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Bereits mit vier Jahren addierte er die Ziffernsummen der Kennzeichen vorbeifahrender Autos, mit neun Jahren absolvierte er die Mathematik-Matura und übersprang im Zuge dessen drei Schulstufen auf einmal – es wäre eine Untertreibung, zu sagen, dass Maximilian Janisch die Mathematik leichtfällt. Heute setzt sich der 21-jährige Doktorand für eine bessere Förderung hochbegabter Schüler im Schweizer Schulsystem ein, denn seine außergewöhnliche schulische Laufbahn stellte eine erhebliche behördliche Herausforderung dar.
Der IQ-Test ist eine (durchaus auch kritisierte) Art, die Intelligenz oder Hochbegabung einer Person zu messen. Der von William Stern 1920 definierte Intelligenzquotient geht davon aus, dass der größte Teil der Bevölkerung einen IQ von 100 hat; dieser Wert gilt somit als der Durchschnittswert. Nur rund 2,3 % der Weltbevölkerung haben einen IQ von über 130 und gelten damit als hochbegabt – eine Gruppe, unter die auch der Schweizer Mathematiker und Under 30-Listmaker Maximilian Janisch fällt. „Obwohl mein letzter Intelligenztest mit dem Ergebnis von 149+ eindeutig zeigte, dass ich hochbegabt bin, glaube ich, dass IQ-Tests nur eine von vielen Methoden sind, um die Intelligenz einer Person zu bewerten. Die Ergebnisse können stark von der Tagesform und der Erfahrung mit solchen Tests abhängen. Meiner Meinung nach sind spezielle Fähigkeiten und ein besonderes Interesse in einem bestimmten Bereich weitaus wichtiger als das Ergebnis eines solchen Tests“, erklärt Janisch.
Den ersten Intelligenztest machte Janisch während seiner Primarschulzeit, um die ersten drei Jahre dieser Schulform zu überspringen. „Ich habe mit meinem Vater, der ebenfalls Mathematiker ist, den Stoff der sechs Primarschuljahre in Mathematik innerhalb eines Jahrs gemacht“, erinnert sich Janisch zurück. So übersprang der damals Sechsjährige die ersten drei Jahre der Primarschule und kam mit neun Jahren aufs Gymnasium. Obwohl Janisch damals deutlich jünger als seine zwölfjährigen Klassenkameraden war, übertraf er sie auch im Gymnasium in Mathematik bei Weitem – daher beschloss er gemeinsam mit der Schulleitung und seinen Eltern, bereits im Alter von neun Jahren den Maturastoff in Mathematik zu absolvieren. „Wir hatten quasi ein spezielles Abkommen, bei dem ich den Mathe-Unterricht gemeinsam mit der Maturaklasse gemacht und die anderen Fächer mit nur drei Jahren Vorsprung absolviert habe“, erzählt Janisch. So kam es, dass Janisch im Alter von neun Jahren die Mathematik-Matura mit Bestnoten absolvierte. Dass er während seiner gesamten Schullaufbahn stets gemeinsam mit deutlich älteren Kindern und Jugendlichen den Unterricht besuchte, störte ihn dabei nicht. Er erzählt: „Alle waren immer wirklich nett zu mir, obwohl meine Kommilitonen an der Universität fast doppelt so alt waren wie ich. Je älter ich wurde, desto weniger haben meine Umgebung und ich den Altersunterschied bemerkt.“
Nach seiner Matura in Mathematik wollte der neunjährige Janisch an der ETH Zürich ebendieses Fach studieren, doch seine Bemühungen blieben erfolglos. Dies löste eine große Diskussion in den Schweizer und internationalen Medien darüber aus, wie Universitäten junge Talente wie Janisch fördern sollten. Janisch zierte die Titelseite des Magazins Le Figaro und war Hauptdarsteller in einer Dokumentation des Regisseurs Nicolas Greinacher mit dem Titel „Maximilian“. „An der ETH Zürich wurde ich als regulärer Mathematikstudent nicht aufgenommen, da ich damals nur die Matura in Mathematik hatte und nicht in den anderen Fächern“, sagt Janisch und fügt hinzu: „Daher wurde ich bei einem Förderprogramm für junge Talente an der Universität Zürich aufgenommen, wo ich Privatunterricht vom Mathematiker Camillo De Lellis bekam.“ So legte Janisch in jungen Jahren bereits Prüfungen in Analysis und Linearer Algebra an der Universität Zürich ab. Tatsächlich wurden ihm die Prüfungen jedoch nicht angerechnet – daher musste Janisch alle Prüfungen, die er mit zehn Jahren an der Universität abgelegt hatte, wiederholen, als er 2018 im Alter von 15 Jahren die Matura in den verbleibenden Fächern ablegte. „Während meines Förderprogramms durfte ich Klausuren einiger Fächer, darunter Analysis I, II und III sowie Lineare Algebra I und II, absolvieren. Diese Resultate waren aber nicht formal gültig, weswegen ich alle Prüfungen dieser Fächer an einem Tag meines ersten Semesters wiederholen durfte. Zusammen mit den anderen Vorlesungen, die ich regulär besucht hatte, war dieses Semester also zumindest formal mein produktivstes Semester, mit 85 ECTS-Punkten“, so Janisch lachend.
Auch wenn Maximilian Janisch heute im Alter von 21 Jahren Doktorand in Mathematik an der Universität Zürich ist und sowohl seinen Bachelor als auch seinen Master in kürzester Zeit absolviert hat, würde sich der junge Schweizer dennoch über ein besseres Förderprogramm für Hochbegabte im Schweizer Schulsystem freuen. Denn viele der Hochbegabten, also Menschen mit einem IQ über 130, bleiben im regulären Schulsystem ungefördert.
So fallen rund 15 % aller Hochbegabten durch eine erwartungswidrige Minderleistung auf und werden häufig mit einer Lernschwäche fehldiagnostiziert. „Das Schulsystem ist für etwa 90 % aller Kinder gut geeignet. Es gibt jedoch zwei Randgruppen: Zum einen Kinder und Jugendliche, denen die Schule schwerfällt und für die Nachhilfe oder das Wiederholen von Klassen hilfreich sein kann; zum anderen gibt es Kinder, die möglicherweise unterfordert sind und in bestimmten Fächern schneller lernen als ihre Mitschüler. Auch für diese Kinder sollten Fördermöglichkeiten und Methoden zur Verfügung stehen“, erklärt Janisch.
Eine dieser Methoden ist für den Hochbegabten das Überspringen von Schulstufen. Obwohl diese Methode heute theoretisch möglich ist, wird sie von vielen Eltern und Lehrern nicht gerne gesehen. Dabei hat der Pädagoge John Hattie in seiner Buchserie „Visible Learning“, in der er verschiedene Methoden in Bildungssystemen analysiert, der Akzeleration (also dem Überspringen von Schulstufen) eine Effektstärke von 0,68 zugeordnet. Das bedeutet, dass die Akzeleration einen sehr hohen Effekt auf die Ausbildung von Schülern hat. Zum Vergleich: Hausaufgaben haben laut Hattie eine Effektstärke von 0,29. „Wenn diejenigen rund 5 % der Kinder, die für das Überspringen von Klassen geeignet sind, dies auch tun, ist das nicht nur gut für den Staat, weil Geld gespart wird, sondern auch gut für die akademische Laufbahn der Kinder. Im Durchschnitt hat das Überspringen von Klassen auch keinen Nachteil auf die soziale Entwicklung dieser Kinder“, so Janisch weiter.
Heute ist Janisch neben seinem Doktoratsstudium auch auf diversen Social-Media-Plattformen aktiv. So hat der Schweizer auf Tiktok, wo er hauptsächlich mathematische Phänomene erklärt, rund 150.000 Follower. Sein bekanntestes Video (mit 14,3 Millionen Views) hat jedoch nichts mit Mathematik zu tun – es ist ein Ausschnitt aus der Dokumentation „Maximilian“, wo er elfjährig erzählt, dass er mit seinen Freunden in Frankreich gerne „Cache Cache Trappe Trappe und Trampolin“ spielt; ein Meme, das ihn über Nacht, auch abseits von Mathematik-Begeisterten, zur Berühmtheit gemacht hat. „Da dachte ich mir, dass ich das nutzen könnte, um mir auf Tiktok eine eigene Community aufzubauen“, sagt er.
Trotz seiner bemerkenswerten Anzahl an Followern sieht Janisch sich selbst noch nicht als Content Creator. Für den Unter 30-Listmaker ist die Plattform eher ein Hobby. Auch wenn er für die Zukunft nicht ausschließen möchte, weiterhin auf der Plattform aktiv zu bleiben und eine noch größere Community aufzubauen, liegt sein Hauptfokus weiterhin auf Mathematik und der Förderung von Hochbegabten im Schweizer Schulsystem: „Ich halte das Schweizer Schulsystem grundsätzlich für gut, aber es gibt immer noch viele hochbegabte Kinder, die darin übersehen und nicht gefördert werden. Sie könnten die Forscher von morgen sein und Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit entwickeln“, so Janisch.
Fotos: Joel Hunn