DES ROBOTERS NEUE KLEIDER

Wandelbots bietet eine Technologie, die es ermöglicht, ohne Fachkenntnisse und große finanzielle Sprünge Roboter zu programmieren. Mit Erfolg: das Start-up erhielt bisher 6 Mio. € an Investitionen.

Dass das Unternehmen Wandelbots heute existiert, ist bis zu einem gewissen Grad Zufall. Denn eigentlich wollte die Gruppe von Doktoranden der Technischen Universität (TU) Dresden ihre entwickelte Technologie auf der Hannover-Messe 2016 nur präsentieren – völlig ohne Hintergedanken.

„Wir sind da nur hingefahren, weil wir etwas gebaut haben, das wir selber total cool fanden. Dass wir da so einen Nerv treffen, war uns im Vorfeld gar nicht so ­richtig bewusst“, erinnert sich Wandelbots-­CEO Christian Piechnick. Nach der Präsentation kamen zahlreiche Industrieunternehmen auf die Doktoranden zu, mit einem ganzen Stapel an Visitenkarten ging es nach Hause.

Was war es, dass die Unternehmen so begeistert hatte? Vereinfacht gesagt ermöglicht die Technologie von Wandelbots, ohne Fachkenntnisse Roboter zu programmieren – und zwar ganz einfach, indem die Aufgaben vorgezeigt werden. Dazu verwendet Wandelbots ­intelligente Kleidung. Doch wie funktioniert das? „Ich kann eine Jacke ­anziehen und dem Roboter eine Aufgabe mehrfach zeigen. Aus den anfallenden Daten – von der Jacke, vom Roboter und von externer Sensorik – lernt die Software die Aufgabe und generiert automatisch eine ­optimale Lösung“, erklärt Piechnick. Die Wandelbots-Software produziert automatisiert Code, den ein Programmierer sonst manuell schreiben müsste. Dabei ist das Produkt laut Piechnick umfassend ausgestattet: „Wir lehren nicht nur die Bewegung des Roboters, sondern eine voll­integrierte Lösung mit SPS-, Sen­sor- und Endeffektoranbindung.“

Demokratisierung der Robotik

Künstliche Intelligenz wird also bei der Erstellung der ­Software eingesetzt, nicht beim Roboter selbst. Bei Wandelbots versteht man den Ansatz daher als KI-­getriebene Softwareentwicklung. „Wir demokratisieren den gesamten Bereich der Robotik, indem auch technische Laien die Möglichkeit bekommen, solche Applikationen umzusetzen“, sagt Piechnick. Die Jacke ist ­dabei nur eine Möglichkeit, gesteuert kann die Software auch mittels Virtual-Reality-Headset oder 6-D-Maus werden.

Bild: Wandelbots, CEO, Roboter, KI, Start-up, Dresden

Wandelbots
... wurde 2016 von Christian Piechnick (Bild), Georg Püschel, Maria Piechnick, Sebastian Werner, Jan Falkenberg, Giang Nguyen und Frank Fitzek als Spin-off der TU Dresden gegründet. Das Produkt: smarte Kleidung, die als Controller für Roboter eingesetzt wird. Das Unternehmen ist in Dresden ansässig.

Die Vorteile liegen auf der Hand: „Industrieunternehmen sind heute noch sehr stark von externen Firmen abhängig, die die Programmierung der Roboter machen. Jedes Mal, wenn ich an meinem Roboter Änderungen vornehmen will, muss ich meinen externen Systemintegrator anrufen“, erläutert Piechnick. Da die meisten Roboterhersteller ihre eigene proprietäre Technologie und Programmiersprache verwenden, können das nur speziell ausgebildete Fachkräfte übernehmen – das wird schnell teuer. Wandelbots arbeitet sowohl mit Endkunden – also Unternehmen, die Roboter einsetzen – als auch mit Systemintegratoren, die mit der Software die Roboter viel schneller programmieren können. Das Unternehmen ­arbeitet dabei nach dem „Software as a Service“-Prinzip, bei dem Kunden ein Abo abschließen, um Zugang zum Programm zu erhalten.

Wandelbots hat rund eineinhalb Jahre nach der Gründung 34 Mitarbeiter und ist nach wie vor in Dresden angesiedelt. ­Piechnick schwärmt von der Stadt als „­genialem Standort für das ­Thema“. Dresden sei der größte Halbleiterstandort in Europa mit vielen potenziellen Kunden. Zudem gebe es die TU Dresden als Exzellenzuni und viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. „Dadurch haben wir wahnsinnig einfach Zugriff auf Talente, auf Kunden und ein Netzwerk, das man anderswo so nicht bekommt“, meint der ­Wandelbots-Chef. Und weil es in Sachsen im Gegensatz zu Berlin wenige Start-ups gibt, unterstützt die sächsische Landesregierung stärker.

Satte sieben Gründer zählt das Team von Wandelbots. Sie lernten sich beim ­Doktoratsstudium an der TU kennen. Mit Frank ­Fitzek gehört auch ein TU-Professor dazu. „Der Grund, warum wir so ­viele Gründer sind, ist, dass wir ein wahnsinnig komplexes Thema behandeln, das ganz viele unterschiedliche Fähigkeiten erfordert“, sagt Piechnick. Das reiche von User-Experience über Robotik und Softwareentwicklung bis hin zu mathematischen und simulationsbasierten Details. Am Anfang war Wandelbots ein Hobbyprojekt – erst nach der erwähnten Vorstellung der Technologie auf der Hannover-Messe 2016 beschloss die Gruppe, ein Unternehmen zu ­gründen.

Qual der Wahl

Im Dezember 2017 gab es eine Seed-Runde, an der das Berliner Venture-Capital-­Unternehmen ­Atlantic Labs beteiligt war. Ein Jahr später folgte eine Series-A-Finanzierungsrunde, bei der insgesamt sechs Millionen € eingeworben wurden und unter anderem die schwedische Private-Equity-Firma EQT als Investor dazukam. „Wir hätten sicherlich noch einen höheren Betrag einsammeln können, die Schwierigkeit war eher, dass wir alle in die ­Runde reinnehmen können“, sagt ­Piechnick.

Bild: Interview, Wandelbots, Christian Piechnick, CEO, Start-up, Dresden

China wird mit Abstand der größte Markt und wird spätestens nächstes Jahr größer sein als der Rest der Welt zusammen.

Schließlich entschied man sich für diese Konstellation, die für alle am vielversprechendsten galt. Wichtig war Wandelbots vor allem, dass die Investoren das Thema verstehen und wie die Zusammenarbeit aussehen wird. „Auch im Silicon ­Valley findet man nicht viele Investoren, die in einem B2B-Geschäft in der ,Old Economy‘ – wie industrieller Automatisierung – wirklich Erfahrung aufweisen können“, erläutert der Wandelbots-Chef.

Hoffnungsmarkt Asien

Nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei den Zielmärkten, die für das Unternehmen interessant sind, richtet sich der Blick daher eher nach Osten als in den Westen. „Der amerikanische Markt ist in etwa so groß wie der deutsche. Währenddessen ist China mit Abstand der größte Markt und wird spätestens nächstes Jahr größer sein als der Rest der Welt zusammen“, sagt Piechnick. Wandelbots ist daher gerade dabei, ein Büro in China aufzubauen.

Auch Japan und ­Südkorea ­seien als Märkte interessant, so Piechnick. Was laut Piechnick in Asien im Bereich Robotik ­einfacher ist, sind die rechtlichen Rahmen­bedingungen. Diese ­seien in ­Europa manchmal zu ­restriktiv und ­würden daher Innovationen verhindern, meint Piechnick. „Es braucht ­einen gesunden Trade-off zwischen Sicher­heit und Fortschritt. Das Pendel schlägt in Europa in die eine Richtung und in Asien in die ­andere, die Wahrheit liegt aber in der ­Mitte“, sagt der CEO.

Jedenfalls sei man in ­China schneller, Trends zu adaptieren und umzusetzen: „Chinesische Unternehmen haben einen ganz anderen Speed als europäische Konzerne.“ Dort sieht Piechnick auch das Problem. Während Klein- und Mittelunternehmen (KMU) in Deutschland laut dem Gründer durchaus aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien sind, würden europäische Konzerne in vielen Fällen konservativer denken. Ein Umdenken hält der Unternehmer aber für unumgänglich: „Das muss bei den Großen in Europa jetzt passieren, um perspektivisch mit den Asiaten Schritt halten zu können.“

Der Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2019 „KI“ erschienen.

Dominik Meisinger

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