USA ­vorantreiben. Dafür sind Radu und Löwe ­dieses Jahr mit ihrer Familie nach New York gezogen. Bereits jetzt wird die Hälfte der Taschen in den USA verkauft; vor allem der Verkauf über den Handel ist dabei in den Staaten stark. Dieser macht (für das ganze Geschäft) zwischen 30 und 40 % des Umsatzes aus, der Rest wird über den eigenen Onlineshop generiert. „Unser Fokus ist, in Europa und im DACH-Raum weiter zu wachsen und Amerika groß zu machen“, so Radu. „Da muss jetzt unsere ganze Energie rein.“ Mailadressen musste sie schon lange keine mehr erfinden …

Fotos: beigestellt

Erik Fleischmann,
Redakteur

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