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Über Geld spricht man nicht gerne – das betrifft jene, die nur wenig besitzen, und jene, die über ein exzessives Vermögen verfügen. Da wir meist auf Daten aus Haushaltsbefragungen mit freiwilliger Teilnahme und Auskunft angewiesen sind, hat dieses Schweigen handfeste Implikationen für die Forschung zur Vermögensverteilung.
Im Household Finance and Consumption Survey der Oesterreichischen Nationalbank, der einzigen Haushaltsbefragung zu Vermögen in Österreich, sind vorwiegend die untersten 99 % der Verteilung vertreten. Das oberste Prozent, das je nach Schätzung zwischen 40 und 50 % des Gesamtvermögens hält, ist stark unterrepräsentiert. Das resultiert mitunter aus der mit dem Vermögen sinkenden Teilnahme- und Antwortbereitschaft. Doch vor allem die Entwicklung der nicht erfassten Vermögen von Multimillionären und Milliardären ist für die Ungleichheitsforschung und die Steuerpolitik besonders relevant. Da ein gesamtwirtschaftlich bedeutender Anteil des Vermögens im Eigentum dieser Haushalte steht, führt dessen Nichtberücksichtigung zu verzerrten Statistiken über die Vermögensverteilung.
Zur Lösung dieses nicht nur statistischen, sondern auch demokratischen Problems haben wir in der Forschung Methoden entwickelt. Unser Ansatz beruht dabei auf der Kombination von Reichenlisten, etwa der Auflistung der Vermögendsten des Forbes-Magazins oder des österreichischen Trend-Magazins, mit den Daten der freiwilligen Haushaltserhebungen im Rahmen komplexer Methoden. Das ermöglicht plausiblere Analysen.
Von transparenten Verhältnissen sind wir noch weit entfernt. Ein Ungleichgewicht, das öffentliche Debatten zur Verteilung und Besteuerung von Vermögen erschwert, bleibt bestehen: Armut ist statistisch sehr gut erfassbar. Armutsgefährdete können sich der Erfassung ihrer finanziellen Situation durch Behörden kaum entziehen. Vermögende haben hingegen eine Vielzahl an Vehikeln zur Verschleierung der Verhältnisse, wie etwa Stiftungen oder komplexe internationale Firmengeflechte, zur Verfügung. Das kann gleichsam der legalen Steueroptimierung oder gar der Steuerhinterziehung dienlich sein. Selbst ohne Steuerumgehung steht unser Steuersystem nicht mehr mit dem Prinzip Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Einklang: Laut einer neuen Studie liegt die effektive Steuerbelastung eines Haushalts in der Mitte der Einkommensverteilung in Deutschland und Österreich bei rund 42 %, jene einer Multimillionärin bei knapp 30 % und jene eines Milliardärs bei 26 %.
Eine Vermögensbesteuerung, die zunehmend von der Bevölkerung und Ökonomen unterstützt wird, könnte diese steuerliche Schieflage etwas zurechtrücken. Sie hat zudem das Potenzial, dem aus der Vermögenskonzentration resultierenden Problem der Machtkonzentration entgegenzuwirken. Eine transparente Erfassung von Vermögen und im Zuge dessen Besteuerung desselben hat das Potenzial, den übermäßigen Einfluss der Vermögendsten auf politische Strukturen und Mechanismen etwas zu begrenzen.
Franziska Disslbacher ist Ökonomin und als Assistenzprofessorin am Department Sozioökonomie und am Forschungsinstitut für Verteilungsfragen an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig. Sie forscht zur Verteilung und Besteuerung von Erbschaften und Vermögen und zur intergenerationellen sozialen Mobilität.