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Die Saint Charles Apotheke in Wien hat es bereits in so manchen Reiseführer geschafft, immer wieder betreten Touristen aus aller Welt das Geschäft. Mit ihren ästhetischen Produkten und sanften Düften haben Alexander Ehrmann und Richard König aber ein viel größeres Geschäft gebaut, das von der Apotheke über Spa-Treatments bis in Hotel-Bars reicht.
Nur wenige Kunden der Saint Charles Apotheke in Wien besuchen sie, weil sie Medikamente brauchen. Beim Eintreten werden sie von einem sanften Duft begrüßt; eines der ersten Produkte, die ins Auge springen, ist ein „Apotheker-Bier“. Überhaupt ist die vordere Hälfte der Apotheke für die Eigenmarke Saint Charles reserviert, erst im hinteren Bereich stehen die Pillen und Cremes, die man aus anderen Apotheken kennt. Hier soll eben auch das Kauferlebnis zählen, und das muss zu den ästhetischen Verpackungen passen.
Die Saint Charles Apotheke wurde 2006 von Alexander Ehrmann gegründet, er ist Apotheker in sechster Generation. „Oft ist es vorgesehen, dass der Sohn die Apotheke vom Vater übernimmt“, so Ehrmann, der in seinen Antworten gerne weit ausholt und sich nur schwer bremsen lässt. „Ich habe eineinhalb Jahre über meinem Vater gearbeitet und dann gesagt: ‚Okay, you do your thing, I’ll do mine.‘“
Ehrmann gründete seine eigene Apotheke und die gleichnamige Marke, die heute Produkte von ätherischen Ölen über Liköre bis hin zu Naturkosmetik anbietet. Das Geschäft geht aber längst über Arzneien hinaus: Nur 20 von rund 420 Saint-Charles-Produkten klassifiziert Ehrmann als „klassische“ Apothekenprodukte (also Seifen, Hustensäfte etc.). Wie viel Umsatz das Unternehmen einspielt, will Ehrmann nicht sagen, das durchschnittliche Wachstum sei in den letzten Jahren aber bei 30 % gelegen.
Sein Unternehmen hat Ehrmann, der gelernter Pharmazeut ist, nicht ganz alleine in die Expansion geführt – 2015 holte er Richard König an Bord, der zuvor mehrere „IT-nahe Unternehmen im Consulting-Bereich“ aufgebaut hatte, wie er erzählt. Aus diesen Unternehmen sei er jedoch wieder ausgestiegen: „Ich habe etwas gesucht, das Erzeugnisse zum Angreifen generiert und auch das Thema Nachhaltigkeit mitdenkt“, so König.
Saint Charles bietet ihm beides, und gemeinsam wollen Ehrmann und König die Marke im DACH-Raum etablieren – und gleichzeitig Paracelsus’ Motto „Jedem Übel ist ein Kraut gewachsen“ verbreiten.
Bevor Ehrmann die Saint Charles Apotheke gründete, arbeitete er in der Apotheke zur Heiligen Dreifaltigkeit, die bereits 1886 gegründet wurde. Wenige Jahre später kaufte er das Geschäft (finanziert durch Bankkredite und den Verkauf einer anderen Apotheke) und benannte es in Saint Charles Apotheke um. Namensgeber war der Großvater von Ehrmanns Frau, zu dem der Apotheker eine außergewöhnlich gute Beziehung hat; aber auch wirtschaftliches Kalkül dürfte dahinter gewesen sein. „Heute ist aus der Apotheke eine Marke entstanden, die auch ohne die Apotheke gut funktionieren würde“, sagt Ehrmann. „Würden wir immer noch Apotheke zur Heiligen Dreifaltigkeit heißen, würden wir wahrscheinlich nicht hier sitzen.“
Ehrmann legte von Anfang an viel Wert auf die Ästhetik, die der Apotheke auch heute noch einen Platz in manchen Wien-Reiseführern beschert. Er führte auch früh Naturkosmetik ins Sortiment ein; ein wirtschaftlich schlauer Fokus, denn der Markt ist in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen. 2022 betrug der Umsatz im deutschen Naturkosmetik-Markt etwas mehr als 1,4 Mrd. € oder rund 10 % des Markts für Körperpflegeprodukte. Im Jahr 2009 eröffnete Ehrmann eine zweite Saint Charles Apotheke in Berlin.
Co-CEO König stieg ins Unternehmen ein, um die Expansion weiter voranzutreiben. „2016 haben wir angefangen, die Produkte an Ärzte und andere Apotheken zu verkaufen“, so König. Auch das Hotelgeschäft ist in dieser Zeit entstanden: „Vor etlichen Jahren“, erzählt Ehrmann, „haben zwei Herren zu mir gesagt, sie würden gerne mit mir ein Hotel machen.“ Anfangs war er abgeneigt – zu sehr assoziierte er Hotels mit kleinen Plastikflaschen und billigen Produkten. Doch die Hoteliers überzeugten ihn. „Wir haben uns geeinigt: groß, Bio-Inhalt, refill“, so Ehrmann. Heute verwenden mehr als 120 Hotels die Produkte von Saint Charles, wo Gäste sie in den Hotelzimmern und im Spa-Bereich finden. Sie riechen dort dieselben Düfte, die auch Kunden der Saint Charles Apotheke in die Nase steigen.
2021 stellten Ehrmann und König ein Franchisesystem auf die Beine, auf dessen Basis Saint-Charles-Geschäfte in Salzburg, Antwerpen, Dornbirn, Linz und München betrieben werden. Mit Saint Charles Alimentary und Saint Charles Cosmothecary eröffnete das Duo auch ein kleines Restaurant und ein Gesundheitszentrum für Physiotherapie und Spa-Behandlungen.
Dass Nachhaltigkeit bei Saint Charles wichtig ist, betonen die Geschäftsführer im Interview mehrmals. Wenn möglich, kaufen sie regionale Inhaltsstoffe: „Wir wollen Produkte im Regal stehen haben, von denen wir wissen, wo sie herkommen“, so König. „Deswegen kommt unser Hanf aus dem Burgenland, der Lavendel aus dem Rheinviertel und viele Öle aus dem Allgäu.“ Beispiele von Kooperationen mit lokalen Anbietern gibt es viele – das Apotheker-Bier etwa wird vis-à-vis von der Apotheke in einer kleinen Brauerei gebraut. Ehrmann: „Jedes unserer Produkte erzählt eine Geschichte.“ Die Erzeugnisse fallen zunehmend in das „Lifestyle-Segment“ des Geschäfts, sagt König – Pillen, Hustensäfte und andere Produkte, die man gewöhnlich in Apotheken findet, machen mittlerweile weniger als die Hälfte des Umsatzes der Saint Charles Apotheke aus; rezeptpflichtige Arzneien nur an die 30 %.
Künftig wollen Ehrmann und König ihre Marke vor allem im Spa-Bereich weiter etablieren. „Wir haben die Basis für die Geschäfte und für die Hotels bereits aufgebaut“, so König, „jetzt möchten wir ganz stark die Basis für Spa und Treatment aufbauen.“ Das soll aber nicht heißen, dass es keine neuen Saint-Charles-Läden geben wird. König: „Wir haben sechs Stores, da sind wir noch lange nicht fertig.“
Er betont aber auch, dass Saint Charles einen selektiven Vertrieb anstrebt. Große Händler wie Douglas oder Rewe „klopfen immer wieder mal an“, sagt er, werden aber zurückgewiesen. „Für uns ist ganz klar: Das machen wir nicht.“ Stattdessen soll die Expansion über den Onlineshop (über den in Deutschland die Hälfte des Umsatzes eingespielt wird) und kleine, spezialisierte Einzelhändler betrieben werden: Apotheken, Naturläden, Concept-Stores. Die Preise von deren Produkten müssen zu denen von Saint Charles passen. Diese liegen laut König (und den Preisschildern) im Premium-Segment: eine Deo-Creme kostet knapp 20 €, ein Lippen- und Wangenbalsam 32,80 €, eine Duftkerze fast 40 €.
Zum Abschluss unseres Gesprächs betont Ehrmann, dass er die Apotheke nicht rein aus wirtschaftlichen Gründen betreibt: „Mein Ziel ist es, meine Leidenschaft so ausleben zu können, dass es auch wirtschaftlich ist.“ Schaut man sich in der Apotheke um, scheint das ganz gut zu funktionieren.
Fotos: beigestellt