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Cédric Waldburger fokussiert sich auf das Wesentliche: Der Schweizer Serienunternehmer verbringt sein Dasein ohne Büro und Wohnung und besitzt nur 64 physische Gegenstände – jedes Objekt muss seinen Zweck erfüllen. Diese Philosophie verfolgt Waldburger nun auch mit seinem neuen Risikokapitalfonds Tomahawk VC.
Ganz seiner Philosophie entsprechend tritt Cédric Waldburger bei unserem Videointerview konsequent minimalistisch auf: schwarzes T-Shirt, weißer Hintergrund. Kein Schnickschnack, keine unnötigen Gegenstände – Waldburger fokussiert sich auf das Wesentliche. Sein Essenzialismus spiegelt sich auch anderswo wider: Das größte Problem für ein Start-up sei, so der 31-Jährige, „fehlender Fokus“. Seit 18 Jahren ist Waldburger in der Start-up-Branche aktiv, als Gründer hat er mehrere Jungunternehmen im Technologie- und Blockchain-Bereich ins Leben gerufen. Das prominenteste Beispiel: das Schweizer Start-up Dfinity, das Cloudlösungen über die Blockchain dezentralisieren will – eine Art „Internet-Computer“, wie das Unternehmen es selbst beschreibt. Doch auch bei anderen Gründungen, etwa der Task-Management-App Sendtask und Nextblock Global, einer Community für „Crypto-Enthusiasten“, war Waldburger beteiligt. Oft seien Gründer zu opportunistisch. Waldburger: „Besonders in der Frühphase ist es für Jungunternehmen wichtig, eine diffuse Vision auf eine Kernidee zu reduzieren und sich darauf zu fokussieren.“
2014 begann der umtriebige Unternehmer, sein Wissen weiterzugeben und selbst in Start-ups zu investieren. Die Frage, die ihn antrieb: Wie vernetzt man die richtige Person mit der richtigen Idee? „Investieren wird immer ein bisschen wie Dating sein“, sagt Waldburger. Auf die Frage, welche Kriterien für ihn bei der Investmententscheidung wichtig sind, antwortet er eindeutig: das Team. Dabei sind drei Kriterien zu erfüllen. Erstens Execution: Inwieweit kann der Gründer seine Idee selbst ausführen, und wie schnell kommt er damit voran? Zweitens Clarity: Wie klar und prägnant kann sich der Unternehmer ausdrücken? Als letztes Kriterium nennt Waldburger Empathy – von seiner Idee genug überzeugt zu sein, um diese Überzeugung auch seinem Team vermitteln zu können.
Cédric Waldburger
... fing früh mit dem Programmieren an. Er studierte Elektrotechnik an der ETH Zürich und gründete mehrere Unternehmen, darunter das Blockchain-Start-up Dfinity. 2020 launchte Waldburger mit seinem Partner Claude Donzé den Risikokapitalfonds Tomahawk VC.
2020 gründete Waldburger gemeinsam mit seinem Kollegen Claude Donzé die Risikokapitalfirma Tomahawk VC. Bis zu zwei Millionen US-$ werden pro Start-up investiert, vor allem in der Early Stage (also Pre-Seed-, Seed- und Series-A-Runden). Ausgestattet ist der Fonds mit insgesamt 20 Millionen US-$, die Mittel stammen ausschließlich von den beiden Gründern. Tomahawk VC spezialisiert sich auf Blockchain-Start-ups im B2B-Bereich. Zu den bisherigen Investitionen zählen Liquity, ein dezentralisiertes Blockchain-Protokoll zur Kreditaufnahme, Buyonomics, ein Tool für Pricing Analytics, und Lano, eine Plattform, um Freelancer zu managen. Auch der Onlineshop für Sexspielzeug Amorana und die App Farmy, die Bauern ermöglicht, ihre Waren direkt an Kunden zu verkaufen, erhielten Unterstützung von Tomahawk VC.
In gewisser Weise kennt Cédric Waldburger keine Grenzen: Er investiert in Start-ups, die von Beginn an global agieren. Diesen Ansatz nennt er „Global First“. Dabei geht es weniger um den physischen Standort des Unternehmens als vielmehr um die Einstellung: Die Jungunternehmen sollen bereit sein, Talente aus aller Welt anzustellen und ihre Firmenkultur dementsprechend aufzubauen. „Jetzt ist die Zeit, global zu denken“, so Waldburger. Er bezieht sich dabei sowohl auf das Recruiting als auch auf Sales. Der große Vorteil beim Global-First-Ansatz sei das erweiterte Recruiting-Potenzial. Vor allem heute, wo es so einfach geworden ist, über Grenzen hinaus zu kommunizieren, gebe es keinen Grund mehr, sich auf einen Standort zu beschränken. Das sorgt für eine eigene Klasse an Unternehmen, die an keinen festen Ort gebunden sind und dadurch ihr volles Potenzial ausschöpfen können.
Global heißt aber auch dezentral – bestehende Prozesse und Systeme zu dezentralisieren ist nämlich ein wiederkehrendes Motiv in Waldburgers Projekten. Auch bei Dfinity wollte er dezentrale Netzwerke bauen: mithilfe einer „Blockchainlösung“ für das Netz, also einem dezentralisierten Cloud-Computer. Denn während heute alle Arten von Software auf privaten Servern von Microsoft, Amazon und Co betrieben werden – das Internet also wieder zentralisiert wird –, will Dfinity Daten, Softwarelösungen und Cloud-Umgebungen direkt im Netz verankern.
Waldburger war erst fünf Jahre alt, als er mit dem Programmieren begann. Mit 14 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen: Durch die Schule kam er ohne Probleme, was ihm genug Zeit ließ, nachmittags mit einem Freund Websites zu erstellen. Kunden gab es zur Genüge, denn zur Jahrtausendwende hatte „jeder das Gefühl, er braucht eine Website“, so Waldburger.
Die Mediasign AG gibt es immer noch – das Unternehmen befindet sich allerdings seit zwei Jahren in neuem Besitz. Es folgte ein Elektrotechnik-Studium an der ETH Zürich, das Waldburger schulte, komplexe Probleme zu lösen. Das sei für ihn bis heute die wichtigste Eigenschaft, auch in seiner Auswahl von Gründern: die Bereitschaft, komplexe Problemstellungen anzugehen.
Solch erfinderische Arbeit setzt auch einen erfinderischen Lebensstil voraus. Rund 120 Mal ist Cédric Waldburger letztes Jahr geflogen. Als er eines Tages von einer seiner Reisen nach Hause kam, fragte er sich, wie viele Sachen er besitze, und zählte nach: 650 Gegenstände waren es. Nach dem Aussortieren waren es nur mehr 64.
„Damit ich am meisten Wert stiften kann, ist es wichtig, dass ich ganz wenig Besitz habe“, erklärt der Schweizer. Nur so kann er seine Nebenkosten niedrig halten und sich völlig frei und unbelastet bewegen – und etwa mehr Zeit bei seinen Start-ups verbringen. Früher hatte er eine Wohnung in Zürich, doch auch diese hat er aufgegeben, als er gemerkt hat, dass er extra via Zürich fliegt, um die Wohnung zu rechtfertigen. Reduzieren und sich fokussieren findet der Unternehmer spannend – für ihn geht es stets darum, aus möglichst wenig möglichst viel herauszuholen.
Auf die Frage, ob er sich viele Gedanken über die Zukunft macht, antwortet Waldburger, dass er „insofern immer an die Zukunft“ denkt, als er „überall Chancen“ sieht. Jedes Problem sei eine Möglichkeit, neue Lösungen zu finden. Dabei sei es notwendig, auch mal einen Schritt zurück zu machen, um bewusste Entscheidungen treffen zu können. „Es ist wichtig“, sagt Waldburger, „dass wir nicht reaktiv, sondern proaktiv reagieren. Man kann Innovation vielleicht entschleunigen oder verlangsamen, aber aufhalten kann man sie nicht“. Das zeige sich auch in der Coronakrise – egal, wo man gerade ist.
Text: Sophie Spiegelberger
Fotos: Cédric Waldburger
Der Artikel ist in unserer Mai-Ausgabe 2020 „Geld“ erschienen.