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Big Wave Surfing ist das Surfen von Wellen, die mindestens 6,2 Meter hoch sind. Nic von Rupps Höhenrekord liegt bei ungefähr 27 Metern, er gilt als einer der erfolgreichsten Sportler seiner Disziplin.
Mit seinen schulterlangen aschblonden Haaren, seinem gebräunten Gesicht und den strahlend blauen Augen ist Nic von Rupp das Klischee eines Surfers. Während unseres Videotelefonats, das er über sein Handy führt, versprüht er eine Gelassenheit, die nur am Strand zu finden ist. Doch das heißt nicht, dass für von Rupp alles nur Spielerei ist, denn als Big-Wave-Surfer reitet er Wellen, die über 25 Meter hoch werden. Wenn eine solche Welle bricht, entsteht eine Kraft von mehreren Hunderttausend Tonnen – und dennoch kann sich von Rupp kein anderes Leben vorstellen, als Tag für Tag ins Meer hinauszupaddeln und sich diesen Kräften zu stellen.
In Portugal geboren und aufgewachsen war von Rupp dem Meer schon immer nahe, auch wenn keiner seiner Elternteile surfte. Aber trotzdem war es sein Vater, der ihm den Sport in den Kopf setzte: „Ich war mit meinem Vater im Auto unterwegs und er spielte eine Kassette der Beach Boys ab. Ich dachte mir: ‚Was ist dieses Surfing? Auf Wellen reiten? Das klingt ziemlich cool!‘“
Mit neun Jahren stand er zum ersten Mal auf einem Board, vier Jahre später fand von Rupp seine ersten Sponsoren, die ihn dabei unterstützten, professionell zu surfen. Seine Eltern waren damals dagegen, sie wünschten sich für ihn eine sichere, stabile Karriere. Doch das junge Talent kannte die Nachteile – die physischen Anstrengungen und die Gefahren im Meer sowie den psychischen Druck, immer Topleistungen erbringen zu müssen – und war sich sicher, dass er eine Karriere als Profisportler anstreben wollte. Weitere 15 Jahre später bereut von Rupp seine Entscheidung keinen Deut.
Dass er einer der erfolgreichsten Big-Wave-Surfer ist, hilft natürlich dabei. Letztes Jahr belegte er den ersten Platz bei der Tudor Nazaré Challenge, die jedes Jahr von der World Surf League organisiert wird, und diesen Februar gewann er den Billabong Perfect Chapter, einen weiteren renommierten Surfbewerb. Außerdem ist er ein Anwärter für den Rekord der höchsten Welle, die je gesurft wurde: Ebenfalls in Nazaré ritt von Rupp vergangenes Jahr eine Welle, die rund 27 Meter hoch war. Der Weltrekord, der 2020 vom deutschen Surfer Sebastian Steudtner aufgestellt wurde (übrigens auch in Nazaré), liegt mit 28 Metern nur knapp darüber.
Dass beide Wellen in Nazaré gesichtet wurden, ist kein Zufall – denn unter dem Wasser befindet sich dort der größte Unterwassercanyon Europas, er ist 230 Kilometer lang und bis zu 5.000 Meter tief. Kurz vor der portugiesischen Küste verjüngt sich dieser Canyon, sodass sich die Wellen, die sich im Atlantischen Ozean aufgebaut haben, in der Folge zu riesigen Wasserwänden auftürmen.
Welche Welle tatsächlich höher war, Steudtners oder von Rupps, ist umstritten, denn das Vermessen von Wellen ist keine exakte Wissenschaft. Auf Bildern wird versucht, anhand der Größe der Surfer die Höhe der Welle zu schätzen, doch die Dimensionen können je nach Winkel variieren, erklärt von Rupp. Der offizielle Rekord liegt jedenfalls bei Sebastian Steudtner.
Von Rupp selbst versucht, sich sowohl in seinen Youtube-Videos als auch in unserem Gespräch von der Thematik zu distanzieren: „Ich möchte die Fairness meines Sports unterstützen, und ich finde nicht, dass der Surfsport die letzten Jahre besonders fair war“, sagt er über das Wellenmessen und erläutert: „Es ist eher so, dass dem Sportler ein Rekord zugeschrieben wird, der am lautesten schreit, den größten Hype erzeugt.“ Für Profis wie ihn, die bereits Anerkennung genießen und hinter denen ein Filmteam steht, sei das deutlich leichter als für Amateure oder Neulinge. Etwas optimistischer fügt er jedoch hinzu, dass es auch viele Leute gibt, die versuchen, die Vermessungen genauer und gerechter zu gestalten.
Neben seinen Erfolgen auf dem Meer hat sich von Rupp auch ein kleines Business aufgebaut. Er sagt: „Als professioneller Surfer macht man bei Wettbewerben mit, aber man kreiert auch Content. Und meine Eltern haben mir von Anfang an bewusst gemacht, dass ich auch an mein Leben nach dem Surfen denken muss.“ Zwar gibt es 80-jährige Surfer, die meisten erreichen den Höhepunkt ihrer Karriere jedoch mit Mitte 30. Mittlerweile
32 Jahre alt, ist von Rupp davon nicht mehr weit entfernt.
Aber er hat vorgesorgt: Auf Instagram hat er 203.000 Follower, sein Youtube-Kanal zählt 42.500 Abonnenten. Mit einem kleinen Team lädt er dort Videos seiner Surf-Trips hoch, die ihn das ganze Jahr über um den Globus treiben. Seine neueste Videoserie „Portugal – Back to Back“ produziert er gemeinsam mit der portugiesischen Tourismusbehörde, um seinen Fans die Küsten seines Heimatlands zu zeigen. Zwischen den beeindruckenden Surfclips werden den Zusehern Küstenstädte und Aufforderungen, die Strände Portugals sauber zu halten, gezeigt.
Doch der Weg zu von Rupps Erfolg ging nicht immer nur bergauf: Letztes Jahr brach er sich beim Wellenreiten die Schulter, vier Monate musste er aufs Surfen verzichten. Heute spielt er den Unfall herunter: „Ich hatte immer schon großes Glück. Viele meiner Freunde hatten bereits viel schlimmere Erfahrungen, manche wären fast gestorben. Ich glaube, das liegt daran, ich sehr berechnet mit dem Risiko umgehe. Meine Priorität ist es, heil wieder an Land zu kommen. Ich bin nicht verrückt.“
Sieht man sich seine Videos an, würde man ein anderes Fazit ziehen. Dennoch möchte von Rupp so weitermachen wie bisher: Surfen, Videos drehen, Rekorde brechen – und den Lifestyle als Surfer mit der Welt teilen: „Surfen ist meine Leidenschaft. Ich liebe es. Ich möchte für immer in dieser Welt leben und das Surfen sowohl als Sport als auch als Business aufs nächste Level bringen.“ Als wir uns von ihm verabschieden, scheint seine Aufmerksamkeit schon woanders zu sein – wir können uns denken, wo.
Nic von Rupp stand mit neun Jahren zum ersten Mal auf einem Surfbrett und fand schon bald seine ersten Sponsoren. In seinen frühen 20ern entdeckte er das Big-Wave-Surfen für sich und gilt heute als einer der erfolgreichsten Sportler in diesem Bereich. Mit einem kleinen Team produziert er außerdem Videos für seine Fans.
Text: Erik Fleischmann
Fotos: Nic von Rupp