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Die „besseren“ Menschen und eine neue Weltordnung – diese Vorstellung teilt Roboterpsychologin Martina Mara nicht, wenn sie an die Zukunft von Robotern denkt. Vielmehr soll ein harmonisches Miteinander geschaffen werden.
Es waren der japanische Roboterforscher Hiroshi Ishiguro und sein Roboterzwilling Geminoid, die Martina Maras Interesse an Robotern geweckt haben. Vor rund zehn Jahren traf sie beim Linzer Ars Electronica Festival auf den Robotiker und seinen Zwilling. „Es war spannend, wie emotional das Publikum auf den hochgradig realistisch aussehenden Zwilling reagiert hat – eine Mischung aus Faszination und Grusel“, so Mara. Während in Europa solche menschenähnlichen Roboter im Alltag noch nicht derart angekommen sind, wurde in Japan bereits 2015 mit „Henn-na“ ein Roboter-Hotel eröffnet; 2016 stellte der Technologiekonzern Toshiba seine Androiden-Touristenführerin „Chihira-Kanae“ vor.
Zu der Zeit hatte bei Mara die Symbiose aus Technologie und Psychologie in der Forschung bereits stattgefunden, Anfang 2018 wurde sie dann die erste Professorin für Roboterpsychologie an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Mara bezeichnet sich selbst als Roboterpsychologin, beschäftigt sich jedoch nicht mit den Problemen eines Roboters und versucht auch nicht, ihn zu therapieren. Ihr Anliegen ist ein anderes: Sie will die digitale Transformation möglichst menschengerecht gestalten. Dazu gehört laut Mara vor allem auch die Aufklärung der Menschen hinsichtlich der Technologien und technischer Fachbegriffe. Dass vor allem Letzteres ein Problem ist, zeigt eine Umfrage der deutschen Bertelsmann Stiftung: 45 Prozent der Befragten fiel spontan nichts zum Begriff „Algorithmus“ ein, nur zehn Prozent wussten, wie ein Algorithmus funktioniert.
Die ambivalenten Gefühle gegenüber menschenähnlichen Robotern sind laut Mara aber vor allem auf das „Uncanny Valley“-Phänomen nach Masahiro Mori zurückzuführen: Demnach sinkt die Akzeptanz gegenüber Maschinen, wenn diese ein sehr hohes, aber nicht perfektes Level an Menschlichkeit erreichen. Es sind kleine Makel wie ein zeitversetzter Wimpernschlag, die Irritationen auslösen und die Menschen in das sogenannte „unheimliche Tal“ – das Uncanny Valley – führen. Grund dafür ist laut Mara ein Kategorisierungsproblem: Menschen können in diesem Rahmen nicht klar einordnen, ob der Gesprächspartner eine Maschine oder ein Mensch ist. Ihre Lösung dazu klingt einfach: „Maschinen sollen als solche erkennbar bleiben, dann gibt es keine ,Schubladenproblematik‘.“ Das gilt nicht nur für das Design des Roboters, also die Hardware, sondern auch für die Software. Denn auf welcher Basis die Maschinen handeln, ist oft nicht mehr wirklich nachvollziehbar – nicht einmal für KI-Experten. Dabei spielen künstliche neuronale Netzwerke eine Rolle, welche ähnlich dem menschlichen Gehirn über Knotenpunkte Informationen weiterleiten und sehr komplex sind.
Martina Mara
... promovierte an der Universität Koblenz-Landau zu menschenähnlichen Robotern und war bereits Forscherin am Ars Electronica Futurelab. Seit April 2018 ist sie Professorin für Roboterpsychologie.
Würde man dies ändern, die Maschine also zu einer „explainable machine“ machen, wie Mara es nennt, würde mehr Vertrauen entstehen. Das zeige sich am Beispiel von autonomem Fahren: „Wie kann man sicher sein, dass man als Fußgänger vom Auto gesehen wurde und es stehen bleibt? Wir wissen aus der Psychologie, dass die Vorhersehbarkeit unserer Interaktionspartner sehr wichtig für unser Wohl- und Sicherheitsbefinden ist. Das gilt auch als Mitfahrer. Das Gefühl des Kontrollverlusts kann verringert werden, wenn das Auto zum Beispiel durch Soundeffekte oder sensorische Signale einen Spurwechsel ankündigt“, so Mara. Insgesamt soll damit das Gefühl reduziert werden, dass ein Roboter ein Wesen ist, das ausschließlich selbstständig Entscheidungen trifft und dem Menschen gefährlich werden könnte.
Wenn eine Gefahr im Bezug auf Roboter besteht, dann nur durch diejenigen, die die Maschinen erschaffen, so Mara. Denn ihr zufolge haben Roboter kein Bewusstsein und sollten dementsprechend auch keine Rechte haben. „Welches Recht sollte sich ein Roboter wünschen? Dann müsste man auch darüber diskutieren, welche Rechte ein Toaster hat. Diese Debatte mag im Kontext von Science-Fiction angemessen sein, aber nicht in der Realität. Dort gibt es noch genug im Bereich Menschenrechte zu tun.“ Deshalb findet Mara auch eine Debatte um Roboterrechte, „Robot Rights“, absurd – nicht jedoch ethische Richtlinien zum Umgang mit Robotern.
Am Arbeitsmarkt bestünde etwa die Gefahr für Pflegebedürftige, durch „pseudoemotionale“ Maschinen manipuliert zu werden. Dennoch habe gerade dieser Bereich einen massiven Mangel an Arbeitskräften. Maras Ansatz: Es sei besser, einen Roboter einzusetzen, als eine überforderte Pflegerin oder überhaupt niemanden – er sollte jedoch nicht die menschlichen Kernkompetenzen wie etwa Empathie oder einen flexiblen Umgang mit neuen Situationen ersetzen.
Doch nicht nur im Pflegebereich ist Robotik ein Thema – im Jahr 2017 wurden laut dem Datenanbieter Statista alleine in Europa 66.000 Industrieroboter abgesetzt, ein Wachstum von 20 Prozent gegenüber 2016. Weltweit wurden 2017 mit Unternehmensanwendungen im gesamten Bereich von KI 841,13 Millionen US-$ erwirtschaftet – ein Anstieg um 135 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei der Zusammenarbeit mit Robotern in der Industrie ergeben sich laut Mara verschiedene Herausforderungen: „Das wird ein wesentlicher Aspekt in den nächsten zehn Jahren sein. Es werden mehr Laien mit Robotern zusammenarbeiten als bisher. Roboter werden auch nicht mehr verdeckt oder hinter Absperrungen arbeiten, sondern sichtbar unter uns sein.“
Mara selbst hat neben ihrer Tätigkeit als Professorin bereits mit dem Wiener Robotik-Start-up Blue Danube Robotics oder Mercedes Benz zusammengearbeitet. Bei letzterem Unternehmen untersuchte sie in einer gemeinsamen Studie die Kommunikation zwischen selbstfahrenden Autos und Fußgängern, um das Gefühl des Kontrollverlusts während des Fahrens weitgehend zu reduzieren. „Insgesamt hoffe ich, dass wir Menschen das Beste aus der Robotik und der KI herausholen werden“, so Mara.
Europa als Technologiestandort spielt hier für sie eine wichtige Rolle: „Europa muss eine Technologievision erschaffen. Die europäische KI soll für eine hohe Qualität stehen und ein ,Responsibility-Label‘ tragen.“ Darunter versteht Mara eine intelligente Technologie, die verantwortungsvoll entwickelt und geführt wird. Die Nachfrage nach den Technologien besteht jedenfalls: Laut Statista wird der globale Markt für KI-Anwendungen bereits im Jahr 2020 4,8 Milliarden US-$ ausmachen – ein Wachstum von 471 Prozent im Vergleich zu 2017. Jetzt muss nur noch Maras partizipativer Ansatz damit Schritt halten können.
Dieser Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2019 „KI“ erschienen.