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Als ehemaliger Berater von Präsident Obama befasste sich John E. Morton mit dem Kampf gegen den Klimawandel. Seine Lösung: private Gelder mobilisieren.
Die Rechnung scheint so simpel: Man nehme von den 150 Milliarden US-$, die von Industriestaaten pro Jahr für Entwicklungshilfe ausgegeben werden, zehn Prozent. Diese 15 Milliarden US-$ heble man mit privaten Geldern um den Faktor 20. Somit erhält man 300 Milliarden US-$, die in Märkte und Branchen investiert werden können, deren Aktivitäten unserem globalen Klima besonders schaden.
Es ist kein Zufall, dass diese 300 Milliarden US-$ auch genau jene Finanzierungslücke sind, die offen ist, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
So einfach ist es dann aber leider doch nicht. Das weiß übrigens auch jener Mann, der diese Formel gerade durchgerechnet hat und uns an diesem Morgen in einem Berliner Hotel gegenübersitzt – John E. Morton: „Es geht gar nicht um die Zahlen per se. Viel eher müssen Regierungen anfangen, neu zu denken. Sie müssen von dem klassischen ‚Wie geben wir Geld aus?‘ zu einem ‚Wie investieren wir unser Geld?‘ kommen. Doch das ist schwierig für sie, denn sie sind keine Investoren.“
Morton wünscht sich „kreative Lösungen“, um den Klimawandel zu stoppen: „Mein Interesse gilt einem Wandel hin zu einer Wirtschaft mit niedrigen Emissionen. Das ist der wichtigste Umbruch der Menschheitsgeschichte. Effiziente Ressourcennutzung und nachhaltiges Wirtschaften werden zunehmend wichtiger – auch, weil sie ökonomisch rational sind.“
Der US-Amerikaner und (temporäre) Wahldeutsche beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie wir den Temperaturanstieg infolge zunehmender CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre stoppen können. Derzeit tut Morton das an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Finanziert wird seine Forschung zum Thema „Mobilisierung privaten Kapitals für den globalen Klimaschutz“ von der in Essen ansässigen Mercator Stiftung und der European Climate Foundation.
Mortons Expertise baute er jedoch in seiner Heimat auf. Nach Stationen in der Beratung und in Private Equity wechselte der Harvard- und Johns-Hopkins-Abgänger die Seiten. Als COO und Chief of Staff war er für die Strategie der Overseas Private Investment Corporation (OPIC), der „Entwicklungsbank“ der USA, zuständig. Es folgte ein Wechsel in die Administration des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, wo Morton als Senior Director for Energy and Climate Change im Weißen Haus tätig war.
Mittlerweile hat sich aber viel getan und die USA haben einen Präsidenten, der zum Klimawandel eine ganz andere Agenda hat – und diese auch deutlich macht. Im Rahmen seiner „America First“-Politik kündigte Donald Trump mehrmals einen Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen an. Er ließ seinen Worten Taten folgen, die USA traten am 1. Juni 2017 aus der 195 Staaten umfassenden Vereinbarung aus. Trump argumentierte, das Abkommen untergrabe die US-Wirtschaft und würde den Vereinigten Staaten einen anhaltenden Nachteil bringen.
John Morton war über diesen Schritt – wie auch Donald Trumps Wahl – wenig überraschend „not amused“. „Das ist für Amerikas Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel ein katastrophales Zeichen. Die USA kehren der größten Herausforderung unserer Zeit den Rücken.“ Doch nicht nur das, Morton denkt auch, dass sich die USA eine riesengroße Chance entgehen lassen: „Der Wandel hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft ist der größte Treiber für neue Jobs und Wohlstand in unserer Generation.“ Doch es gibt auch gute Nachrichten: „Die Reaktion auf Trumps Schritt war überwältigend positiv. US-Bundesstaaten, Städte und Unternehmen sagten geschlossen: Wir bleiben dabei. Es gibt eine Koalition. Das Momentum in den USA im Kampf gegen den Klimawandel ist heute stärker denn je. Die Bewegung wird nun aber nicht mehr von der Regierung, sondern Bundesstaaten und Unternehmen angeführt, so etwa von Jerry Brown (Gouverneur Kaliforniens, Anm.) oder Michael Bloomberg (ehemaliger Bürgermeister New Yorks, Anm.).“
Nun ist die Frage jedoch: Welche Spielregeln und Anreize sind nötig, um den Klimawandel abzuwenden? Denn eines wurde im Aufschrei rund um den Rückzug der USA leider vergessen: Das Pariser Klimaabkommen ist zwar ein sinnvoller erster Schritt – doch die darin formulierten Maßnahmen sind schlicht nicht ausreichend, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Denn die Emissionen können nicht schnell genug reduziert werden, um die vom Menschen verursachte globale Erwärmung auf „deutlich unter zwei Grad Celsius“ (das Paris-Ziel) zu begrenzen. Selbst wenn alle Menschen in E-Fahrzeugen unterwegs sind und die Energieversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommt – wovon wir noch weit entfernt sind – würden Flugzeuge oder die Landwirtschaft weiterhin für CO2-Ausstoß sorgen.
Doch wie lassen sich die Emissionen dann regeln – also die Erreichung einer „schwarzen Null“ bis 2090 und anschließend sogar negative Emissionen? Indem wir – im wahrsten Sinne des Wortes – CO2 aus der Atmosphäre saugen. Von einem solchen Absaugen gehen übrigens auch die meisten Klimamodelle aus (etwa 101 der 116 Modelle des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC).
Sogenannte Negative Emissions Technologies (NETS) wären etwa eine Aufforstung – diese müsste jedoch auf einer Fläche passieren, die punkto Größe irgendwo zwischen Indien und Kanada liegt. Andere Möglichkeiten sind Änderungen in der Bewirtschaftung unseres Bodens oder Technologien wie jene des Schweizer Unternehmens Climeworks, das Kohlendioxid mit Maschinen aus der Atmosphäre holt, die großen Schneemaschinen ähneln.
Morton ist sich der Mängel des Klimaabkommens bewusst, relativiert die Vorwürfe aber gleichzeitig: „Das Pariser Klimaabkommen ist die einzige Vereinbarung, die 195 Länder zusammenbringen konnte. Es ist richtig, dass die Zusagen der Staaten, die getroffen wurden, nicht ausreichend sind, um den Temperaturanstieg ausreichend einzudämmen. Die Vereinbarung ist so festgelegt, dass die Ziele der nächstfolgenden Fünfjahreszyklen ambitionierter sind als im Zeitraum davor.“
All das ist insofern aber noch Zukunftsmusik, als es vorerst Ansätze braucht, die die Emissionen eindämmen. John Morton sieht – wie auch andere – drei große Hebel: eine CO2-Steuer, eine Reform der Energieförderungen sowie erhöhte Transparenz. Aber der Reihe nach.
Zuallererst: Der Klimawandel ist laut John Morton ein „riesiges Marktversagen“. Damit hat er insofern recht, als es sich eigentlich um ein klassisches Beispiel von Externalitäten handelt. Die Kosten der Umweltverschmutzung, die durch CO2-Emissionen entstehen, werden nicht ausreichend eingepreist. Sprich: Umweltverschmutzer verursachen negative Auswirkungen,
für die niemand bezahlt.
Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, bräuchte es erst mal einen Preis für CO2 – sprich eine CO2-Steuer. Morton ist diesbezüglich sowohl pessimistisch als auch optimistisch: „Wir benötigen einen globalen Preis für CO2. Werden wir den in den nächsten zehn Jahren bekommen? Nein. Was wir aber bereits heute sehen, sind regionale und nationale Preise für CO2, die auch einen CO2-Handel ermöglichen. In den USA haben wir ein funktionierendes Handelssystem zwischen den Bundesstaaten, das nun auch auf Kanada ausgeweitet wird. China hat ein ähnliches System. Die Staaten merken, dass sie eigene Lösungen benötigen. Das ist nicht der effizienteste Weg, aber ein wichtiger erster Schritt.“
Die zweite Maßnahme ist eine Reform der Förderungen für Energien – und das gleich in zweierlei Hinsicht. Einerseits fließen die Gelder in die falschen Kanäle. Und wenn sie in die richtigen fließen, werden sie nicht effizient genutzt. Zu den falschen Kanälen: Laut einem Bericht des Internationalen Währungsfonds fließen auch heute noch rund 5,3 Billionen US-$ weltweit in die Förderung von fossilen Brennstoffen (August 2015, aktuellere Zahlen nicht verfügbar). Morton: „Während meiner Zeit in der Obama-Administration arbeiteten wir hart daran, dass die G20- und G7-Staaten für eine Reform solcher Förderungen eintreten. Damals gab es viel Widerstand – aus den USA, aber auch aus anderen Staaten.“
Doch auch die Förderungen, die nicht in fossile, sondern in erneuerbare Energien fließen, helfen zu wenig. Deutschlands Energiewende zeigt das offensichtlich: Deutsche Bürger stecken über die EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) jährlich rund 25 Milliarden € an Förderung als Teil der Stromrechnung in erneuerbare Energien. Insgesamt schätzt die britische Tageszeitung The Economist die Gesamtförderungen für emissionsarme Energiequellen in Deutschland auf fast eine Billion Euro. Trotzdem entfällt mehr als die Hälfte der Stromproduktion im Land weiterhin auf fossile Brennstoffe (allein rund 40 Prozent auf Braun- und Steinkohle). Erneuerbare Energien machen erst rund 30 Prozent der Stromproduktion aus, den Zielen der Energiewende folgend sollte der Anteil bis 2025 auf 45 Prozent und bis 2035 auf 60 Prozent ansteigen. Gleichzeitig blieben die CO2-Emissionen des Landes seit 2009 relativ konstant.
Morton sieht Deutschlands Leistung aber anderswo: „Deutschland ist eine große Wette eingegangen und hat viel Geld ausgegeben, um erneuerbare Energien zu fördern. Der Rest der Welt muss Deutschland danken, denn aufgrund dieser Förderungen wurden die Kosten von erneuerbarer Energie deutlich reduziert. Sonnen- und Windenergie etablieren sich zunehmend als günstigste Energiequellen. Der Rest der Welt profitiert von diesen niedrigen Preispunkten.“ Auch damit hat der ehemalige Obama-Berater recht (siehe Grafik). Zu guter Letzt fordert er Transparenz. Morton fordert, dass Unternehmen in ihrer Berichtlegung verpflichtet werden, dazustellen, wie hoch ihre CO2-bezogenen Risiken sind. „Das wäre wichtig, um Investoren zu zeigen, wie viel Risiko ihr Portfolio hinsichtlich CO2-Emissionen und Klimawandel aufweist. Heute ist es nicht möglich, das herauszufinden.“
Das müssten die Kunden aber auch nachfragen, so Morton. Überhaupt sieht er (private) Investoren in der Pflicht, den Kampf gegen den Klimawandel mitzugestalten; etwa durch Shareholder-Aktivismus, wobei Aktionäre ihr Wahlrecht ausnutzen, um Unternehmen zu einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Strategie zu „zwingen“. Auch die Divestment-Bewegung sieht Morton positiv (Divestment bezeichnet das Gegenteil von Investment, also den Abzug von finanziellen Ressourcen aus bestimmten Bereichen oder Aktien; in diesem Fall Unternehmen, die in der Förderung, Verarbeitung oder dem Handel von fossilen Brennstoffen tätig sind, Anm.). Doch auch hier ergeben sich wiederum Probleme: „Wir müssen darauf achten, was passiert, nachdem Unternehmen aus fossilen Brennstoffen divestieren. Es ist eine Sache, sich aus Öl- und Kohleinvestitionen zurückzuziehen. Es ist eine ganz andere Sache, sich zu einer nachhaltigen, CO2-positiven Strategie zu verpflichten.“ An Geld mangle es jedenfalls nicht, meint Morton. Es müsse nur endlich richtig eingesetzt werden. Womit wir wieder bei der Anfangsrechnung wären. Und Morton stellt eine weitere an, die Ähnliches darstellt. Denn, so sagt der Experte: „300 Milliarden US-$ klingt nach viel Geld. Doch heute sind 85 Billionen US-$ an Assets under Management in unserem Finanzsystem unterwegs. Somit sprechen wir von rund 0,03 Prozent dieses Gesamtbetrags. Wenn wir es schaffen, diesen winzigen Bruchteil in den Kampf gegen den Klimawandel zu investieren, ist schon viel geschafft.“ Es scheint also durchaus möglich, das Finanzloch im Kampf gegen den Klimawandel zu stopfen. Und auch jene Lücke, die Donald Trump und die USA hinterlassen haben, als sie das Pariser Klimaabkommen verließen, scheint sich langsam zu schließen – und bietet vielleicht sogar noch zusätzlichen Platz für neue Kräfte.
Dieser Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2017 „Kapitalismus“ erschienen.