Die Titanen ­des ­Tafelspitz

Die Gastronomenfamilie Plachutta hat es nicht nur geschafft, durch das Altwiener Gericht Tafelspitz welt­weite Anerkennung zu erlangen, sondern auch über Jahrzehnte hinweg stetig zu wachsen. Drei Generationen sind in sechs Restaurants – bald sieben – für den Erfolg verantwortlich.

Im Jahr 1998 verfasste der renommierte Journalist Raymond Walter Apple Jr., einst stellvertretender Chefredakteur der New York Times, für das US-amerikanische Forbes-Magazin eine Liste der 35 besten Restaurants in Europa. Da „Austria“ alphabetisch vorne liegt, beginnt die Liste mit den Worten „They say in Austria that the Emperor Franz Joseph ate tafelspitz for lunch every day. A visit to Plachutta will show you why“. In einer Zeit lange vor Foodbloggern, die das Internet mit ihrem Content überschwemmen, waren diese Worte für Geschäftsführer Mario Plachutta fast wie ein Ritterschlag.

„Der Erfolg von Plachutta ist, etwas Einfaches zur Kunst zu erheben. Wir beschäftigen uns seit Jahren dermaßen intensiv mit der Qualität, dass wir sogar Gewürze wiegen, um die Mengen zu standardisieren, damit der Geschmack immer gleich ist“, sagt Mario Plachutta. Die Akribie und der sport­liche Ehrgeiz, ein Gericht zu perfektionieren, kommen nicht von ungefähr – lange bevor sein ­Vater Ewald Plachutta das erste Restaurant mit seinem Nachnamen eröffnete, gewann er als Mitglied und Equipechef der österreichischen Kochnationalmannschaft bei der Kocholympiade 1968 in Frankfurt am Main die Goldmedaille sowie einen Sonderpreis. Im Jahr 1979 wagte der talentierte Koch gemeinsam mit dem Hotelfachmann Uwe V. Kohl den Schritt in die Selbstständigkeit: Mit Eigen­kapital in Höhe von 50.000 Schilling (3.633,64 €, ohne Berücksichtigung der Inflation) erwarben die beiden Geschäftsleute das Wiener Nobel­restaurant Zu den drei Husaren für 16 Mio. Schilling. Obwohl unter anderem der damalige Bundes­kanzler Bruno Kreisky ein und aus ging, konnte wirtschaftlich nicht der erwünschte Erfolg erreicht werden. Dennoch übernahm die Gastro-­Gruppe im Jahr 1987 das Grotta ­Azzurra und das Hietzinger Bräu.

Letzteres, das heutige „Plachutta Stammhaus“ im ­vornehmen 13. Wiener Bezirk, war mit Abstand am rentabelsten. Das stattliche Anwesen bot die perfekten ­Voraussetzungen für den Betrieb ­eines Restaurants im gutbürger­lichen Milieu. Die ­Wiederbelebung der Wiener Rindfleischküche, bei der zwölf verschiedene Teile des Rinds im Kupfertopf mit ­kräftiger Suppe, Wurzelgemüse, Lauch, ­Markknochen, klassischen Suppen­einlagen, Schnittlauchsauce, Apfel­kren, Rösterdäpfeln und Wiener Gemüse serviert werden, löste ­einen Hype in der Wiener Bevölkerung aus. Vier Jahre nach der Er­öffnung wurde Ewald Plachutta von Gault-Millau zum Koch des Jahres gekürt, im Folgejahr wurde er mit drei Hauben ausgezeichnet und erhielt von A la Carte Österreich die ­„Trophée Gourmet“; 1993 ging ein Michelin-Stern an den Küchenchef. Das war der richtige Zeitpunkt, um die Anteile an den Drei Husaren und am Grotta ­Azzurra abzugeben und stattdessen das „Plachutta Stammhaus“ als Alleininhaber zu über­nehmen.

Der damals 24-jährige Mario ­Plachutta erkannte enormes Potenzial in der Marke, das bei Weitem noch nicht ausgeschöpft war. „In dieser Zeit gab es in Wien zwar Sternegastronomie, aber die gutbürgerliche Küche war konzeptlos. Wir waren das erste Konzept, bei dem bewusst ein bestimmtes System geschaffen wurde, um sich auf eine Spezialisierung zu konzentrieren und diese Qualität konsequent beizubehalten“, erklärt er. Es war an der Zeit, das Konzept auch in andere bürgerliche Viertel Wiens zu bringen – 1993 eröffnete der Jungunternehmer das „Plachutta Wollzeile“ in der City und im Folgejahr das ­„Plachutta Nussdorf“ im 19. Wiener Bezirk. Insbesondere das Restaurant im Herzen Wiens wurde zu einem Anziehungspunkt für Touristen. Der erstklassige Ruf des Restaurants hat sich bis nach Hollywood verbreitet; Stars wie Woody Allen, Mel Gibson, Orlando Bloom und Priscilla Presley waren schon zu Gast. Aber auch Plachuttas Vater Ewald blieb weiterhin aktiv: Er veröffentlichte mehrere Kochbücher über die Wiener Küche, die sich mittlerweile 1,4 Millionen Mal verkauft haben. Selbst im Alter von 83 Jahren steht der Starkoch noch täglich in der Küche des ­„Plachutta Stammhaus“.

Seit November 2019 ist Julia Plachutta, die Tochter von Mario Plachutta, im Unternehmen für Marketing und PR zuständig.

Die Bekanntheit der Marke inspirierte Plachutta junior dazu, neue Ideen zu entwickeln und weiter zu expandieren. Im Jahr 2002 eröffnete die Biergaststätte Grünspan im 16. Bezirk, gefolgt von der modernen „Mario Pasta-Grill-Bar“ im Jahr 2006. Die Eröffnung von „Plachuttas Gasthaus zur Oper“ im Jahr 2011 war der bislang letzte Streich des umtriebigen Geschäftsmanns. Derzeit sind etwa 300 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt, der Jahresumsatz liegt seit Jahren stabil bei rund 30 Mio. €, abgesehen von der Zeit während der Coronapandemie.

In den letzten Jahren gab es aber auch wiederholt harsche Kritik am Umgang des Unternehmens mit seinem Personal. Insbesondere im Jahr 2014 geriet es wegen seiner Arbeitspraktiken und Entlassungsverfahren, die möglicherweise nicht den rechtlichen Vorgaben entsprachen, in die Schlagzeilen. Mario Plachutta weist die Anschuldigung, ein schlechter Arbeitgeber zu sein, entschieden zurück – über die Hälfte der Mitarbeiter sei bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Unter­nehmen tätig. Was der als „Häferl“ (Wienerisch für Choleriker) verschriene Chef lange Zeit nicht öffentlich machte: Er beschäftigt fünf Mitarbeiter mit Down-Syndrom. „Das ist kein Gutmenschen-Projekt, sie sind vollwertige Mitarbeiter. Wenn sie fehlen, läuft der Betrieb schlecht“, sagt er.

Die Idee, damit in die Öffentlichkeit zu gehen, stammt von seiner Tochter Julia Plachutta, die seit 2019 das Marketing und die Public Relations im Konzern leitet. „Wir möchten andere Unternehmen motivieren, unserem Beispiel zu folgen. Viele scheuen sich davor, Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzustellen, oder haben einfach keine Erfahrung damit“, sagt sie.

Auch der jüngere Sohn ist nach abgeschlossenem Hotelmanagement-Studium in Lausanne nun ins Familienunternehmen eingestiegen. „So wie mein Vater das Konzept seines Vaters erweitert hat, beschäftige ich mich damit, was als Nächstes für die Marke Plachutta kommen soll“, erklärt Christoph Plachutta, der seit Juli 2023 im Unternehmen arbeitet. Bei der Planung für das neue Restaurant am Neuen Markt, neben der Kärntner Straße, das noch in diesem Jahr eröffnet werden soll, unterstützt er seinen Vater aktiv. Mario Plachutta möchte über das Lokal, das den „Easy Way of Life“ repräsentieren soll, nicht zu viel verraten, nur so viel: „Plachutta wird natürlich immer die Wiener DNA verkörpern. Es wäre ein großer Fehler, davon abzuweichen. Aber möglicherweise wird das Konzept etwas lässiger und ungezwungener sein.“

Plachutta ist eine Restaurantkette in Wien, die für ihre traditionelle Wiener Küche und insbesondere für ein Gericht, den Tafelspitz, bekannt ist. Gegründet von Spitzenkoch Ewald Plachutta wird der weit über die Landesgrenzen bekannte Gastronomiebetrieb heute von dessen Sohn Mario Plachutta geleitet.

Fotos: Barbara Nidetzky, Philipp Kreidl

Paul Resetarits,
Redakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.