Der Traum von Telepathie

Kann man Krankheiten, wie Paralysen oder Parkinson mittels eines im Gehirn implantierten Computerchip, heilen? Neuralink, das 2018 von Elon Musk gegründete Unternehmen, meint ja. 2022 soll der erste Neuralink-Chip in ein menschliches Gehirn gepflanzt werden und somit die Kommunikation zwischen Gehirn und Computer ermöglichen. Was sind die konkreten Pläne des Unternehmens?

„Das ist Pager, ein neunjähriger Affe”, sagt eine Stimme aus dem Off, als ein kleiner Makake auf einen Bürosessel klettert. Sofort greift dieser zu seinem Joystick und beginnt auf einem großen Bildschirm, ein simples Computerspiel zu spielen, während er Bananen Smoothie aus einem Strohhalm schlürft. Blitzschnell verfolgt er mit einem Ball aufleuchtende Flächen auf dem Bildschirm und klickt mühelos auf die richtigen Felder. Pager ist kein normaler Affe, er hat mehrere Neurolink Chips in seinem Gehirn implantiert, die es den Wissenschaftlern erlauben, die Gehirnaktivität des Affens genau zu überprüfen. Aber nicht nur das, schon bald erklärt die Stimme aus dem Off: „Wie Sie sehen können, haben wir den Joystick von Pager abgesteckt, er steuert ab jetzt das Spiel nur noch mit seinem Gehirn.” Zwar hat der Makake, aus Gewohnheit, eine Hand immer noch am Joystick, spielt aber, in der Tat, nur noch mit seinen Gedanken.

Das Ziel von Neuralink, geht aber weit darüber hinaus als „nur” Computerspiele, mit dem menschlichen Gehirn steuern zu können. Vielmehr, geht es darum, Menschen mit diversen Behinderungen zu helfen. Als kurzfristiges Ziel hat sich Neuralink gesetzt, Menschen, die beispielsweise an akuten Rückenmarksverletzungen leiden, das Interagieren mit einem Computer zu ermöglichen. So sollen diese zukünftig, mit Freunden und Familie chatten, oder ihre online Einkäufe erledigen können, ohne dabei Arme oder Beine zu bewegen. Ähnlich wie es der Affe Pager in dem Video von Neuralink geschafft hat. Auf längerer Sicht soll dann auch jenen Menschen, mittels Überbrückung von Nervengewebe das Laufen beigebracht werden.

Doch Musk macht bei diesem Punkt nicht halt, denn er hält an den drei wichtigsten Entwicklungsschritten des Unternehmen fest: Erstens,  das Verstehen des menschlichen Gehirns, zweitens eine Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer zu schaffen und drittens, das Gehirn weiterzuentwickeln. Unter dem letzten Punkt versteht man dem sogenannte „Human Enhancement“, also die Weiterentwicklung des menschlichen Körpers. Vereinfacht gesagt, sollen auch Menschen ohne Krankheiten, die Möglichkeit bekommen, telepathisch mit einem Computer zu kommunizieren und damit ihr „Gehirn auf ein neues Level zu bringen”.  Grundsätzlich soll die Neuralink-Technologie so zuverlässig und sicher werden, dass auch gesunde Menschen darauf zurückgreifen möchten. Dabei sollen zukünftige Nutzer, schneller mit den technologischen Geräten kommunizieren können, sich besser konzentrieren können und außerdem mit der Entwicklung in Sachen Künstlicher Intelligenz mithalten können. Doch wie soll das Ganze funktionieren?

Kommen wir dafür wieder zum Affen Pager zurück, der fleißig das Computerspiel mit seinem Gehirn gespielt hat. Zuvor wurden ihm Neuralink-Chips in jenen Bereichen seines Gehirns implantiert, die die Bewegungen von den Augen und den Armen steuern. Während er seine Übung macht, können die Wissenschaftler, ganz einfach auf ihrem Smartphone beobachten, welche Teile des Gehirns er für welche Bewegungen nutzt. Beispielsweise kann klar unterschieden werden, welche neuronalen Verbindungen er für eine Aufwärtsbewegung und welche er für eine Abwärtsbewegung verwendet. Jene Daten, werden dann einer Künstlichen Intelligenz vermittelt, mit deren Hilfe die Wissenschaftler dann in Echtzeit vorhersehen können, welche Bewegungen Pager machen wird. Nach nur wenigen Minuten, kann durch das Zusammenführen der Daten der Neuronen und des Joysticks, der Algorithmus so kalibriert werden, dass der Joystick überflüssig wird. Zu dem Zeitpunkt hat die KI gelernt, welche Teile des Gehirns Pager benutzt, um bestimmte Bewegungen auszuführen. Somit muss Pager nur noch an die Bewegung denken.

Bei Makaken und Schweinen konnte die Neuralink-Technologie schon erfolgreich eingesetzt werden, doch wie sieht es bei Menschen aus? Im Dezember 2021 tweetet Elon Musk über seine Pläne, im Jahr 2022 einen Neuralink-Chip erstmals an einem Menschen zu testen. Für viele kommt diese Nachricht sehr überraschend. So hat Musk in den vergangen Jahren schon häufiger angekündigt, in naher Zukunft mit den Tests am Menschen zu beginnen. Fakt ist, dass die US-Medizinbehörde FDA, dem Vorhaben, den Chip in ein menschliches Gehirn zu implantieren, noch nicht zugestimmt hat. Musk hat jedoch schon öfter betont, dass die Neuralink-Standards der Implantation höher sind, als es die FDA verlangt.

Grundsätzlich äußert sich der Unternehmer zu den Kontroversen und den ethischen Bedenken optimistisch. In einem Interview mit dem bekannten Autor und Illustrator Tim Urban meinte er: „Wenn ein Wissenschaftler darüber nachdenkt, die grundlegende Natur des Lebens zu verändern – Viren zu erzeugen, Gene zu verändern, malt dies ein Schreckgespenst an die Wand, das viele Biologen als ziemlich besorgniserregend empfinden. Wenn Neurowissenschaftler über Chips im Gehirn nachdenken, scheint dieser Gedanke nicht fern zu liegen, weil wir bereits Chips im Gehirn haben.”

Ob und wann wir also mit dem nächsten Durchbruch von Neuralink rechnen können, bleibt noch unklar. Andere Firmen, welche an einem ähnlichen Produkt arbeiten, haben jedoch in der Vergangenheit schon Erfolge gefeiert. So konnte das US-Unternehmen Blackrock Neurotech, bereits über 30 ihrer Chips bei menschlichen Patienten einsetzen. Mit jenen Chips konnte Rückenmark-geschädigten Patienten bereits dabei geholfen werden, Emails und Texte am Computer zu verfassen. Jene Neuralink-Technologie ist also nicht ganz neu, jedoch bleibt es - wie immer bei Musks Projekten - spannend, was die Zukunft bringt.

Text: Lela Thun
Fotos: Steve Jurvetson, Unsplash

Lela Thun,
Redakteurin

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