„Ein bisschen Grössenwahn muss sein“

Moritz Novak verfolgt mit seinem österreichischen Space-Start-up Gate Space ambitionierte Ziele, und das in einer Zeit, in der die Raumfahrtbranche einen rasanten Aufschwung erlebt. Im Interview mit Forbes berichtet der Under 30-Listmaker, wie es ihm gelingt, aus einem kleinen Staat ohne nennenswerte Raumfahrtgeschichte heraus ein internationales Raumfahrtunternehmen aufzubauen – und welche Rolle Entdeckerlust und Mut dabei spielen.

Wenn man einen Satelliten oder eine Rakete in die Erdumlaufbahn bringen möchte, kommt man an Raketentriebwerken nicht vorbei. Sie sind das Schlüsselelement für jede Art von Mobilität im Weltraum und seit vielen Jahren in dieser Branche unverzichtbar. Auch chemische Triebwerke, wie sie vom öster­reichischen Start-up Gate Space entwickelt werden, sind grundsätzlich keine neue Erfindung – sie wurden bereits bei den Apollo-Missionen Ende der 1960er-Jahre eingesetzt.

Ein Blick auf die ­Website von Gate Space zeigt jedoch schnell, dass hier etwas anders gemacht wird: ­Raketentriebwerke ­können hier vor­bestellt und konfiguriert werden – fast so wie beim Auto­kauf. Die Preise reichen von 300.000 € ­(für den kleinsten Antrieb, das Jetpack XS) bis zu 500.000 € (für das Jetpack L). Das sind ­günstige Angebote für den sonst doch sehr ­kostspieligen Raumfahrtsektor; gleichzeitig sind die Triebwerke ­flexibel einsetzbar und haben somit ein breites Anwendungsspektrum, wie Gate-Space-Mitgründer und -CEO ­Moritz Novak erklärt: „Während unsere Kon­kurrenten sich auf ­Nischenmärkte konzentrieren und spezi­fische Antriebe für bestimmte Einsatzbereiche entwickeln, haben wir uns – trotz der zahlreichen technischen Herausforderungen – zum Ziel gesetzt, ein All-in-one-Triebwerk zu bauen, das alle Anforderungen erfüllt.“

Novak war schon seit jeher von der Raumfahrt begeistert: „Das Weltall ist einfach unglaublich erkundenswert. Ähnlich wie Seefahrer früher davon geträumt haben, die Grenzen der Welt zu erforschen, habe ich immer fasziniert ins Weltall geblickt. Ich glaube, jeder Mensch trägt ­irgendwo diese Entdeckerlust in sich.“

So erfüllte sich Novak vor drei Jahren selbst seinen Ent­deckertraum und gründete gemeinsam mit sechs Co-Foundern das ­Unternehmen Gate Space als eine Art Spin-off des „Space Teams“ der Technischen Universität Wien. Dieser studentisch organisierte Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, weltraumbegeisterte Studierende zusammenzubringen, um gemeinsam an kleinen Raketen zu arbeiten.

Novak selbst studierte Maschinen­bau an der TU Wien und war über lange Zeit Präsident des TU Wien Space Teams. „In Österreich und auch an der TU gibt es ­einen Mangel an Lehrveranstaltungen zur Raumfahrttechnik – sowohl im Studium als auch in der Wirtschaft. Das TU Wien Space Team hat diese Lücke gefüllt und alle Interessierten zusammengebracht“, erzählt Novak.

Aus genau diesem Mangel an Studienangeboten zur Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Wien heraus initiierte Novak ­gemeinsam mit Professoren der Universität ­einen maßgeschneiderten Masterstudiengang für Luftfahrttechnik – nur für sich selbst. „Ich war dann der erste und bisher einzige Student in diesem Masterprogramm. Trotzdem habe ich das Studium pausiert, um letztendlich Gate Space zu gründen“, erzählt der Unternehmer.

Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des Space Teams gründete Novak somit 2021 sein erstes eigenes Unternehmen. „Wir haben uns quasi die besten Leute aus dem TU Wien Space Team geschnappt, um Gate Space zu gründen. Das hat gut funktioniert, weil wir schon ein eingespieltes Team waren und eine große Leidenschaft für das Thema ­hatten“, erklärt Novak und fügt hinzu: „Viele hielten uns anfangs für größenwahnsinnig, aber ich denke, ein bisschen Größenwahn muss sein, wenn man in dieser Branche Fuß fassen will.“

Vieles von dem, was Novak beim Space Team gelernt hat, nahm der Gründer mit in sein eigenes Unternehmen. Dies umfasste sowohl technische Aspekte des Triebwerkbaus als auch die Herausforderung, Investoren und Fördermittel zu finden – ein Unterfangen, das sich besonders in Österreich oft schwierig gestaltet. „Die Reaktionen auf unsere Ideen waren sehr polarisiert: Einerseits gibt es Menschen, die von unserem Produkt, dem Business Case und der Geschichte, die wir erzählen, begeistert sind; andererseits gibt es auch solche, die uns für völlig verrückt halten“, erklärt Novak.

Österreich bietet nicht nur ein schwaches Funding-Ökosystem für Raumfahrtunternehmen, auch die nötige Infrastruktur fehlt nahezu vollständig. So befindet sich das Startgelände für europäische Raketen und Satelliten in Französisch-Guayana, während es in Mitteleuropa keine Möglichkeiten gibt, ­Raketen zu starten. Auch die zukünftigen Kunden von Gate Space werden überwiegend aus dem Ausland kommen: „Wir haben somit eine Exportquote von 100 %“, betont Novak.

Viele der Gate-Space-Mitarbeiter kommen wie Novak ebenfalls aus dem TU Wien Space Team.

Durch die Privatisierung von Weltraummissionen, vorangetrieben durch Unternehmen wie Space X, hat die Raumfahrtbranche in den letzten Jahren ein enormes Wachstum erlebt. Während zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich noch 20 bis 70 Satelliten pro Jahr

in die Erdumlaufbahn gebracht wurden, lag dieser Wert 2022 bereits bei rund 170 pro Monat. Der Umsatz der Raumfahrtindustrie stieg ebenfalls deutlich: 2022 betrug er 546 Mrd. US-$, verglichen mit 276 Mrd. US-$ im Jahr 2010. Auch die Verfahren, mit denen Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht werden, sind deutlich zugänglicher geworden. Novak erklärt: „Einen Satelliten ins All zu schicken ist heute fast so einfach wie einen Flug zu buchen.“ Durch diese Vereinfachungen und die Öffnung des Raumfahrtmarkts wächst auch die Zahl potenzieller Kunden für Gate Space. „Ich denke, wir haben genau zur richtigen Zeit gegründet – früher hätte es kaum Kunden für unser Produkt gegeben und später wäre der Markt bereits gesättigt gewesen“, fasst Novak zusammen.

Dieses Jahr gelang es Novak, eine Zusammenarbeit mit der ESA zu sichern, in deren Rahmen Gate Space seine Triebwerke für eine potenzielle Mondmission testen soll. „Die ESA ist ein wichtiger Partner für uns, da die Raumfahrt eine sehr spezialisierte Branche ist, in der staatliche Unterstützung von großer Bedeutung ist“, erklärt Novak.

Trotzdem steht das 13-köpfige Team um Novak noch am Anfang seiner Reise. Ein Prototyp der Antriebssysteme soll voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 erstmals im Weltraum ge­testet werden. Dies markiert den ersten Schritt in die Zukunft von Gate Space. „Uns wird es noch lange geben, da ich überzeugt bin, dass es bald viel mehr Menschen geben wird, die Raumfahrtmissionen realisieren wollen und feststellen, dass sie Mobilitätslösungen benötigen, um Ziele im Weltall zu erreichen. Wir werden diese Lösungen bereitstellen“, sagt Novak.

Moritz Novak ist Co-Founder und CEO von Gate Space, einem Unternehmen, das an innovativen Mobilitätslösungen für Weltraumsatelliten arbeitet. Gegründet hat er das Unternehmen gemeinsam mit sechs Studienkollegen des TU Wien Space Teams, als dessen Präsident er von 2020 bis 2021 fungierte.

Fotos: Gate Space

Lela Thun,
Redakteurin

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