Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Seit 2019 ist Guido Gualdoni gemeinsam mit seinem Partner Johannes Stöckl CEO des Biotech-Unternehmens G.ST Antivirals in Wien und forscht mit seinem Team am weltweit ersten Medikament gegen Rhinoviren. Aber wie gut stehen die Chancen des Unternehmens, die Pharmaindustrie durch seine Entdeckung auf ein neues Level zu bringen?
Schon beim Betreten des Campus des Vienna Bio Center wird klar, dass Unbefugten hier kein Eintritt gewährt wird. Nach einigen Sicherheitsdurchgängen und chipgesteuerten Türen steht das Forbes-Team in einem der vielen Labors, zwischen Kitteln, Mikroskopen und einer Zentrifuge. Während des Interviews befinden sich neben Guido Gualdoni, Co-CEO von G.ST Antivirals, drei kleine Nasensprays mit dem Logo des Biotech-Unternehmens. Sie beinhalten möglicherweise das lang ersehnte endgültige Mittel gegen Rhinoviren, die häufigsten Erreger von Erkältungen, sowie gegen das Coronavirus.
Wenn man das stereotype Bild eines Wissenschaftlers im Labor vor Augen hat, der mit Reagenzgläsern hantiert, kommt (mit den noch frischen Bildern der Coronapandemie-Zeit in den Köpfen) die Frage hoch, ob Gualdoni bei seiner Arbeit gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist. Die gebe es bei G.ST Antivirals aufgrund der niedrigen Gefahreneinstufung der Viren, mit denen in seinem Unternehmen gearbeitet wird, aber kaum, meint der Arzt.
Auch wenn Rhinoviren in den meisten Fällen nicht lebensbedrohlich sind, können sie bei Menschen mit Atemwegserkrankungen in extremen Fällen zum Tod führen. Im Jahr 2020 verzeichnete das Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland 1,2 Millionen Arztbesuche wegen Atemwegsinfektionen innerhalb einer Woche und schätzt die Gesamtzahl der akuten Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung auf 4,5 Millionen. Der Markt für Erkältungs- und Grippemittel wurde im Jahr 2022 global auf 15,72 Mrd. US-$ geschätzt und wird bis 2030 voraussichtlich eine Größenordnung von 27,82 Mrd. US-$ erreichen.
Rhinoviren sind die häufigsten Erreger von Erkältungen, Schnupfen und anderen Atemwegserkrankungen und stecken hinter mehr als 50 % aller Erkältungen. Aufgrund der ständigen Veränderungen der Viren gab es bisher jedoch weltweit kein therapeutisches Mittel gegen die Erreger. Aus diesem Grund haben bereits viele Pharmaunternehmen versucht, was G.ST Antivirals jetzt gelungen ist: ein mögliches Medikament zu finden, das die Erkältungsviren bekämpft.
Mit der Entdeckung einer medikamentösen Therapie gegen Rhinoviren gelang Gualdoni und Co-CEO Johannes Stöckl ein Durchbruch, der in die Geschichte der Medizin eingehen könnte. G.ST Antivirals ist nämlich das weltweit erste Unternehmen, das nicht das Virus selbst, sondern die von Rhinoviren befallene Zelle, auch Wirtszelle genannt, behandelt – und somit einem völlig neuen Ansatz nachgeht. Das Biotech-Unternehmen, das sich aktuell mit dem Mittel in der klinischen Phase befindet, greift dabei in den Stoffwechsel der Wirtszelle ein, manipuliert diesen und hemmt die Zuckerverwertung, sodass das Virus ausgehungert wird.
Die entzündungshemmende und antivirale Substanz befindet sich derzeit in Testphase eins im Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH), in der nach jahrelanger Forschung und diversen Tests an Tieren im Optimalfall bewiesen wird, dass sie eine positive Wirkung aufweist. Zeigt das Medikament den erwünschten Effekt, geht der Test in Phase zwei über, bei der die Verträglichkeit der Dosis getestet wird. Die dritte und letzte Phase beinhaltet eine große Gruppe an Freiwilligen, an denen das Medikament getestet wird. Von der ersten Testphase bis zur Zulassung eines Medikaments vergehen meist mehrere Jahre – „erst dann kann ein Medikament für die Öffentlichkeit zugelassen werden. Es wird intensiv Sorge dafür getragen, neue Medikamente ausgiebig zu testen, um Schäden an Menschen zu verhindern“, erklärt Gualdoni. Für den Gründer hat das Wohl der Menschen oberste Priorität.
Der 35-jährige CEO studierte von 2007 bis 2013 Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien und absolvierte während seines sechsjährigen Studiums Auslandsaufenthalte an Institutionen wie der University of California Los Angeles, der Fudan University Shanghai, am Katete Hospital in Sambia und an der Charité in Berlin. Nach seinem Abschluss im Jahr 2013 arbeitete Gualdoni als Assistenzarzt am Institut für Immunologie in Wien – und legte damit den Grundstein seines Werdegangs als Unternehmer: Bereits an der Medizinischen Universität Wien hatte Gualdoni den Immunologie-Professor und heutigen Co-Gründer von G.ST Antivirals Johannes Stöckl kennengelernt, der über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich der Immunologie verfügt. Schon damals forschten sie gemeinsam an einer antiviralen Lösung und wurden 2021 als „Investors of the Year 2020“ ausgezeichnet.
Infolge der Entdeckung beschloss Gualdoni, gemeinsam mit seinem Mitgründer den nächsten Schritt zu wagen – nämlich die Medizinische Universität Wien zu verlassen und ein eigenes Unternehmen zu gründen, um der Ausforschung der Idee nachzugehen. „Mir ist der Abschied sehr schwergefallen, aber mir war irgendwann klar, dass ich das selbst in die Hand nehmen muss, und ich bin heute sehr froh, dass wir das angegangen sind“, so Gualdoni rückblickend.
Mit der Gründung im Oktober 2019 raste das einstige Start-up geradewegs in die Pandemie, die die Nachfrage nach einem Heilmittel noch weiter ansteigen ließ. „Wir haben dann begonnen zu experimentieren und haben gemerkt, dass das Medikament wirklich extrem stark gegen Erkältungsviren wirkt. Später fanden wir dann heraus, dass es sogar gegen SARS-CoV-2 ankämpfte.“ Mit diesen Erkenntnissen wandte sich Gualdoni mit G.ST Antivirals an die Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS)
und bekam die erhoffte finanzielle Unterstützung. Am Tag der Gründung sprach der Unternehmer mit mehreren möglichen Investoren und entschied sich schließlich für den Investor Xista – zwar bekam das Biotech-Unternehmen schon früh erstes positives Feedback von Pharmaunternehmen, die das Potenzial der Entdeckungen erkannten, für diese war allerdings das Risiko, diese Forschung zu unterstützen oder selbst aufzunehmen, anfangs zu groß. Für das Team von G.ST Antivirals war das Investoreninteresse die Bestätigung, an der Sache dranzubleiben.
Heute hat das Unternehmen zehn Mitarbeiter; Immunologen, klinische Projektleiter und Laborassistenten. „Wir sind ein sehr kompaktes und schlagkräftiges Team, bei dem wirklich jeder sehr fundiert weiß, wovon er oder sie spricht, das macht das Ganze natürlich noch mal einfacher“, so Gualdoni.
Mit Blick auf die Zukunft hat das Wiener Unternehmen neben dem Nasenspray auch einen Vernebler in der Pipeline, der einem Inhalator ähnelt und bald in die klinische Testphase gebracht werden soll. Laut Gualdoni hat G.ST Antivirals bereits einen Horizont von fünf durchgeplanten Jahren vor sich, der sich den weiteren Phasen des Nasensprays und dem Vernebler widmet. Ziel des CEOs ist es, die Speerspitze der antiviralen Medikamente zu sein und seinen Vorsprung in der Forschung auch zukünftig möglichst gut zu nutzen.
Guido Gualdoni wurde 1988 in Buenos Aires geboren. Seit Oktober 2019 ist er gemeinsam mit seinem Co-Gründer Johannes Stöckl CEO des Biotech-Unternehmens G.ST Antivirals. Zusammen mit seinem Team entdeckte Gualdoni ein seit langer Zeit erhofftes Mittel gegen Rhinoviren.
Text: Anika Fallnbügl
Fotos: Katharina Gossow