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Von den Vereinten Nationen zum Sozialunternehmer: Sebastian Stricker setzt in seinen Geschäftsideen neben Profit auch auf Nächstenliebe und gesellschaftlichen Mehrwert - und das mit Erfolg.
Dem klassischen „1+1-Prinzip“, das man aus dem Supermarkt kennt, hat Sebastian Stricker eine ganz neue Bedeutung gegeben. Denn was man sonst eher als Werbeaktion kennt, bedeutet bei Share – nomen est omen –, zu teilen: Kauft man eines der rund 50 Share-Produkte, die von Wasserflaschen über Seife und Handcremes hin zu Schokolade und Toilettenpapier reichen, so ist im Kaufbetrag auch automatisch eine Sachspende für Menschen in Entwicklungsländern enthalten.
Sharing is caring
„Erwirbt man einen Nussriegel, so spendet man eine Mahlzeit, mit dem Kauf einer Flasche Wasser versorgt man einen Menschen einen Tag lang mit Trinkwasser, und unsere Handseife schenkt äquivalent dazu ein Seifenstück“, erklärt Sebastian Stricker, Gründer und CEO von Share. Bevor er seinen Beruf – und seine Berufung – als Sozialunternehmer fand, war er jahrelang im Bereich der Entwicklungshilfe tätig: Nach Strickers Karrierebeginn als Manager für das Malariaprogramm der Clinton Foundation wechselte er 2011 zu den Vereinten Nationen, wo er unter anderem als Policy Officer for Global Strategic Issues und Berater im Bereich Business Innovation fungierte. „Diese Zeit hat mich natürlich sehr geprägt – ich habe bei den Vereinten Nationen viele Vorbilder gefunden“, erzählt Stricker.
2013 verschlug es den gebürtigen Österreicher, der im Fach Internationale Beziehungen an der Universität Wien promovierte, schließlich nach Berlin. Ein Gedanke, der ihm eines Tages beim Mittagessen kam, ließ ihn nicht mehr los: „Während ich beim Essen saß, dachte ich mir immer wieder: Wie kann ich einem hungernden Menschen einfach und direkt eine Mahlzeit spenden? Dabei saß ich, wie die meisten von uns, vor dem Smartphone. Das war mein Heureka-Moment“, erinnert sich Stricker.
Das Grundprinzip seiner (Geschäfts-)Idee ist bis heute gleich geblieben: Gemeinsam mit seinem Kollegen Bernhard Kowatsch gründete er 2013 das Start-up Share the Meal, welches später in das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) aufgenommen wurde.
Einer der ersten Erfolge von Share the Meal war der Gewinn des Interactive Innovation Awards 2016 auf dem South by Southwest Festival (SXSW) in Austin, Texas. Heute ist Share the Meal laut Angaben der Uno eine der beliebtesten und bekanntesten Spenden-Apps auf dem Markt. 2018 wurden darüber 11,3 Millionen Mahlzeiten ermöglicht, was in etwa eine Spende alle drei Sekunden bedeutet. Weltweiten Hungerkrisen, etwa jenen in Jemen oder Indonesien, konnte damit entgegengewirkt werden. „Wir konnten Menschen nicht nur nachhaltig und unmittelbar helfen, wir haben auch den Prozess des Spendens für die Leute attraktiver gemacht“, so Stricker.
Sebastian Stricker
absolvierte einen MBA an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie ein Doktoratsstudium der Internationalen Beziehungen an der Universität Wien. Nach der Gründung der App Share the Meal 2013 folgte die Share GmbH 2017, deren CEO Stricker bis heute ist.
Spenden im Alltag
Es dauerte nicht lange, bis der Leitgedanke „Spenden einfacher machen“ Stricker zu seiner nächsten Gründung führte: „Irgendwann dachte ich mir: Wie kann man das Spenden noch besser in den Alltag integrieren? Klar: durch den Kauf von alltäglichen Bedarfsprodukten“, erzählt Stricker.
Sein erstes Produkt sollte symbolisch für das lebenswichtigste Gut stehen: Wasser. Die Share-Flaschen sind mit Wasser aus den deutschen Alpen gefüllt, bestehen aus wiederverwertetem Plastik (als erste ihrer Art in Deutschland) und verkauften sich in den ersten sechs Monaten nach Lancierung über drei Millionen Mal. Diese Verkäufe ermöglichten zudem den Bau von 21 neuen Brunnen in der westafrikanischen Republik Liberia.
Stricker hatte Blut geleckt: Er führte Nussriegel ein, da diese wie das abgefüllte Wasser einfach konsumiert werden können. Das weckte das Interesse von Rewe, und auch jenes von DM, dem größten Drogeriehändler Europas. „Da wir ein soziales Unternehmen sind, ist die Wertschöpfungskette natürlich auch so nachhaltig und fair wie möglich. Unsere Produkte sind meist bio, fair gehandelt und größtenteils vegan.“
Doch auch Stricker kann sich den Marktmechanismen nicht entziehen – und die führen am Lebensmittelmarkt zu engen Margen. Dennoch unterscheiden sich die Share-Produkte preislich nicht von anderen Marken – trotz qualitativ hochwertiger Rohstoffe und fairem Handel. Ermöglicht werde dies durch den Wegfall teurer Marketingmaßnahmen, so Stricker. Mittlerweile zeigen Influencer und Testimonials wie etwa die deutsche Schauspielerin Karoline Herfurth ohne jegliche Gage die Produkte auf ihren sozialen Kanälen. Die Lieferanten von Share arbeiten laut Stricker unter fairen Bedingungen und erhalten gerechte Löhne. Neben dem Onlineshop, Rewe und DM ist Share seit Herbst 2019 auch in Österreich bei DM, Merkur und in ausgewählten Billa-Filialen erhältlich.
Transparenz als Priorität
Doch trotz der vielfältigen sozialen Beiträge geriet auch Share in jüngster Vergangenheit in die Kritik. So äußerte sich Jana Gebauer, freie Unternehmensforscherin und Fellow am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin, gegenüber der deutschen Wochenzeitung Die Zeit skeptisch: Vor allem das globale Gefälle hinsichtlich Arbeitsbedingungen würde sich für marginalisierte Gruppen durch soziale Unternehmen wie Share nicht ändern. Zudem würden diese nur einen weiteren Beitrag zum steigenden Konsum in den reicheren Ländern des Nordens leisten. Kritik wie dieser begegnet Stricker stoisch: „Es ist eine gute Sache, eine ethische Alternative zu Produkten von Riesenkonzernen anzubieten, die gegen Menschenrechte und Regulierungen verstoßen.“
Besonders die Transparenz bei den lukrierten Einnahmen und Spendengeldern ist dem Share-CEO wichtig. So findet sich auf jedem Produkt ein QR-Code, welcher eine Tracking-ID bereitstellt, um genau zu erfassen, in welcher Region der Erde man durch seinen Kauf helfen konnte. Neben Notfallnahrung in Somalia werden momentan etwa auch Zahnbürsten in Bangladesch gespendet. Die unterstützten Projekte sind zeitlich begrenzt und wechseln dann. Doch Share hilft nicht nur in Afrika oder Asien, auch geografisch näher gelegene Organisationen wie die Caritas der Erzdiözese Wien werden von Share unterstützt. Pro verkauftem Produkt aus der Kategorie Snacks fließen neun Cent in die Projekte der gemeinnützigen Einrichtung.
Eine lange Reise
Im Unternehmenssitz in Berlin-Mitte beschäftigt Share heute rund 40 Mitarbeiter. Etwa 7 % des Umsatzes werden in soziale Projekte investiert, der Jahresumsatz 2019 betrug 12 Millionen €. Eine größere Investmentrunde im Vorjahr durch die Bitburger Holding der Familie Simon belief sich auf eine Million €. Neben Kooperationen im klassischen stationären Lebensmittelhandel ist Stricker auch bei Mobilitätsträgern erfolgreich: Zu den Vertriebspartnern gehören die Aral AG, eine Tochter des britischen Mineralölunternehmens BP, sowie die Fluglinie Eurowings. Auch die Deutsche Bahn wurde kürzlich als Partner an Bord geholt. Weitere Kooperationspartner, zu denen sich Stricker noch nicht offiziell äußeren möchte, werden derzeit ausgehandelt- was den Beginn einer möglichen Internationalisierung bedeuten könnte.
Geht es nach Stricker, ist dies erst der Beginn einer – möglicherweise viel größeren – Reise. Stricker ist optimistisch: „Das Potenzial ist da. Auch das Potenzial, das größte Social Business in Europa zu werden. 2020 hat jedenfalls schon mal sehr gut gestartet.“
Text: Chloé Lau
Fotos: Jörg Klaus