Die Revolution des Gehens

Aus dem beschaulichen Zürich will ein Schweizer Start-up den globalen Sneaker-Markt aufmischen. Dabei handelt es sich aber nicht um On, obwohl die Geschichte eng mit dessen Erfolgsstory verbunden ist – vielmehr will GNL eine neue Kategorie etablieren: Walking-Schuhe. Um das zu schaffen, wollen Gründer Eric Braunschweiler und CEO Lorenzo Sorbi Schweizer Ingenieurskunst mit italienischem Design verbinden. Schafft Zürich die nächste Sneaker-Erfolgsstory?

Es ist ruhig an diesem Montagmorgen im Techno­park Zürich. Das Zentrum ist als Hub
für Start-ups und Technologie bekannt, neben
der ETH sind hier zahlreiche ­Jungunternehmen angesiedelt. Darunter findet sich auch jenes
von Eric Braunschweiler und Lorenzo Sorbi, die
mit GNL – ganz im Stile eines Tech-Start-ups –
ambitionierte Pläne verfolgen: «Wir bauen eine neue Kategorie auf – den Walking-Schuh. Bisher gibt es keinen Markt für dedizierte ‹Geh-Schuhe›. Entweder kauft man Laufschuhe oder Freizeitschuhe; aber nichts, das speziell für das Gehen optimiert wurde.»

Mit ihrer Technologie, die über Dämpfungsnoppen in der Sohle für einen besseren ­Aufprall sorgt, wollen die beiden den Weltmarkt erobern. Eine neue Schuhmarke, die aus Zürich den inter­nationalen Markt aufmischen will – das klingt ­bekannt. Und tatsächlich verbindet On und GNL mehr als nur die gemeinsame Vision; denn Jürg Braunschweiler, Erics Vater, war als Erfinder der On-Sohle «Cloud» massgeblich am Welt­erfolg des Zürcher Unternehmens beteiligt. Doch er verkaufte das «Cloud-Patent» und begann, die nächste Idee zu skizzieren: GNL.

Das Ergebnis: ein Dämpfungssystem, das sich an die Bewegung anpasst, die Aufprallkräfte absorbiert und für einen sanften Übergang beim Gehen sorgt. Die erste Version des Schuhs war so rudimentär, dass – ebenfalls wie bei On – die Sohlen aus zurechtgeschnittenen Gartenschläuchen bestanden, die mit Kleber an einen normalen Laufschuh befestigt wurden. Die Technologie wurde weiterentwickelt, patentiert – und legte schliesslich den Grundstein für die Gründung von GNL.

Jürg Braunschweilers Sohn Eric will nun dafür sorgen, dass auch die nächste Erfindung des Vaters zu einem Erfolg wird. Dazu muss er aber Schweizer Ingenieurskunst mit ansprechendem Design verbinden – und hier kommt Loren­zo Sorbi ins Spiel. Der Italiener ist seit September 2023 als CEO bei GNL an Bord und will genau das sicherstellen.

GNL hat einen renommierten Designer engagiert, um die Frühjahr/Sommer-Kollektion 2025 zu entwickeln – eine Kollektion, die nicht nur durch ihre Technologie überzeugt, sondern auch durch ihre Ästhetik. «Style sollte kein Kompromiss sein», betont Sorbi. Das Sortiment umfasst verschiedene Modelle, die sich gezielt an unterschiedliche Bedürfnisse richten: «Easy Walk» für den Alltag, «Fast Walk» für längere Strecken, «Track Walk» für Outdoor-Abenteuer und «Office Walk» für den eleganten Business­look.

Um die eigenen Ambitionen zu erfüllen, müssen Braunschweiler und Sorbi ordentlich Gas geben: 2024 verkaufte das Unternehmen 27.000 Schuhpaare, der Umsatz lag bei rund 2,5 Mio. CHF; doch diese Zahl soll rasant wachsen. 2025 soll der Umsatz verdoppelt werden, bis 2030 will das Team 100 Mio. CHF erzielen. «Wir haben einen sehr herausfordernden Businessplan, der das Unternehmen jedes Jahr verdoppeln oder verdreifachen soll», sagt Sorbi.

Der Weg dorthin führt über ­internationale Expansion, die mit dem Markteintritt in ­Japan sowie Skandinavien, Deutschland, Österreich und weiteren Ländern Europas begonnen hat. Mittlerweile stehen sogar die Malediven auf der Liste, wo GNL-Schuhe in Luxushotels angeboten werden. Doch das Unternehmen ist erst am Anfang. «Die USA sind ein logischer nächster Schritt, aber wir müssen bereit dafür sein», sagt Braunschweiler. In den kommenden zwei Jahren wird das Unternehmen weiter skalieren, um den Markteintritt in den Vereinigten Staaten vorzubereiten.

Einen Fuss hat GNL in den USA aber ­bereits in der Tür: Mit dem Schweizer Starregisseur Marc Forster, der unter anderem bei «Money Ball», «James Bond: Ein Quantum Trost» und «Christopher Robin» Regie führte, ist ein prominenter Name nicht nur als Markenbotschafter, sondern auch als Investor an Bord. «Er war auf der Suche nach einem Schuh, der seine Meniskusprobleme lindert, und war begeistert von unserer Technologie», erzählt Braunschweiler. «Er öffnet uns Türen in Hollywood, was für unsere Markenpositionierung enorm wertvoll ist.»

Wir haben ein Produkt, das global funktioniert – jetzt müssen wir es nur noch in die Welt bringen.

Lorenzo Sorbi

Forster trägt nicht nur die Schuhe, sondern sorgt auch für deren Sichtbarkeit – unter anderem durch Platzierungen in Filmen. So tauchten GNL-Schuhe bereits in seinem Film «Ein Mann namens Otto» mit Tom Hanks auf. «Jetzt, da ­unser Branding stärker ist, wird man sie in kommenden Produktionen deutlicher erkennen können», so Sorbi. Zu den anderen Investoren gehören die Schweizer Private-Equity-Investoren Porta ­Advisors.

Herausforderungen eines wachsenden ­Unter­nehmens. Aktuell besteht das GNL-Team aus nur fünf festen Mitarbeitern, unterstützt von externen Partnern. Die Produktion findet in zwei Werken statt: eines befindet sich in Bulgarien, das andere in China. «Wenn wir skalieren, brauchen wir Partner, die sofort die Produktion verdoppeln können», erklärt Sorbi. «In Europa wäre das in dieser Grössenordnung aktuell nicht möglich.»

Zu den grössten Herausforderungen zählt ­jedoch nicht nur die Produktion, sondern auch der Aufbau eines internationalen Teams. «Unser Wachstum hängt direkt von den richtigen Leuten ab», sagt Sorbi. Bis 2030 soll das Team auf über 100 Mitarbeiter wachsen.

Neben Schuhen entwickelt GNL auch ergänzende Produkte, um eine komplette «Walking Experience» zu schaffen. 2025 soll das «Walking-Kit» erweitert werden, das bereits einen Rucksack mit Solarpanel zur Handyaufladung und reflektierenden LEDs für mehr Sicherheit bei Nacht umfasst. Auch spezielle Walking-Socken sind bereits auf dem Markt. Sorbi: «Wir bleiben beim Thema Gehen, aber wir bauen ein ganzes Öko­system darum herum.»

GNL hat eine klare Vision: das Gehen als ­eigene Kategorie im Schuhmarkt zu etablieren. Im stark umkämpften Sneaker-Markt setzt das Unternehmen auf eine Mischung aus ­Schweizer Technologie, italienischem Design und inter­nationaler Expansion. Während Konkurrenten wie On Running den Performance-Bereich dominieren, besetzt GNL eine Marktlücke – und könnte damit die nächste grosse Schweizer Schuhmarke werden.

Ob die ehrgeizigen Pläne aufgehen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Doch mit einer innovativen Technologie, einer wachsenden internationalen Präsenz und prominenten Unter­stützern hat GNL beste Chancen, sich im weltweiten Sneaker-Business einen Namen zu machen. «Wir haben ein Produkt, das global funktioniert», sagt Sorbi. «Jetzt müssen wir es nur noch in die Welt bringen.»

Das Patent für GNL wurde 2006 von Jürg Braunschweiler angemeldet. Sein Sohn Eric gründete das Unternehmen mit und ist heute als Chief Product & Innovation Officer aktiv. Lorenzo Sorbi ist seit 2023 CEO von GNL.

Fotos: GNL

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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