Die Immobilien-Retterin

Als Geschäftsführerin der Greyfield Group hat Sarah Dungs es sich zur Aufgabe gemacht, das Bauen im Bestand zu revolutionieren und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Trotz anfänglicher Doppelbelastung mit Studium und Job und anfangs von Branchenkollegen belächelt hat sie unbeirrt an ihrem Weg festgehalten – und ist heute eine führende Persönlichkeit der Bewegung zur Erhaltung von Baubestand.

Sarah Dungs hat ein dynamisches Auftreten und spricht eloquent über die Baubranche, ihre größ­ten Herausforderungen wie Ressourcen­knappheit und Klimawandel sowie die politische Ver­antwortung in diesem Bereich. Ihre Rhetorik ist ausgereift wie die einer erfahrenen Managerin – und das ist die Under 30-Listmakerin auch: Seit acht Jahren ist Dungs bei der Grey­field Group tätig, einem Unter­nehmen für Immobilienprojekt­entwicklung, das sich auf die Revitalisierung von Bestands­gebäuden spezialisiert hat.

2016 begann Dungs als ­Werk­studentin, seit 2020 ist sie Geschäfts­führerin der Greyfield Group. Die schwierige Aufgabe beschränkt sie nicht, sondern spornt sie vielmehr an: „Es ist eine riesige Verantwortung, und ich nehme sie voller Begeisterung an. Mein ­persönlicher Antrieb ist die Transformation der Branche sowie das Lösen von Herausforderungen: Was ist in unserer Branche eigentlich die größte Innovation? Wie können wir CO2 einsparen? Und wo ist wirklich der große Hebel? Der größte Hebel ist der Bestand – und um diesen nutzen zu können, müssen wir das Fundament der Branche ändern“, sagt Dungs im Gespräch mit Forbes.

Laut einem UNO-Bericht liegt die Bau- und Gebäudewirtschaft beim Treibhausgasausstoß auf Rekordniveau, was die Ziele des Pariser Klimaschutz­abkommens massiv konterkariert. Der Sektor trägt mittlerweile 38 % zu den ­globalen CO2-Emissionen bei.

Die Greyfield Group wurde 2012 in Essen vom ehemaligen KPMG-Manager Timm Sassen gegründet, der für Unternehmens­finanzierungen im Immobilien­sektor zuständig war. Seine lang­jährige Tätigkeit inspirierte ihn dazu, gealterte, aber identitäts­stiftende Immobilien wiederzu­beleben und vor dem Abriss zu bewahren. Das Mission Statement ist klar definiert: „Deutschland ist fertig bebaut. Wir müssen Bestandsgebäude transformieren und uns auf den Bestand fokussieren.“ Für seine radikale Meinung wurde das Unternehmen von Branchen­kollegen in der Anfangszeit als „Geisterfahrer“ belächelt, wie sich Dungs erinnert: „Macht doch irgendwie Neubau, das machen doch alle! Warum interessieren euch nur alte, abgerockte Immobilien?“, zitiert sie ihre Mitbewerber von damals.

Dungs ließ sich davon nicht abschrecken, sondern sah in der Mission nicht nur einen Beruf, sondern eine Berufung. Ihr Karriere­weg begann mit einem starken Interesse an der Immo­bilienbranche, das sie während ihres Studiums der Raumplanung in Dortmund entwickelte. Um prak­tische Erfahrungen zu sammeln, nahm sie eine Studentenstelle bei der Greyfield Group an, als „das Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckte“. Ihr Talent, Probleme zu erkennen, aktiv anzugehen und zielgerichtet zu lösen, machte sich bezahlt: „Ich war unter den ersten fest angestellten Mitarbeitern des Unternehmens und habe mein Studium parallel fort­gesetzt“, erzählt Dungs, die bereits während ihrer Anfangsphase bei Greyfield eigenständig die Leitung von Projekten übernahm. Noch während ihres Masterstudiums an der Bergischen Universität Wuppertal in Real Estate Management und Construction Project Management wurde sie in die Geschäftsführung berufen.

Ihren Ehrgeiz unterstrich sie bereits vor ihrer beruflichen Lauf­bahn im Sport, in dem sie seit ihrem dritten Lebensjahr aktiv ist – jahrelang spielte Dungs für den HTC Uhlenhorst Mülheim Feldhockey in der Bundesliga, doch aufgrund ihrer beruflichen Prioritäten ist sie jetzt nur noch in der Oberliga aktiv. In einer von Männern dominierten Sparte wie der Immobilien­branche setzt sie sich auch dank ihrer sportlichen Erfahrung durch: „Es gibt Klischees, die man nicht weg­reden kann. Von klein auf hat es mich selten interessiert, wer vor mir steht – das habe ich im Hockey so gelernt: Auf dem Platz hat man das Recht, den Mund aufzumachen, wenn die Leistung stimmt“, sagt Dungs.

Sowohl ihre Karriere als auch die Projekte der Greyfield Group entwickelten sich weiter und wurden anspruchsvoller. Ein herausragendes Projekt des Unternehmens ist die Neugestaltung der ehemaligen Druckerei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in der Essener Innenstadt, die kurz vor der Fertigstellung steht: Greyfield hat gemeinsam mit Mount Real Estate Capital Partners im Jahr 2021 das 34.000 Quadratmeter große Druckhaus der Funke Mediengruppe erworben, um es zu revitalisieren und in eine moderne, multifunktionale Immobilie umzuwandeln. Zu den Mietern gehören unter anderem der Online-Supermarkt Knuspr, Meta Biomed Europe, Funke Dialog, ein Padel-Tennis-Betreiber sowie Homebox, ein Spezialist für Self-Storage. Der Fokus liegt auf dem Erhalt der Bausubstanz und der Vermeidung von zusätzlichem CO2- und Ressourcenverbrauch, wobei das Gebäude bereits einen Lebenszyklus-CO2-Ausweis besitzt, der die Klima­auswirkungen transparent misst.

In all ihren Projekten hat die Greyfield Group bisher insgesamt 41.000 Tonnen CO2-Emissionen, die im Rahmen der sogenannten grauen Energie (jene Energie, die zum Herstellen von Baumaterialien, aber auch im Bau selbst, bis hin zum Transport der Materialien, verbraucht wird; Anm.) angefallen wären, eingespart und reduziert jährlich 1.300 Tonnen CO2 in der Endenergie. Seit 2020 liegt der Fokus nicht mehr ausschließlich auf eigenen Immo­bilien – durch die Gründung der gemeinnützigen Greyfield-Stiftung, bei der Dungs im Vorstand sitzt, werden Projekte, Weiterbildungen und Forschungen gefördert. „Dabei handelt es sich etwa um eine Kirchen­umnutzung, die ohne Förderung gar nicht zustande kommen würde“, sagt sie.

Neben ihren zahlreichen Aufgaben initiierte Dungs im letzten Jahr mit Greyfield den Verband für Bauen im Bestand und übernahm ehrenamtlich die Position der Vor­standsvorsitzenden. Dungs und ihre Kollegen verlassen sich nicht allein auf politische Maßnahmen, sondern setzen auf die Zusammenführung von Expertise und Erfahrung: „Das Potenzial für Veränderungen ist riesig, und es dauert oft zu lange, bis wir es nutzen. Gesetzesänderungen und politische Entscheidungen können Jahre dauern – doch wir brauchen den Wandel jetzt, nicht morgen. Natürlich sind politische Gremien wichtig, und wir arbeiten durch unseren Verband daran, das Thema voranzutreiben. Aber wir dürfen nicht darauf warten, denn die Zeit drängt“, so Dungs.

Sarah Dungs ist Geschäftsführerin der Greyfield Group und zudem Vorstandsvorsitzende des Verbands für Bauen im Bestand. Sie ist zu einer prominenten Befürworterin des Erhalts und der Wiederbelebung bestehender Gebäude geworden.

Fotos: Julius Gnoth, Catrin Moritz, Sebastian Bernig

Paul Resetarits,
Redakteur

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