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Dominic Thiem ist einer der erfolgreichsten österreichischen Sportler aller Zeiten. Nach vielen Höhen und Tiefen hat der 30-Jährige nun seinen Rücktritt angekündigt. Im nächsten Kapitel seines Lebens will Thiem als Investor und Unternehmer an seine grossen sportlichen Erfolge anknüpfen. Den Grundstein dafür hat er schon gelegt – doch auch einem Tennisstar wird der Erfolg als Geschäftsmann nicht geschenkt.
Tennisfans waren in den letzten 20 Jahren äusserst verwöhnt. Denn mit Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic spielten die drei besten Spieler aller Zeiten in dieser Zeit neben- und gegeneinander. Die Erfolge, die das Trio erreichte, sind wirklich aussergewöhnlich: Von den 81 Grand-Slam-Turnieren, die zwischen 2004 und 2024 im Herrentennis gespielt wurden, gingen 65 Titel an Federer, Nadal und Djokovic. Nur 16-mal ging ein anderer Spieler siegreich vom Platz. In diesen beiden Jahrzehnten blieb selbst für talentierte Spieler also nur sehr wenig vom «grossen Kuchen» im Tennis übrig.
Einer von denen, die diese Phalanx durchbrechen konnten, heisst Dominic Thiem. Bei den US Open 2020 holte Thiem seinen ersten und einzigen Grand-Slam-Titel, wenige Monate davor hatte er mit dem dritten Rang seine Bestplatzierung in der Rangliste erreicht. Thiem gehört auch zu den ganz wenigen Spielern, die mehr als fünf Siege gegen die «Big Three» (also Federer, Nadal und Djokovic) schaffte. Der Grand-Slam-Titel war ein Erfolg, auf den der Niederösterreicher sein ganzes Leben hingearbeitet hatte.
Wenig später folgten jedoch ein Motivationstief und eine schwere Verletzung. Nach einem mühsamen Comeback und durchwachsenen Leistungen wurde klar, dass Thiem nicht mehr an die grossen Erfolge anknüpfen kann – im Mai gab er dann seinen Rücktritt per Jahresende bekannt.
Doch Thiem will sich keineswegs zur Ruhe setzen. Parallel zu seiner aktuell laufenden Abschiedstour bastelt der 30-Jährige, der während seiner Karriere Preisgelder in Höhe von knapp über 30 Mio. US-$ (rund 27 Mio. CHF) gewann, bereits an seiner «Karriere nach der Karriere». Denn als Investor, Markenbotschafter und Unternehmer will Thiem sich neben dem Sport nun anderen Projekten widmen. «Ich bin voller Energie und will eigentlich ohne Pause weitermachen», so Thiem, als ihn Forbes zum Interview trifft.
Thiems erster Schritt ins Unternehmertum fand im März 2021 statt. Nach vielen Jahren hatte Thiem damals auch die Schattenseiten der langen Reisen und intensiven Trainingswochen kennengelernt. Damals meldete sich das Wiener Start-up Neoh bei dem Tennisstar, das sich auf zuckerfreie Süssigkeiten spezialisiert hat – und holte Thiem als Testimonial und Investor an Bord.
«Neoh hat mir damals einen eigenen Riegel für die Matches und die Reisen entwickelt. Das hat sofort perfekt gepasst», so Thiem. «Das war ein Perfect Match.» Ein Jahr später folgte die Erweiterung des Portfolios: In einer privaten Seedrunde des in Zug ansässigen Start-ups Fantium war Thiem einer der prominentesten Investoren. Fantium will die Finanzierung von Athleten demokratisieren und es Fans über NFTs ermöglichen, an deren Erfolgen zu partizipieren. Die Finanzierungsrunde fiel inmitten des NFT-Hypes, doch schon wenig später ging es für den Markt bergab: Ende 2023 waren Schätzungen zufolge rund 95 % aller NFTs wertlos geworden. Doch das Ende des Hypes bedeutete nicht das Ende von Fantium: Bis heute können Investoren in junge Talente investieren und dann an deren Erfolg profitieren.
2023 machte etwa Felix Mischker auf sich aufmerksam, der für die Finanzierung seiner Tenniskarriere 50.000 US-$ (45.000 CHF) einsammeln konnte. Auf Nachfrage, inwiefern Fantium noch Teil von Thiems Portfolio ist, sagt dessen Manager Moritz Thiem: «Fantium läuft grundsätzlich gut. Natürlich ist es noch ein Start-up, aber wir denken, es hat enorm viel Potenzial und das Schöne ist: Man hilft jungen Talenten, die vielleicht sonst ihre Karriere nicht finanzieren könnten. Was aber für die Investoren interessant ist, ist, dass man wirklich einen extremen Gewinn erzielen kann.»
2023 startete dann Thiems erstes eigenes unternehmerisches Projekt: In Kooperation mit der Wiener Werbeagentur Follow Austria, dem steirischen Brillenhersteller Lasnik sowie dem Brillenhändler Wutscher, startete Thiem eine eigene Kollektion für Sonnenbrillen. «Ich mochte Sonnenbrillen schon immer – zudem werden die Produkte nachhaltig hergestellt, was gut zu meinem Fokus passt», so Thiem. Das Design passiere in Abstimmung aller Parteien, den Vertrieb übernimmt Wutscher exklusiv. Thiem agiert auch hier als Namensgeber und Gesicht der Marke. Die neue Kollektion ist seit ein paar Wochen verfügbar, Anfang Juli fand dann die Präsentation im Wutscher Store in Wien statt. «Die neuen Brillen sind extrem gelungen, noch hochwertiger, und die zwei neuen Modelle sind meine absoluten Favoriten», so Thiem. Zur Zukunft bleibt Thiem vage – betont aber, dass er die Marke gerne langfristig etablieren möchte. «Wir müssen uns überlegen, wie die Zukunft aussieht – grundsätzlich wäre es aber sehr schön, wenn das Projekt lange bestehen bleibt.»
Kürzlich kommunizierte Thiem aber vor allem Projekte in einem Bereich, in dem er sich stark positionieren will: Nachhaltigkeit. In einer Kooperation mit dem Öl- und Chemiekonzern OMV fungiert er als Botschafter des neuen Sustainable Aviation Fuels (SAF) Business Solutions, das eine nachhaltigere Möglichkeit bieten soll, mit dem Flugzeug zu reisen. Und mit Thiem Energy will der Tennisprofi, in Kooperation mit dem burgenländischen Start-up Solah, bei der Energiewende mitwirken.
Thiem Energy soll einerseits die Abhängigkeit von den volatilen Strompreismärkten für Haushalte und Unternehmen reduzieren und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz tun. Der erste Schritt: Eine gleichnamige Bürgergemeinschaft, die Zugang zu grünem und fairem Strom erhalten soll. Dabei können Menschen mit eigener Photovoltaikanlage Strom zur Verfügung stellen, aber auch Menschen ohne Anlage mitmachen und diesen Strom nur beziehen. Thiem: «Vor diesem Hintergrund ist Thiem Energy für mich noch viel mehr als nur ein Projekt – es soll eine Community, eine Bewegung werden, die darauf abzielt, zur Energiewende in Österreich aktiv beizutragen.» Dabei will das Projekt auch in Sachen Preise Vorreiter sein. Wie genau diese gestaffelt und strukturiert sind, soll im Juli rund um das Turnier in Kitzbühel kommuniziert werden. Thiem: «Mit 100 % Preistransparenz und dem Verzicht auf monatliche Grundgebühren heben wir uns deutlich von anderen Initiativen im Bereich der Bürgerenergiegemeinschaften ab.»
Doch Thiem will Thiem Energy als Dach nutzen, um mehrere Initiativen in diesem Bereich zu starten. «Die Bürgerenergiegemeinschaft ist der Anfang einer Vielzahl geplanter Projekte, bei denen es in Zukunft auch um die gemeinschaftliche Unterstützung von Umwelt-, Sport- oder Sozialinitiativen gehen soll.» Eine konkrete Idee, die Thiem erwähnt, ist ein Sportzentrum, das nachhaltig ist. So etwas gäbe es in der Form noch nicht, das würde ihn interessieren, sagt der Tennisprofi im Gespräch sinngemäss.
Wie bei seiner Brillenmarke verfolgt Thiem auch hier eine langfristige Perspektive: «In zwölf oder 18 Monaten will ich ein Resümee ziehen und schauen, wie viel CO2 wir damit sparen konnten.» Überhaupt legt der Tennisprofi viel Wert auf Langfristigkeit. Seine grossen Partnerschaften laufen alle seit geraumer Zeit: Mit Adidas kooperiert Thiem seit 2011, mit Babolat seit 2015, mit Rolex seit 2016. «Im Gegensatz zu anderen Sportlern habe ich nur wenig grosse Partnerschaften. Mir ist es wichtig, dass es da in der Zusammenarbeit gut passt.» Dass Thiem bei mehreren Projekten mitmischt und auch in Start-ups investiert, ist angesichts seiner bisherigen Anlagestrategie aber durchaus überraschend. Thiem selbst sagt von sich, dass er sein mit Tennis verdientes Geld äusserst konservativ angelegt hat. «Als Sportler weiss man nie, wie lange man noch spielen kann. Es gibt nur ein paar Jahre, in denen man gut verdient. Da muss man für die Zukunft vorbauen.» Abseits einer GmbH, die Thiems Immobilien verwaltet, tätigt er seine Investitionen als Privatperson.
Das Geld, das investiert wird, ist aber jedenfalls sein eigenes. Externe Geldgeber an Bord zu holen ist kein Thema für Thiem. Auch der Kreis seiner Vertrauten und Berater bleibt unverändert, auch wenn Thiem nicht ausschliesst, neue Kompetenzen für sich an Bord zu holen: «Das Team bleibt bestehen, aber es werden natürlich neue Themen dazukommen. Wenn wir jemanden kennenlernen, mit dem die Chemie passt und der neue Inputs reinbringen kann, ist das jedenfalls vorstellbar.»
Im Alter von vier Jahren stand Thiem erstmals auf dem Tennisplatz. Die Eltern des in Lichtenwörth geborenen und aufgewachsenen Ausnahmekönners betreiben eine Tennisschule, und so war der Sport für Dominic Thiem quasi omnipräsent. Im Alter von 16 Jahren holte er seinen ersten Juniorentitel. Zwei Jahre später gelang ihm ein Prestigeerfolg, als der damals 18-Jährige gegen die ehemalige Nummer eins der Welt, Thomas Muster, ein Match gewann.
Danach ging es steil bergauf. Thiem schaffte es in die Top 100 (Februar 2014) der Welt, holte 2015 seine ersten internationalen Titel (in Nizza, Umag und Gstaad), besiegte Anfang 2016 mit Rafael Nadal einen der «Big Three» und kam später ins Halbfinale der French Open. 2019 folgte dann der erste Masters-Sieg in Indian Wells, wo er Roger Federer besiegte. Im gleichen Jahr feierte Thiem auch einen Prestigeerfolg in Österreich, als er das ATP-Turnier in Kitzbühel gewann.
Viel Zeit, um über sich selbst, die Zeit danach oder andere Dinge nachzudenken, blieb Thiem damals nicht, wie er sagt. «Der professionelle Sport ist unglaublich intensiv und schön, aber es ist schon so, dass der Fokus eigentlich nur darauf liegen kann. Für andere Dinge bleibt einfach keine Zeit.»
Thiem schaffte es in die Top Ten der Weltrangliste, kam bei den French Open ins Finale und besiegte neben Nadal auch Federer und Djokovic. 2020 folgte dann der grosse Triumph: Der Sieg bei den US Open. Dass dieser Sieg aufgrund von Covid vor leeren Rängen passierte, schmälerte die Freude von Thiem kaum. Doch es folgte ein Motivationstief – nach dem grössten Erfolg seiner Karriere fiel es Thiem schwer, die Spannung hochzuhalten. Mitte 2021 streikte dann auch der Körper, Thiem verletzte sich am Handgelenk. Weil er der Verletzung nicht ausreichend Zeit gab und zu früh wieder mit dem Training begann, dauerte die Auszeit länger als nötig. Erst im März 2022, also nach insgesamt 280 Tagen Verletzungspause, stand Thiem wieder bei einem Turnier auf dem Platz.
Bis 2019 arbeitete Thiem mit seinem damaligen Trainer Günter Bresnik zusammen. Bresnik trainierte Thiem bereits als Kind und dürfte mit seiner «harten Schule» durchaus Anteil an Thiems sportlichen Erfolgen gehabt haben. 2019 kam es jedoch zum Bruch, der letztendlich sogar vor Gericht endete. Mit dem Chilenen Nicolas Massu als Coach gewann er anschliessend seinen einzigen Grand Slam, die Zusammenarbeit endete 2023 – damals trennte sich Thiem auch von seiner bisherigen Managementagentur Kosmos.
Letztendlich entschied sich Thiem dann, mit seiner Familie zu arbeiten. Seit Anfang 2023 agiert Thiems Bruder Moritz als sein Manager, zuletzt trainierte der Tennisspieler auch wieder gemeinsam mit seinem Vater Wolfgang. Beobachter äusserten Kritik, dass diese Konstellation nicht zu besonders grossen Erfolgen geführt hätte. Man müsse Familie und Geschäft trennen, so der Tenor. Doch Thiem sieht das anders und betonte stets, dass das Set-up für ihn absolut richtig war und ist: «Das hätte ich schon früher machen sollen. Der fehlende Erfolg liegt ja nur an mir und nicht an meinem Umfeld.»
Doch auch die Familie konnte die sportliche Talfahrt nicht stoppen. Erste Gedanken an einen Rücktritt hatte Thiem dann im Herbst 2023. Thiem hatte damals gerade erst einen Erfolg verbucht, als er ins Finale der Generali Open in Kitzbühel gekommen war. Und doch merkte Thiem, dass etwas fehlte: «Das war eigentlich ein gutes Ergebnis. Das schaffte ich aber nur durch grossen Kampfgeist sowie meine Erfahrung. Ich habe gemerkt, dass es sich nicht mehr so anfühlt wie früher.» Den Moment, als er seine Entscheidung dann dem engsten Umfeld kommunizierte, bezeichnet Thiem als «grosse Erleichterung».
Eine lange Pause, um Luft für das nächste Kapitel zu holen, ist für Thiem kein Thema, wie er auch bei seinem Auftritt beim Forbes Money Summit im Juni 2024 erzählte. «Ein Sabbatical brauche ich nicht», so Thiem damals grinsend. Er will zurückgeben, wie er sagt. «Ich durfte jahrelang meine Leidenschaft ausleben. Man nimmt da aber sehr viel vom eigenen Körper, aber natürlich auch viele Ressourcen vom Planeten. Für mich ist es jetzt extrem wichtig, zurückzugeben und etwas Gutes zu tun.»
Und: Er freut sich darauf, neben dem Fokus auf den Sport neue Bereiche kennenzulernen. «Ich will möglichst viel lernen, neue Dinge sehen und mich auch besser in anderen Themen auskennen. Eigentlich kann ich ja nur Tennis spielen.»
Dominic Thiem wurde 1993 in Niederösterreich geboren. Seine Eltern betreiben in seinem Heimatort Lichtenwörth eine Tennisschule, mit vier Jahren stand Thiem erstmals auf dem Platz. 2020 erreichte er den dritten Rang in der Weltrangliste, im gleichen Jahr gewann er seinen einzigen Grand Slam bei den US Open. Ende 2024 tritt er vom professionellen Sport zurück.
Fotos: Peter Rigaud, Erick Knight