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Geldhäuser sehen Überregulierung als eine der größten Bedrohungen für ihr Geschäft. David Christian Bauer, Country Managing Partner von DLA Piper in Österreich, plädiert wieder für mehr Freiraum für die Institute.
Die digitale Disruption ist eine der größten Herausforderungen, der sich Banken-CEOs aktuell stellen müssen. 42 % der im „Global CEO Survey“ von PwC befragten Bankenchefs erwarten sich diesbezüglich negative Folgen für das eigene Unternehmen. Doch die Studie zeigt, dass ein anderes Sorgenkind weitaus relevanter sein dürfte: Überregulierung. Laut der Studie sind 51 % aller CEOs im Bankensektor „extrem besorgt“ ob der zunehmenden Regulierungsvorschriften. Seit der globalen Finanzkrise 2008, die unter anderem von einer zu geringen Liquidität und Eigenmittelausstattung globaler Finanzinstitute ausgelöst wurde, haben die Regulatoren in den USA und Europa deutlich strengere Richtlinien erlassen, um die Stabilität des Bankensektors zu erhöhen. Dazu gehören etwa bekannte Regelwerke wie Basel III und IV, die „Payment Services Directive“ I und II oder die „Markets in Financial Instruments Directive“ (MiFID) I und II.
Obwohl Experten der Branche durchaus mehr Stabilität attestieren, ächzen vor allem kleine Institute unter den Vorschriften. Auch David Christian Bauer, Country Managing Partner der Rechtsanwaltskanzlei DLA Piper in Österreich (die Anwaltskanzlei ist global tätig und gilt als eine der größten weltweit, Anm.), gibt der aktuellen Regulierungssituation eine positive Bewertung: „Wenn zehn die beste Note wäre, ist die aktuelle Regulierung aus meiner Sicht eine Sieben. Das ist ein ordentlicher Wert, aber es gibt erhebliche Baustellen. Man muss unterscheiden zwischen Regulierung, die sinnvoll und notwendig ist, und Überregulierung.“ Für Bauer führt Zweiteres zu einigen Schwierigkeiten: zu Scheinsicherheit, der Ausschaltung von Marktkräften, einem Verlust an Rechtssicherheit und erheblichen Kosten für die Institute.
Ein Beispiel: „Dass von den Banken immer höhere Eigenmittel gefordert werden, ist richtig. Dass diese zu niedrig waren, war auch einer der Gründe für die Finanzkrise 2008. Doch auf der anderen Seite halten Banken Staatsanleihen und dürfen diese mit null Risiko gewichten. Dabei besteht auch hier ein Ausfallsrisiko. Was passiert, wenn ein Staat in eine Schieflage gerät?“ Ähnlich verhalte es sich mit ständig neuen Geldwäschevorschriften: ein gutes Anliegen, aber zu aufwendig in der Umsetzung.
Dabei sind Kreditinstitute laut Bauer per definitionem Risikoträger. „Wenn sie kein Risiko mehr nehmen dürfen, erlahmt die ganze Volkswirtschaft.“ Vor allem die Komplexität zeigt sich als Problem: Während die Bibel rund 700.000 Wörter umfasst, zählt alleine der Textkorpus des Basler Ausschusses schon über zwei Millionen Wörter. Bauer: „Die Europäische Union hat lange das Bild eines mündigen Verbrauchers gefördert. Doch das MiFID-Regelwerk (regelt Wertpapierdienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum, um Markttransparenz, Wettbewerb und Anlegerschutz zu verbessern, Anm.) geht unglaublich ins Detail und weicht von diesem Bild ein Stück weit ab.“ Die Palette an angebotenen Produkten würde verkleinert und standardisiert, um Aufwand und Risiken zu reduzieren. Banken schränken somit ihre Retail-Aktivitäten ein.
David Christian Bauer (44)
... arbeitete nach seinem Studium der Rechtswissenschaften als Universitätsassistent. Er startete seine Karriere 2002 bei einer internationalen Anwaltskanzlei in Wien. 2010 wechselte er ins Wiener Büro der in über 40 Ländern operierenden Anwaltskanzlei DLA Piper, die er seit 2016 als Country Managing Partner leitet. Bauers Expertise: grenzüberschreitende bankenrechtliche Prozessführung, Regulierungs- sowie Gesellschaftsrecht.
Doch die Lage der europäischen Banken erscheint gar nicht so düster. 2018 verbesserten die – gemessen an der Bilanzsumme – zehn größten Banken Europas ihren Gewinn zum Vorjahr um 35 % auf insgesamt 52 Milliarden €. Wären diese Gewinne bei weniger Regulierung höher? Bauer relativiert: „Die Gewinne wären nicht höher, aber das Geschäftsmodell stabiler. Die aktuelle Niedrigzinspolitik lässt viele ‚Zombie-Unternehmen‘ überleben. Wenn dann durch steigende Zinsen ein Großteil wegfällt, bricht den Banken viel Ertrag weg. Das Kerngeschäft, die mit dem Zinsgeschäft zusammenhängende Fristentransformation, funktioniert ja nur, wenn Banken eine Marge verdienen können.“
Die US-Banken sind indes noch erfolgreicher als jene in Europa. Das liegt nicht nur an einem vorteilhaften Zinsumfeld (europäische Institute zahlen rund sieben Milliarden € Negativzinsen pro Jahr an die EZB, während US-Banken von der Federal Reserve rund 40 Milliarden US-$ bezahlt bekommen), sondern auch an einem auf Effizienz ausgelegten Ansatz der (De-)Regulierung. Davon könnte sich Europa etwas abschauen.
Die Überregulierung zeige sich auch daran, dass unterdrückte Marktkräfte ausweichen. So wuchs das „Schattenbanksystem“ (Versicherungen, Fondsgesellschaften sowie Nichtbanken, die Bankdienstleistungen anbieten) in Europa auf ein Assetvolumen von zuletzt 42,3 Billionen €. Banken müssten daher mehr Freiraum erhalten. Mit dieser Meinung ist der Anwalt nicht allein: In einem Gastkommentar für das deutsche Handelsblatt schrieb Hans-Walter Peters, Chef der Berenberg Bank und Präsident des Bundesverbands deutscher Banken: „Gute Regulierung schafft Entfaltungsmöglichkeiten für Banken und sichere Finanzsysteme. Doch unter den aktuellen Regeln leiden vor allem kleine Banken.“
Tatsächlich wird das Proportionalitätsprinzip, wonach kleinere Banken weniger regulatorische Hürden haben sollten, zu selten gelebt. Die Folge: Kleine Banken fusionieren oder verschwinden, da der Aufwand zu groß wird. Auch Angela Merkel erklärte kürzlich, dass die Verhältnismäßigkeit noch stärker hervorgehoben werden müsse, was jedoch schwierig sei, da andere Länder nicht so viele kleine Banken hätten. Sollte sich die Politik überhaupt mehr um dieses Thema kümmern? „Ich denke ja – aber in der richtigen Form. Wir haben große Fortschritte gemacht, dadurch aber neue Risiken aufgebaut. Das muss in manchen Bereichen zurückgefahren werden. Das ist kein gordischer Knoten, den man durchschlägt. Das muss man auf vielen Ebenen klug angehen“, so Bauer.