Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Mit einem 3D-Drucker kann man fast alles herstellen: Musikinstrumente, Kleider, Spielzeuge, Autoteile und sogar Fleisch; einfach aus dem Gerät. Aber ist es auch denkbar, lebendes Material wie Blutgefäße, Knochen, Herzen oder Haut aus dem Drucker zu holen?
Die Anwendungsmöglichkeiten von 3D-Druck haben eine enorme Bandbreite. Auf der einen Seite liest man von japanischen Restaurants, die 3D-gedrucktes Sushi aus pflanzlichen Zutaten servieren. Auf der anderen Seite erschaffen israelische Forscher funktionierende Miniaturherzen aus menschlichen Zellen, die als „Proof of concept” für weitere Forschungen dienen. Die Technologie, die einst nur für den Druck von Prototypen gedacht war (Rapid Prototyping in den 1980er Jahren, Anm.), ist in letzter Zeit immer häufiger und zweckmäßiger im Einsatz. Mittlerweile wird sie unter anderem in der Lebensmittel-, Mode-, Transport- und Gesundheitsbranche eingesetzt. Aber: Wie funktioniert so ein 3D-Drucker eigentlich?
Der Mechanismus ist einfach erklärt: Feste Objekte werden aus einer digitalen Datei hergestellt, indem Schichten über Schichten eines verflüssigten Ausgangsmaterials wie z. B. Kunststoff hinzugefügt werden. Dieses augenscheinlich unkomplizierte Verfahren bringt eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich: komplexere Designmöglichkeiten, Zeiteffizienz, Print-on-Demand (wodurch die Notwendigkeit der Lagerung wegfällt), Kosteneffizienz usw. Aus Sicht der Industrie gibt es also zahlreiche Anreize, diese Technologie billiger und damit zugänglicher zu machen und diese sind in den Zahlen des Marktwachstums bereits sichtbar. Laut Statista lag der weltweite Markt für 3D-Druckprodukte und -dienstleistungen im Jahr 2020 bei rund 12,6 Milliarden US-$. Der Markt für 3D-Druckmaterialien wie Kunststoffe und Polymere hingegen wird Schätzungen zufolge bis 2026 ein Volumen von fast 4 Mrd. US-$ erreichen.
Doch welche konkreten Probleme können durch die 3D-Drucktechnologie bewältigt werden? Forscher arbeiten daran, dasselbe Verfahren, mit dem man „kultiviertes“ Fleisch oder eine Akustikgitarre zu Hause herstellen kann, auch zur Herstellung von Gewebe und Organen für die Transplantationsmedizin einzusetzen. Obwohl die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, könnte sie in der Zukunft Menschen auf der Warteliste für Transplantationen eine weitere Überlebenschance geben und Tierversuche unnötig machen. Beides sind vordringliche Themen unserer Zeit.
Nach Angaben des Europäischen Parlaments waren 2018 mehr als 150.000 Patienten auf den Wartelisten für Organspender in Europa registriert. Langfristig könnte „Bioprinting” eine Lösung sein, diese Wartelisten zu verkürzen und den betroffenen Menschen rascher zu helfen. Dabei geht es um den 3D-Druck von Gefäßen, Knochen, Herz, Haut und so weiter, wobei sogenannte „Biotinte” (bestehend aus Zellen und häufig in Verbindung mit dem Stoff, der diese umgibt) als Material verwendet wird. Die Idee des Bioprinting geht also über die des 3D-Drucks hinaus, bei dem Teile gedruckt werden, die nicht nur wie natürliches Gewebe aussehen, sondern sich auch so verhalten. Wenn es darum geht, lebendes Material zu drucken, wird es natürlich komplizierter, denn es werden nicht nur die Zellen benötigt, sondern auch die Umgebung, in der sie überleben: Nährstoffe, Wasser, Sauerstoff (der von einem Mikrogel bereitgestellt wird, Anm.). In letzter Zeit arbeiten Forscher daran, 3D-Drucker so zu modifizieren, dass sie Gewebe und Organe für pharmazeutische Tests und – hoffentlich in Zukunft – für Transplantationen drucken können.
Weltweit gibt es bereits eine Reihe von Unternehmen, die an der Herstellung von Bioprintern, Biotinte und organischem Gewebe arbeiten und der Industrie das Know-how und neue Testmöglichkeiten zur Verfügung stellen, wie zum Beispiel die Bico Group und Organovo. Das schwedische Start-up Bico Group (früher Cellink) wurde im Jahr 2016 von Erik Gatenholm, Héctor Martínez und Gusten Danielsson gegründet. Das Unternehmen will Wissenschaftlern helfen, menschliche Organe und Gewebe mit Hilfe von Biotinte, modifizierten 3D-Druckern und menschlichen Zellen herzustellen. Die Idee hinter dem Unternehmen war die Nichtverfügbarkeit einer universellen Biotinte, obwohl bereits Bioprinter im Einsatz waren. Im Jahr 2021 erzielte das Unternehmen einen Nettoumsatz von 146 Mio. US-$, um 44% mehr als im Jahr davor. Zu den Projekten und Initiativen des Unternehmens gehören unter anderem: massenhaft produzierte Stammzellen, Heilung von Herzkrankheiten mit 3D-gedruckten Herzen und die Abschaffung von Tierversuchen.
Das US-amerikanische Unternehmen Organovo wurde 2007 gegründet und leistet Pionierarbeit bei der Entwicklung von menschlichem 3D-Gewebe für die Arzneimittelforschung und die medizinische Forschung (Das Unternehmen war in mehrere Rechtsstreitigkeiten mit Bico über Patente verwickelt, hat sich aber am 23. Februar 2022 von allen früheren Ansprüchen getrennt, Anm.). Im Jahr 2017 erwirtschaftete das Unternehmen 4,23 Mio. US-$ an Einnahmen. Wie in einem Forbes-Artikel aus dem Jahr 2015 beschrieben, lieferte das Unternehmen Technologie für den Kosmetikriesen L'Oréal zur Herstellung von 3D-gedruckter menschlicher Haut, die für Tests von Kosmetikprodukten verwendet werden sollte.
Der Einsatz des reinen 3D-Drucks, ohne den Aspekt der Herstellung lebender Zellen, ist in vielen medizinischen Bereichen wie der Zahnmedizin und bei Hörgeräten bereits jetzt schon sehr hilfreich. Es wird erwartet, dass er auch in der Arzneimittelproduktion eine zentrale Rolle spielen wird, da das Drucken von Arzneimitteln Flexibilität und Kosteneffizienz und nicht zuletzt die Möglichkeit bietet, die Dosis für den Kunden anzupassen. Beim Bioprinting wartet man jedoch noch auf den großen Sprung. Bislang gab es zwar einige Erfolge beim Tissue-Engineering mittels Bioprinting, aber vollständige und funktionsfähige Organe sind noch nicht realisierbar, und eine Massenproduktion in den kommenden Jahrzehnten ist nicht wahrscheinlich. Ein Problem ist das Fehlen geeigneter Biotinten, ein anderes die mangelnde Leistungsfähigkeit der Drucker.
Text: Ekin Deniz Dere
Foto: Unsplash