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Die maledivische Premium-Airline Beond wurde im November 2022 gelauncht, erste Flüge hoben von Zürich und München auf die Malediven ab. Doch ist das Geschäftsmodell tragfähig?
Tero Taskila hat einen Sinn für Ungewöhnliches, nicht nur im Business, auch in seiner Freizeit – der 49-jährige CEO und Co-Gründer des Airline-Start-ups Beond stammt aus Finnland und ist leidenschaftlicher Eishockeyspieler. Die Karriere des Wintersportlers führte ihn allerdings in die Golfstaaten und nach Dubai – in die Wüste.
Seine Leidenschaft aufzugeben kam für den Airline-Manager aber nicht infrage. Heute spielt er sogar öfter als früher; in der Emirates Ice Hockey League. Diese hat mehrere Spielklassen, Matches finden in der Dubai Mall statt. Unter den Amateuren hat Taskila mit seinem Team, den Dubai Penguins, neulich den Titel gewonnen. Auch sein Sohn spielt Eishockey. In diesem Jahr soll in der Stadt das modernste Eissportzentrum der Vereinigten Arabischen Emirate und des Nahen Ostens entstehen. Profis soll es beste Bedingungen bieten; für Wintersport in der Wüste gibt es also einen Markt.
Auch die Idee hinter Taskilas Start-up Beond wirkt auf den ersten Blick unkonventionell: Den schon jetzt hart umkämpften Markt der Ferienflieger und Urlaubs-Airlines will das Unternehmen mit einem neuen Angebot aufmischen. Der Co-Gründer bezeichnet Beond, das seit Herbst 2022 im Geschäft ist, als global erste „Luxury Leisure Airline“; eine Art Boutique-Ferienflieger für jene Kunden, die eigentlich einen großen Bogen um typische Urlaubsflieger machen. Beond will ein Point-to-Point-Carrier sein, der per Direktflug Reisende mit großem, aber nicht übergroßem Geldbeutel und einem gewissen Luxusbedürfnis auf angenehmste Weise ins Ferienparadies Malediven fliegt. Beim Videocall mit Forbes sitzt Taskila in seinem Büro auf der Inselgruppe; er pendelt zwischen Dubai und Malé, wo die Airline ihren offiziellen Firmensitz hat.
Beond hat nur ein Ziel: Geflogen wird von Zürich, München, Mailand, Riad und demnächst auch von Bangkok in das Insel- und Ferienparadies im Indischen Ozean.
Das Start-up hat dafür eine Flotte von nur zwei Flugzeugen: einen Airbus A319 sowie einen Airbus A321. Beide Maschinen wurden im Inneren komplett umgerüstet. Die 100 Sitze des A319 wurden auf rund 40 reduziert, die allesamt Businessclass-Standard entsprechen. Der A321 hat nach dem Umbau 68 Premium-Sitze. In beiden Flugzeugen können diese Sitze abgeflacht und in Betten verwandelt werden – so können Passagiere nach Ankunft ausgeschlafen in den Urlaub starten.
Die Airline bietet also ein Businessclass-Gefühl, spricht aber keine Geschäftsreisenden an, sondern Urlauber: Die Anordnung der Sitze ist auf Paare ausgerichtet, also nicht, wie in der Businessclass der großen Airlines üblich, auf die Privatsphäre des Einzelreisenden. Die Sitzbezüge sind aus italienischem Leder gefertigt, von einem Zulieferer, der auch Ferrari zu seinem Kundenstamm zählt. Nach dem Boarding können sich die Passagiere per iPad ins Unterhaltungsprogramm einwählen – auch eine Apple Vision Pro soll es bald geben. Schneller Internetzugang hat aber keine Priorität, das Urlaubsgefühl und „Digital Detox“ sollen im Vordergrund stehen.
Laut Taskila ist der große Vorteil von Beond ein „stressfreies Reiseerlebnis“ und ein „Top-Service“ an Bord. Essen wird auf Porzellan serviert und hat den Anspruch, gehobener Küche zu entsprechen. Außerdem machen die Flugzeuge nur für einen Tankstopp halt, es ist kein Umstieg in einem Hub in Nahost wie in Doha oder Dubai notwendig. Wer etwa im Juli nach Hin- und Rückflügen ab München für den Herbst sucht, muss mit rund 3.000 US-$ pro Ticket rechnen. Hinzu kommt natürlich die Buchung des Hotels; Beond bietet allein den Flug.
Ist das Konzept des Luxus-Ferienfliegers tragfähig? Und wie sieht Taskilas erste Bilanz nach zwei Jahren Geschäftstätigkeit aus? „Mein Traum war es, Architekt oder Pilot zu werden“, sagt der Unternehmer. Heute verbindet er zumindest im übertragenen Sinne diese beiden Berufswünsche: Als Gründer baut er eine Firma von Grund auf neu, und das mit Flugzeugen als den wichtigsten Produkten.
Seine Laufbahn in der Luftfahrtbranche startete Taskila bei Finnair, anschließend war er für verschiedene Airline-Unternehmen in Skandinavien tätig und sammelte auch Erfahrung bei Qatar Airways und Lufthansa. Zu seinen Kernkompetenzen zählt der Aufbau von profitablen Airline-Netzwerken und Organisationen.
„Die Airline-Industrie ist eine altmodische Branche – manchmal muss man von außen auf sie schauen, um Potenzial für neues Business zu sehen.“
Tero Taskila
An der City University in London lehrt er als Dozent für Luftfahrt und Management, und er trainiert auch als Coach professionelle Eishockey-Torhüter, etwa bei den Florida Panthers, dem aktuellen Sieger des nordamerikanischen Stanley-Cups. Aus diesem Nebenjob gewann Taskila auch Erkenntnisse für seine Management-Arbeit: „Jeder hat ein Talent; als Coach oder Chef musst du einen Weg finden, dieses Talent voll zur Geltung zu bringen.“ Taskila sagt: „Die Airline-Industrie ist in vieler Hinsicht eine altmodische Branche – manchmal muss man von außen auf sie schauen, um Potenzial für neues Business zu sehen.“ Das hat er getan, und das Ergebnis ist sein Start-up Beond.
Die Luftfahrtindustrie hat sich von der Coronapandemie rasch erholt. In den nächsten 20 Jahren wird sich die Zahl der Passagierflugzeuge verdoppeln, auf rund 50.000 Jets, so rechnen Prognosen vor. Der Markt soll um rund vier Prozent pro Jahr wachsen. Doch es gibt auch Warnungen, dass diese Wachstumsraten zu optimistisch seien. Allein schon die bevorstehende Dekarbonisierung der Branche, der Einsatz von neuartigem und teurem Bio-Treibstoff und die dadurch steigenden Ticketpreise könnten die allzu optimistischen Wachstumsprognosen dämpfen.
Andererseits hat sich auch gezeigt, dass Airlines mit schlanker Organisation und hocheffektiver Operation erfolgreich und resilient sind und rasch die Gewinnzone erreichen. Das zeigt sich besonders deutlich im Modell der Low-Cost-Carrier. Mitunter versuchen auch etablierte Legacy-Carrier das profitable Geschäftsmodell dieser Airlines zu kopieren. Das Erfolgsgeheimnis führender Billigfluggesellschaften wie Ryanair und Wizz in Europa oder Indigo und Airasia in Asien besteht darin, die Betriebskosten möglichst tief zu halten – was ihnen ermöglicht, sehr niedrige Tarife anzubieten. Zusätzliche Einnahmen kommen dann durch Gepäckgebühren, Sitzplatzreservierungen, Mahlzeiten und Getränke oder Service wie schnelles Boarding. Dieses Modell kopiert Beond hinsichtlich der operativen Kosten: Indem nur wenige Passagiere befördert werden, ist auch weniger Personal nötig. Da die Flugzeuge über lange Strecken und viele Stunden fliegen und seltener starten und landen als der klassische Billigflieger, sind Landegebühren und Wartungskosten geringer – da die Jets dadurch weniger beansprucht werden, erklärt Taskila.
Beond bedient eine Mikro-Nische; man nehme niemandem Kunden weg, sondern vergrößere eher den Markt, sagt der Airline-Manager. Eine andere Fluglinie, die glaubt, einen ähnlichen Nischenmarkt erfolgreich bedienen zu können, ist Bermudair. Das amerikanische Start-up fliegt von der US-Ostküste und Kanada mit einer Embraer E175 auf die Bermuda-Inseln – ebenfalls mit einer reinen Businessclass.
Taskila will schon in diesem Jahr beim Cashflow profitabel sein. Bislang hat er 50 Mio. US-$ eingesammelt, eine weitere Finanzierungsrunde steht im September an. Zu der Flotte aus zwei Flugzeugen sollen weitere Airbus A321LR/XLR kommen, diese sollen im kommenden Jahr ausgeliefert werden.
Die Vision der Airline klingt noch sehr ambitioniert: Rund 32 Flugzeuge der A320-Familie sollen in fernerer Zukunft von Beond geleast werden, mehr als 52 Destinationen sollen angeflogen werden, in 26 Ländern auf vier Kontinenten. CEO Taskila will rund 1,4 Millionen Passagiere in den Premiumsitzen der Beond-Jets begrüßen. Mit diesen Zahlen und dieser Vision versucht Taskila, seine Investoren zu überzeugen. Doch sind diese Ambitionen auch realistisch?
Der Luftfahrtexperte Thomas M. Friesacher berät als externer Sachverständiger für Luftfahrt und Flugsicherheit weltweit Regierungen in den Bereichen Luftfahrt und Flugsicherheitsagenden und lehrt an der FH Salzburg. Der Experte glaubt, dass Airline-Start-ups mittel- und langfristig Probleme haben werden, eine Nische zu bedienen und dabei profitabel zu sein. Friesacher glaubt, dass große Fluggesellschaften wie Lufthansa, Emirates oder Qatar Airways die Routen der Airline-Start-ups längst bedienen würden, sollten diese mittelfristig gewinnträchtig sein. Der hart umkämpfte Markt fordert auch immer wieder prominente Opfer – zuletzt ging die Airline Flyr in Konkurs. Deren Flugzeuge wurden dann von Norwegian Air übernommen, einer Gesellschaft, die sich nach der Insolvenz gerade an einem Neustart versucht.
„Wie mache ich aus einem großen Vermögen ein kleines? Indem ich eine Airline gründe“ – dieser Spruch hat laut Friesacher mehr als einen Funken Wahrheit. Doch Gründer und ihre Geldgeber glauben offenbar dennoch, in diesem dynamischen und komplexen Markt eine eigene Nische finden zu können.
Das zeigt auch das Beispiel der Airline La Compagnie, einer reinen Businessclass-Fluggesellschaft, die regelmäßige Flüge von Paris und Mailand nach Newark bei New York anbietet. An Bord der Airbus A321 von La Compagnie befinden sich 76 Businessclass-Sitze in einer Zwei-mal-zwei-Anordnung – ideal für finanzkräftige Paare, die mal eben in den Big Apple jetten wollen. Friesacher meint dennoch: „Es würde mich wundern, wenn diese neuen Start-ups einen Bedarf aufzeigen, den die Analysten der großen Airlines übersehen haben.“
Beond musste bereits Negativschlagzeilen verkraften: Die Schweizer Zeitung Blick und andere Reisende berichteten etwa über die schwache Auslastung der Flüge – die Airline sei manchmal mit weniger als fünf Passagieren auf die Malediven geflogen. Tatsächlich reduzierte Beond im Januar die Anzahl der Flüge; es kam auch zu Ausfällen und Ärger wegen Verspätungen.
Beond erklärte die Lage mit der schwachen Nachfrage für die Malediven im Mai, Juni und September, weshalb man den Linienflugplan heruntergefahren habe. Dennoch führe man weiterhin vereinzelt Charterflüge durch. Die Flüge ab München und Zürich wurden bereits im Frühling gestoppt und werden ab Oktober, zur Hochsaison, wieder aufgenommen. Die Flüge ab Mailand waren ursprünglich ab März geplant, nun erfolgten sie ab 3. Juli mit reichlich Verspätung. Ab Herbst, so verspricht Taskila, komme Bangkok als weiterer Abflughafen hinzu.
Als Start-up muss Beond flexibel sein und sein Netzwerk an die Marktlage anpassen – das ist eine gewisse Stärke. Doch wie viel Flexibilität kann sich eine kleine Airline mittelfristig leisten?
„Wir können immer noch Dinge verbessern“, sagt Taskila. Laut dem Gründer sei die Kundenrückmeldung zwei Jahre nach dem Start der Airline durchwegs positiv. Zahlreiche Prominente seien mit seiner Airline unterwegs, und diese schätzten den Umstand, dass sie nicht mit 300 anderen Passagieren boarden müssen. In der Topkategorie der drei Buchungsklassen können Passagiere die Lounge nutzen und sich direkt vom Chauffeur zum Flugzeug bringen lassen. Vor allem die Qualität des Essens werde sehr gelobt. Ein Reisender schwärmte kürzlich, der Hummer an Bord von Beond sei noch besser gewesen als jener, den er in seinem Fünf-Sterne-Resort auf den Malediven serviert bekommen habe.
Ein Hummer-Mahl im Himmel mag auf den ersten Blick so bizarr erscheinen wie Eishockey in der Wüste. Dass Letzteres nicht nur sehr gut möglich ist, sondern auch ein gefragtes Geschäft darstellt und Investitionen anlockt, dürfte Beond und seinem Gründer jedenfalls Mut machen.
Fotos: Beond